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„Krank.“

„Krank? Was fehlt ihm?“

„Ein Hund hat ihm den Arm zerbissen. Er hat viel Blut verloren, ohne es zu bemerken. Es muß ihm eine Ader, eine Arterie oder ein Ven – Ven –“

„Sie meinen, daß ihm eine Krampfader in die unrechte Kehle gekommen ist?“

„Ja, ja, so wird man es wohl nennen. Er ist droben bei uns umgefallen, und man hat nach dem Arzt gesandt, der soeben bei ihm ist.“

„Ist das Wahrheit oder auch so eine Krampfaderfistel?“

„Wahrheit.“

„So muß ich schleunigst hinauf.“

Er wollte fort; aber der Portier faßte ihn und hielt ihn zurück.

„Was wollen Sie oben? Sie gehören nicht hinauf!“ meinte er.

„O doch. Ich bin nämlich der verduftete Diener, ohne den so ein Rettungswerk gar nicht unternommen werden kann.“

Damit riß er sich los und eilte die Treppe empor. Er kam gerade zur rechten Zeit, beim Anlegen des Verbandes mitzuhelfen. Sodann wurde er zu dem General gerufen.

Diesem war es lieb, zu hören, daß der Diener Belmontes da sei. Von Martin konnte er Aufklärung über alles erhalten; besonders auch über Sally, welche mit der Komtesse gekommen war, ohne daß man ihren Anteil an der rettenden Tat genau kannte.

Martin erzählte alles, so daß der General nun ganz genau unterrichtet war; dann begab er sich zu seinem Herrn, den er im tiefen Schlaf fand.

Man bot ihm ein Zimmer an, er aber lehnte es ab. Er wußte seinen Herrn in guter Pflege und beschloß daher, nach Hause zu gehen und bei dieser Gelegenheit einmal bei seinem Schwälbchen vorüber zu gehen.

Er bemerkte von weitem, daß ihre Wohnung erleuchtet sei. Das Fenster stand offen; sie selbst aber war nicht zu sehen. Er machte einen Versuch und klatschte in die Hände. Richtig, er hatte sich nicht verrechnet. Das hübsche Köpfchen erschien oben im Rahmen des Fensters.

„Pst!“ machte er es hinauf.

„Bruder?“ fragte sie hinunter.

„Nein, Martin!“

„Ah! Ich komme.“

Es dauerte nicht lange, so wurde die Haustür geöffnet.

„Endlich! Endlich!“ flüsterte sie ihm entgegen.

„Hast du meine Karte gefunden?“

„Ja. Galt sie denn mir?“

„Freilich. Komm, sage mir guten Abend und laß dich küssen!“

Er wollte sie an sich ziehen, sie aber wehrte ab und sagte:

„Halt! Noch nicht! Erst muß ich wissen, warum du mir nicht Wort gehalten hast! Erst lädst du mich ein, und dann, wenn ich komme, bist du ausgeflogen.“

„Wie es die Schwalben zu machen pflegen.“

„Aber doch nicht ohne Grund!“

„Nein.“

„Welches war der deinige?“

„Die Liebste war uns abhanden gekommen.“

„Die Liebste? Uns? Wer ist denn da gemeint?“

„Wir, nämlich ich und mein Herr.“

„Ihr habt also eine Liebste miteinander?“

„Na, so wörtlich doch nicht; aber mein Herz ist sein Herz und mein Rock ist sein Rock; bei uns ist alles unser. Hast du denn nicht von der Komtesse de Latreau gelesen?“

„O doch! Ich bedaure sie sehr. Man sagt, daß sie ebenso schön wie reich, und ebenso reich wie gut sei.“

„Ja, gut scheint sie zu sein, sehr gut. Sie hat keinen einzigen Mucks getan, als mein Herr sie auf seine Arme nahm.“

„Dein Herr? Auf seine Arme?“

„Nun ja. Das mußte er doch tun, wenn wir sie retten wollten?“

„Ihr habt sie gerettet, ihr?“

„Freilich! Eben darum war ich nicht zu Hause.“

„Dann, o dann bist du entschuldigt. Aber erzähle schnell, wie es gekommen ist, daß gerade ihr sie gerettet habt.“

„Ich werde es dir erzählen, droben auf dem Sofa, weißt du, auf dem wir gestern saßen.“

„Wollen wir uns abermals in Gefahr begeben?“

„Ja. Wenn ich nur bei dir sein darf, so krieche ich ganz gern unter den Tisch.“

„So komm! Wollen es versuchen!“

Droben angekommen, blickte Martin zunächst in das Arbeitszimmer des Sekretärs.

