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So kam es, daß die Kosten der Unterhaltung fast nur von den beiden Offizieren und der Gräfin getragen wurden.

Die letztere hatte ihr vorheriges Wesen vollständig abgelegt. Sie war mitteilsam und gesprächig geworden, und besonderen Dank verdiente sie sich bei Gebhard dadurch, daß sie mit keiner Silbe ihres Neffen gedachte, der zu einer so außerordentlich peinlichen Szene Veranlassung gegeben hatte. Sie lud die beiden jungen Männer ein, am Souper teilzunehmen, was natürlich mit großem Dank angenommen wurde.

Am meisten schienen sich die beiden Nichten zu freuen. Es war außerordentlich selten, daß die Tante einem Herrn die Ehre gönnte, mit ihnen zu speisen, und so kam es, daß sie durch die Einladung der Gräfin in die beste Laune versetzt wurden, welche wieder ihren guten Einfluß auf die anderen äußerte.

Kurz vor der Tafel entfernte sich die Gräfin auf kurze Zeit, und diesen günstigen Augenblick benutzte Kunz von Goldberg, um Hedwig zu folgen, welche an das Piano getreten war und sich mit den daraufliegenden Noten zu beschäftigen begann. In den letzteren blätternd und scheinbar sich über dieselben unterhaltend, führten sie ein halblautes Gespräch, von welchem die beiden anderen nichts verstehen konnten oder vielmehr nichts verstehen gekonnt hätten, selbst wenn ihre Absicht gewesen wäre, einige der Worte zu erlauschen.

„Sagen Sie einmal, Herr von Goldberg“, begann Hedwig; „war es Ihrem Freund mit der Forderung wirklich ernst?“

„Ganz gewiß, Mademoiselle“, antwortete er.

„Das Duell wird also stattfinden?“

„Ich bin davon überzeugt.“

„Wie uninteressant!“

„Uninteressant?“ fragte er. „Und Sie gruseln doch so gern. Ist bei Ihnen vielleicht nur die Erzählung eines Mordes interessant?“

Sie blickte ihn ein wenig verächtlich von der Seite an und sagte:

„Was ihr Deutschen doch für Menschenkenner seid!“

„Nicht wahr?“ lachte er, ohne zu tun, als ob er den Blick bemerkt habe.

„Ja. Sagten Sie nicht erst vorgestern, daß es Ihnen ein außerordentliches Interesse gewähre, mich zu studieren? Und daß Sie sich schmeicheln, mich ganz und genau zu kennen? Und doch glauben Sie, daß nur ein Mord mich interessieren könne?“

„Muß ich es nicht glauben, da Sie ein Duell uninteressant nennen?“

Sie zog die schönen, vollen Schultern empor, so daß das rosige Fleisch derselben aus dem Ausschnitt des Kleids hervortrat, um sich nur langsam wieder unter dem weichen Stoff zu verbergen, und antwortete:

„Es kommt auf die Veranlassung an.“

„Wieso, Mademoiselle?“ fragte er.

„Ein Duell nur deshalb, weil einer nicht glaubt, daß der andere Offizier ist – wie kindisch.“

„Oder, wollen Sie sagen, ein Duell, weil der eine dem anderen gewaltsam provoziert.“

„Das ist barbarisch, aber doch nicht interessant.“

„Wann würde denn ein Duell für Sie interessant sein?“

„Hm! In vielen Fällen“, antwortete sie, indem sie ein höchst nachdenkliches Gesichtchen zog, welches ihr ganz allerliebst stand.

„Darf ich vielleicht einen von diesen vielen Fällen erfahren?“

„Neugieriger! Aber es ist wahr, Sie sind in Beziehung auf das Duell so ganz und gar unwissend, daß ich es schon unternehmen muß, Ihnen Unterricht zu geben.“

Sie zog die Brauen empor und bemühte sich, die strenge, gelehrte Miene eines pedantischen Lehrers anzunehmen. Das sah so allerliebst aus, daß Kunz sie gleich hätte umarmen mögen. Er sagte:

„Ich brenne vor Wißbegierde. Belehren Sie mich, Mademoiselle.“

„Nun, es kommt vor allen Dingen auf den Gegenstand an, wegen dessen man sich schlägt. Ist dieser interessant, so ist es auch das Duell. Nun, mein Herr von Goldberg, nennen Sie mir einmal einen Gegenstand, welcher interessanter ist als eine rohe oder kindische Provokation.“

Er nickte ihr mit einem ahnenden Lächeln zu und antwortete:

„Darf ich es da nicht am besten gleich wagen, den interessanten Gegenstand zu nennen?“

„Ja. Aber ich bitte mir aus, nicht im besonderen, sondern nur im allgemeinen zu sprechen.“

„Ah, meine schöne Hedwig, Sie haben mich im Verdacht, daß ich sofort eine gewisse Person nennen würde?“

„Ja, ich habe Sie da sogar in einem sehr dringenden Verdacht.“

„Warum?“ fragte er leise flüsternd, indem er sich ganz nahe zu ihr hinüberbog.

