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„Im Keller ist man noch nichts wahr geworden, wie es scheint“, sagte er. „Wollen sehen, ob wir den Schlüssel zu dieser Hoftür auch mithaben.“

Während er suchte und probierte und Sally ihm leuchtete, war es Belmonte, als ob die Komtesse sich bewegt hätte. Er näherte seinen Kopf dem ihrigen und sah, daß ihre Augen offen standen. Er hätte gern ein Wort zu ihr gesprochen, zog es aber doch vor, zu schweigen.

Da endlich gelang es Martin, zu öffnen. Ein Lufthauch kam ihnen entgegen und verlöschte die Lampe.

„Schadet nichts“, meinte Martin. „Werfen Sie den alten Gasometer weg, Sally. Ich gehe voran. Da vorn ist das Tor.“

Die anderen folgten ihm. Sie hatten aber kaum einige Schritte getan, so stieß Martin einen lauten Schrei aus. Man hörte einen Fall und dann ein tiefes, zorniges Knurren.

„Mein Gott! Der Hund!“

„Gibt es hier einen Hofhund?“

„Ja; ich habe gar nicht an ihn gedacht. Er ist eine fürchterliche Bestie.“

„Locken Sie ihn an sich! Er wird Sie doch kennen?“

„Er gehorcht mir so wenig wie jedem Fremden. Herr Jesus, er hat Monsieur Martin niedergerissen und gestellt.“

Es war so, wie sie sagte. Martin lag auf der Erde. Der Hund stand mit gefletschten Zähnen über ihm.

„Rühren Sie sich nicht!“ warnte Sally. „Er zerbeißt Ihnen sonst die Kehle!“

„Das ist schlimm!“ sagte Belmonte. „Wir können doch diese Kerle da drin im Keller nicht über uns kommen lassen.“

Er ließ seine süße Last langsam zur Erde gleiten und bückte sich selbst auch möglichst weit nieder, um bei der im Hof herrschenden Finsternis den Hund erkennen zu können.

„Sie wollen sich doch nicht etwa an den Hund wagen?“ fragte die Kellnerin.

Er antwortete nicht; aber einen Augenblick später hörte man ein böses Knirschen, ein Krachen wie von Knochen und ein fürchterliches Heulen, welches aber rasch in ein ersterbendes Röcheln überging.

„Jesus Maria!“ klagte Sally. „Jetzt bringt er beide um!“

„Nein“, ertönte die Stimme Martins, „sondern wir beide haben ihn umgebracht. Wo ist denn der Schlüssel? Ah, hier liegen sie. Nun aber rasch und hinaus!“

Belmonte nahm die Gräfin wieder vom Boden auf. Er konnte nicht sehen, ob sie die Augen noch offen habe. Er fühlte aber, daß sie vollständig bewegungslos war.

Da klirrten die Riegel, das Tor gab nach, es öffnete sich und nun war nichts, gar nichts mehr zu befürchten.

„Jetzt schnell zur nächsten Polizeistation, nachdem du wieder zugeschlossen hast!“ gebot Belmonte. „Erzähle, was geschehen ist, und laß alle, welche sich im Keller befinden, aufheben.“

„Wo treffe ich Sie dann?“ fragte Martin.

„Daheim.“

„Schön! Ich werde eilen! Na, so ein Wiedersehen beim Wein!“

Er sprang davon. Sein Herr schritt mit Sally und der Komtesse, letztere natürlich auf seinen Armen, langsam durch das enge Gäßchen hinauf, an dessen Mündung sich eine Fiakerstation befand. Hier stiegen sie in einen Wagen, um nach dem Hotel des Generals zu fahren. Er mochte die Gräfin nicht der Kellnerin anvertrauen; er legte sie vorsichtig neben sich in die Kissen und hielt ihre beiden Hände in den seinigen.

Nach einiger Zeit war es ihm, als ob er einen leisen, leisen Druck fühle. Er neigte sich ihr näher und fragte:

„Sind Sie wieder bei sich, Komtesse?“

„Ja“, hauchte sie.

„Haben Sie Schmerzen?“

„Nein. Ich bin nur matt, sehr, sehr matt!“

Sie ließ ihre Hände nicht aus den seinigen, als ob sie bei ihrer Mattigkeit auf diese Stütze nicht verzichten könne. Nach einiger Zeit hielt der Wagen vor dem Portal, und Belmonte sprang heraus.

„Bleiben Sie!“ flüsterte er hinein. „Ich muß seine Exzellenz erst vorbereiten.“

Der Portier erkannte ihn wieder.

„Abermals zum Herrn General?“ fragte er ihn.