„Hier herein verstecke ich mich nicht wieder“, meinte er. „Ah, dort liegt das Papier, welches er gestern mitbrachte.“

„Nein“, antwortete sie. „Das gestrige war das falsche; er hatte es bereits einmal ins Reine geschrieben. Heute früh merkte er es und hat sich dann am Mittag das Richtige mitgebracht.“

„Darf ich es mir einmal ansehen?“

„Warum nicht? Ganz gern.“

Das Heftchen war lange nicht so voluminös wie das gestrige. Er schlug es auf und las den Titeclass="underline"

‚Über die Anwendung der französischen Kriegsmarine bei dem Kampf gegen Preußen und Süddeutschland‘.

Er setzte sich mit dem Heft zu der Lampe und überflog den Inhalt. Sie verzog das Gesichtchen zu einem leichten Schmollen und sagte:

„Sprachst du nicht von einem Kuß? Und nun geht dieses Papier vor!“

„Nein, der Kuß geht vor; du gabst mir keinen. Sei mir nicht bös, liebes Kind. Ich finde hier gerade etwas, was für mich von großem Wert ist.“

Da schlang sie die Arme um ihn, legte ihr Köpfchen an die Schulter und fragte:

„Was dürfte für dich von größerem Wert sein als ich?“

„Nichts, gar nichts. Aber gewisse Werte gibt es doch immerhin auch außer dir.“

„Nun, was denn zum Beispiel?“

„Diese Ziffern hier, mein Kind.“

„Ziffern? O weh! Wie können so häßliche Dinge für dich so wertvoll sein!“

„Oh, für dich ebenso wie für mich.“

„Wieso?“

„Hätte ich diese Ziffern, so könntest du mein Weibchen noch viel früher werden als ohne sie.“

„Das begreife ich nicht.“

„Dann muß ich es dir erklären. Die Marineschiffe sollen nämlich nächstens verproviantiert werden. Zum Proviant und auch zu den Medikamenten nun gehört Wein. Unser Chef hat sich bei der ausgeschriebenen Konkurrenz mit gemeldet. Keinem der Konkurrenten ist es gesagt worden, um welche Vorräte, um welches Quantum es sich eigentlich handelt. Dürfte ich mir diese Ziffern abschreiben, so wüßten wir das Quantum, könnten eine billige und genaue Veranschlagung aufstellen und würden ganz gewiß die Lieferung bekommen.“

„Und das wäre auch ein Vorteil speziell für dich?“

„Natürlich. Der Chef kann diese Aufstellung nur durch meine Beihilfe machen. Eine Extragratifikation oder die Stipulation eines Prozentsatzes vom Gewinn würde mir sicher sein.“

„Das wäre schön, sehr schön!“

„Natürlich! Je eher die Schwalben ihr Baumaterial finden desto eher wird ihr Nestchen fertig.“

Sie nickte höchst einsichtsvoll mit dem Köpfchen, fragte aber doch:

„Ist es denn erlaubt, solche Sachen abzuschreiben?“

„Wem könne es etwas schaden?“

„Aber meinem Bruder dürfte ich es dennoch nicht sagen.“

„Warum?“

„Er hat mir streng, sehr streng befohlen, seine Skripturen keinem Menschen zu zeigen.“

„Das ist traurig!“

„Oh, mit dir werde ich doch eine Ausnahme machen, zumal da du so großen Vorteil davon hast. Willst du Papier haben?“

„Ja. Aber wenn er inzwischen kommt?“

„Ich riegle von innen zu. Bis ich ihm dann öffne, haben wir alles in Ordnung gebracht.“

„Gut, mein Herzchen! So werde ich sogleich beginnen. Ist man dann fertig, plaudert es sich desto besser.“ –

Am andern Morgen kam Martin nach dem Palais des Generals, um seinen Herrn einen anderen Anzug zu bringen. Bei dieser Gelegenheit legte er ihm die neugewonnene Abschrift vor. Belmonte warf einen Blick auf dieselbe. Sein Wangen röteten sich noch tiefer, als es gewöhnlich bei freudigen Anlässen bei ihm zu geschehen pflegte.

„Mensch, du bist mir ein Rätsel!“ rief er aus. „Woher hast du nun wieder dieses hochwichtige Stück?“

„Aus meiner Quelle, Monsieur Belmonte.“

„Aus der Quelle, welche Alice heißt?“

„Ja. Ihr Bruder hatte es da liegen.“