Sie versetzte ihm einen leisen, scherzenden Schlag mit dem Fächer und antwortete:

„Diese Deutschen sind allesamt rechte, echte Bären, und Sie insbesondere sind –“

Sie stockte.

„Was? Was bin ich?“ fragte er.

Sie blickte ihn wie furchtsam von der Seite an und antwortete rasch:

„So ein ganz gewaltiger Doppelbär.“

Er fuhr in scherzhaftem Schreck zurück und sagte:

„Mademoiselle, Sie kommen ganz von unserem Thema ab.“

„O nein, mein Herr, wir sind dabei.“

„Das sehe ich nicht ein. Oder meinen Sie vielleicht, daß nur ein Duell zwischen Doppelbären interessant ist?“

„O nein. Ich möchte mich da gern eines deutschen Wortes bedienen. Wie übersetzen Sie das schöne französische Wort lourdaud in das Deutsche?“

„Dieses Wort würde das schöne deutsche Wort Tolpatsch ergeben.“

„Schön. Und wie würde das Eigenschaftswort davon lauten?“

„Tolpatschig.“

„Nun, so will ich Ihnen sagen, daß ein Duell zwischen Doppelbären höchst tolpatschig aussehen, also ganz und gar nicht interessant sein würde. Wir sprachen aber gar nicht von Bären, am allerwenigsten von Doppelbären.“

„Wovon sonst, meine schöne Tadlerin?“

„Nur Sie allein sind so ein langweiliger Mensch, welcher niemals bei einem Thema standhalten kann. Sooft ich mich mit Ihnen unterhalte, habe ich mir die größte Mühe zu geben, Sie bei der Sache festzuhalten.“

Sie sprach das so ernsthaft aus, daß er lachen mußte.

„Gut“, meinte er. „Halten wir jetzt also stand.“

„Ja, ich fordere Sie allen Ernstes dazu auf. Der bekannte Bär kam nur deshalb zum Vorscheine, weil Sie mich fragten, weshalb ich Ihnen die Nennung einer ganz besonderen Person zutraue.“

„Ah, jetzt endlich besinne ich mich. Ich habe Sie wirklich zu bitten, nachsichtig mit meinem allzu altersschwachen Gedächtnis zu sein –“

„Altersschwach wohl nicht, aber sehr ungeübt“, fiel sie ihm in die Rede.

„Mag sein. Also ich sollte keine Person nennen, sondern nur ganz im allgemeinen sprechen?“

„Ja. Sie sollen mir einen Gegenstand nennen, welcher interessant ist.“

„Nun, ist der Ausdruck Dame ein allgemeiner?“

„Aus alter Rücksicht für Sie will ich das einmal zugeben.“

„Und ist eine Dame interessant?“

Sie blickte ihn erstaunt an und antwortete unter Kopfschütteln:

„Natürlich. Was kann interessanter sein als eine Dame? Etwa ein Herr?“

„Natürlich niemals!“

„Nun also! Wie weiter?“

„Sie schließen: Da eine Dame interessant ist, wird ein Duell auch interessant sein, wenn es wegen einer Dame vorgenommen wird.“

„Ja, das ist meine Meinung.“

„Ich möchte diesen Schluß einer kleinen Beschränkung unterwerfen?“

„Welcher?“

„Es gibt auch uninteressante Damen –“

„Ah, das ist mir völlig neu.“

„Ja. Ein Duell wegen einer solchen würde also nicht interessant sein.“

„Sie sind abermals ein Bär! Nennen Sie mir eine einzige uninteressante Dame, dann will ich glauben, daß es solche gibt.“

„Nun, würden Sie sich für eine Schlägerei wegen eines Apfelweibes interessieren?“

„Fi donc! Nein!“

„Wegen Ihrer Näherin?“

„Vielleicht.“

„Wegen Ihrer Zofe?“

„Schon mehr?“

„Wegen Ihrer Tante?“