„Ja. Der Herr Graf sind doch zu sprechen?“

Belmonte schritt die Treppe empor und trat in das Vorzimmer ein. Dort war niemand vorhanden; im nächsten auch nicht, und so klopfte er an die Tür, welche zum Kabinett des Generals führte. Ein lautes „Eintreten“ ließ sich hören. Als er diesem Gebot folgte, sah er den Kammerdiener neben dem General stehen, welcher am Tisch saß.

Der alte Herr erhob sich überrascht, als er ihn erkannte.

„Monsieur Belmonte!“ sagte er. „Sie wieder? Und zwar unangemeldet! Ah! Ich verstehe! Sie wollen sich die Hunderttausend nebst der übrigen Summe holen.“

„Sie irren von neuem. Ich will mir nichts holen, sondern ich bringe Ihnen etwas.“

„So erklären Sie, was – mein Gott, was ist das? Sie bluten ja ganz entsetzlich!“

Fast erschrocken blickte Belmonte an sich nieder, und nun erst bemerkte er, daß das Blut in schweren Tropfen aus seinem linken Ärmel zur Erde fiel. Er hatte bisher vor Aufregung nicht den mindesten Schmerz empfunden; aber in dem Augenblick, in welchem er das Blut sah, fühlte er, daß er verwundet sei.

„Entschuldigung, Exzellenz!“ sagte er. „Ich wußte nicht, daß ich blute; sonst wäre ich nicht hier eingedrungen. Der Hund wird mich in den Arm gebissen haben.“

„Welcher Hund?“

„Der mich verhindern wollte, Ihnen eine gute Nachricht zu bringen. Ich komme nämlich, Ihnen zu sagen, daß Sie die gnädige Komtesse vielleicht noch heute abend wiedersehen werden.“

„Wirklich? Wirklich? Wäre das möglich?“ rief der Graf freudig. „Sind ihre Peiniger geneigt, sie mir bereits heute zurückzugeben?“

„Ihre Peiniger? Ich glaube nicht – daß – daß diese – daß diese – ah, wie wird – wird –!“

Er konnte kein Wort mehr hervorbringen. Ein dicker Blutstrahl schoß ganz plötzlich aus seinem Ärmel hervor. Er griff mit der Rechten nach der Lehne eines nahen Stuhles und verlor, von dem schnell herzutretenden Diener gehalten, die Besinnung.

Nun war es ihm, als träume er, daß er verwundet wurde. Er hörte wie aus weiter Ferne laute Ausrufe und freudiges Schluchzen; dann verschwand diese Vision.

Als er erwachte, lag er in einem prachtvoll ausgestatteten Zimmer auf einem Ruhebett. Er war angekleidet und trug den Arm, welcher ihn sehr schmerzte, in der Binde. Einige Augenblicke später war er wieder eingeschlafen.

SECHSTES KAPITEL 

Auf Schleichwegen

Die Gäste des Vaters Main hatten keine Ahnung von dem gehabt, was unter ihnen im Flaschenkeller und sodann über ihnen vorgegangen war, bis endlich der Kellnerin Betty auffiel, daß Sally sich nicht sehen ließ und ebenso wenig der Student aus Tours. Auch wußte sie, daß ihr Herr in den Keller gegangen war, um Wein zu holen. Warum kam er nicht mit demselben? Befanden sich etwa alle drei da unten beim Wein?

Sie wurde von Minute zu Minute neugieriger und stieg endlich mit einem Licht die Kellertreppe hinab. Da hörte sie ein leises Stöhnen. Sie erschrak und eilte zurück zu den Gästen.

„Kommt schnell herab in den Keller; da ist etwas passiert!“

Bei dieser Botschaft hörte natürlich die Unterhaltung sofort auf. Es wurden Lichter angebrannt, und dann begab man sich hinab. Da lag der Wirt, halb besinnungslos, hielt die Hand an den hinteren Teil des Kopfes und wimmerte.

„Hier ist etwas geschehen“, sagte der Emissär. „Er hat einen Hieb erhalten. Schafft ihn herauf und reibt ihm die Stelle mit Branntwein ein! Wer mag das gewesen sein?“

„Sally fehlt“, meinte Betty.

„Sally? Die wird ihn doch nicht überfallen haben!“

„Auch der Student ist hinaus und noch nicht wieder zurück!“

„Wer weiß, wo er steckt! Er wird in die Sally verliebt sein. Diese beiden sind es nicht gewesen.“

„Was wird es sein“, meinte einer. „Vater Main ist ganz einfach die Treppe hinabgestürzt.“

„Die Treppe hinab so weit nach hinten? Das ist ganz und gar unmöglich!“