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„Wie könnte ich eine solche Güte von mir weisen! Ich bin entzückt, dadurch die Erfüllung meiner geschäftlichen Pflichten so bedeutend erleichtert zu sehen!“

In diesem Augenblick wurde das Gespräch unterbrochen. Ein Diener trat ein und überreichte dem Grafen eine Karte, auf welcher der Name ‚Mr. Nathanael Robinson, Reporter heißt?‘ zu lesen war.

„Ein englischer Reporter, welcher Nathanael Robinson heißt?“ fragte er verwundert. „Ich kenne ihn nicht. Was will er?“

„Ich versuchte, ihn abzuweisen“, erklärte der Diener; „er aber ging nicht von der Stelle. Er sagte, daß er augenblicklich, und zwar sehr Wichtiges mit Ihnen zu sprechen habe.“

„Wie ist seine äußere Erscheinung?“

Der Diener zuckte beide Achseln und antwortete:

„Er scheint durch und durch Engländer zu sein, gnädiger Herr.“

„Ah, das gibt einen kleinen Scherz. Er mag eintreten!“

Da erhob sich Belmonte, um zu gehen, aber der General hielt ihn mit den Worten zurück:

„Bitte, bleiben Sie! Ein englischer Reporter ist nicht der Mann, dem der Retter meiner Enkelin auszuweichen hätte.“

Da wurde die Tür geöffnet, und der Reporter trat ein. Er war lang und außerordentlich hager. Er trug, ganz entgegengesetzt dem englischen Carrée oder Lieblingsgrau, einen feinen schwarzen Salonanzug: Frack, Hose, weiße Weste und gelbe Krawatte; aber die Hosenbeine steckten in riesigen grauen Gamaschen; aus dem Frack hing links der Zipfel eines rotbaumwollenen Taschentuches, und rechts blickte unter dem Schößel eine lange Papierrolle hervor. Über dem Frack trug er an einem Riemen das Futteral irgendeines optischen Instrumentes, vielleicht Fernrohr, Feldstecher oder Opernglas. Der Hals konnte, obgleich lang und dünn, nicht gesehen werden, weil zwei geradezu kolossale Vatermörder ihn bedeckten. Ganz dieselbe Form wie diese Vatermörder hatte auch die Nase, welche wie ein schroffes, gefährliches Vorgebirge aus dem schmalen, scharfen Gesicht sprang. Zwei Bartkoteletten hingen beinahe bis auf die Brust herab, und auf dem jedenfalls ganz kahlen Kopf trug er einen hohen Zylinderhut, so weit nach hinten geschoben, daß man zu befürchten hatte, er werde im nächsten Augenblick herabstürzen. Der sonderbare Mann dachte gar nicht daran, diese balancierende Kopfbedeckung abzunehmen.

Als er jetzt eintrat, trug er in der linken Hand ein Notizbuch, in der rechten einen Bleistift und unter dem Arm eine sehr umfangreiche Maschinerie, welche zunächst das Aussehen eines Regenschirmes, aber auch noch andere Bedeutung zu besitzen schien.

„Good morning – guten Morgen!“ grüßte er mit schnarrender Stimme und in einem höchst vertraulichen Ton.

Es war, als ob er sich nicht bei einem General und Grafen, sondern bei unter ihm stehenden Leuten befinde. Dabei betrachtete er erst den Hausherrn, dann Belmonte und endlich auch die Komtesse in einer Weise, als ob er sich in einer Schaubude befinde, in welcher Menschenfresser zu sehen seien.

„Guten Morgen!“ antwortete der Graf, indem er sich Mühe gab, ein lautes Lachen zu unterdrücken. „Was wollen Sie?“

„Are you the General von Latreau?“

„Ja, der bin ich.“

„I am the Master Nathanael Robinson.“

„Schön! Was weiter, mein Verehrtester?“

„Reporter.“

„Welches Blatt?“

„Of the Lloyds Weekly London Newspaper.“

„Auf Lloyds Wochenzeitung in London? Viel Ehre, Master Robinson. Welche Absicht führt Sie zu mir?“

„I am willing to interview.“

„Ah, Sie wollen mich interviewen? In welcher Angelegenheit?“

„You have a daughter – Sie haben eine Tochter?“

„Ja.“

„Well! Darf ich sie einmal sehen?“

„Hier sitzt sie.“

Bei diesen Worten deutete der Graf auf seine Enkelin. Der Engländer öffnete langsam sein Lederfutteral. Jetzt sah man, daß es ein längeres Fernrohr und einen Feldstecher enthielt. Er nahm diesen letzteren hervor und führte ihn an die Augen, um Ella durch die Gläser zu betrachten.

„Yes!“ sagte er dann. „An immense beautiful and interesting girl – ja, ein ungeheuer schönes und interessantes Mädchen.“

Er nickte zufrieden vor sich hin, steckte den Feldstecher wieder in das Futteral und fragte dann den Grafen weiter:

„Sie ist geraubt worden?“

„Ja.“

„Des Lösegeldes wegen?“

„Ja.“

„Ein junger Mensch aber hat sie wieder befreit?“

„So ist es.“

„War es ein Liebhaber von ihr?“

Eine tiefe Glut bedeckte in diesem Augenblick das Gesicht des reizenden Mädchens. Sie warf ihrem Großvater einen Blick zu, welcher ihm deutlich sagte, daß sie es nicht verstehen können, warum der Engländer die Erlaubnis erhalten habe, hier in dieser Weise seine Erkundungen einzuziehen. Der General fühlte den Vorwurf heraus; aber er war Soldat und als solcher der Freund eines Scherzes, der sich allerdings innerhalb gewisser Grenzen zu halten hatte.

„Hier sitzt der Herr, welcher sie gerettet hat“, antwortete er, auf Belmonte zeigend.

Augenblicklich nahm der Engländer seinen Feldstecher wieder hervor, um sich den ihm Bezeichneten zu betrachten, und wendete sich dann direkt an diesen mit der Frage:

„Well! Was sind Sie?“

„Reporter“, antwortete Belmonte schnell gefaßt.

„Zounds – Donnerwetter. Für welches Blatt?“

„Für den ‚Djeridei Havadis‘.“

„Den kenne ich nicht.“

„In Konstantinopel.“

„Oh, ah! Wie heißen Sie?“

„Mulei-Ben-Hamsa-Spleen-John-Nathanael-Bull.“

Der Engländer horchte auf. Er fixierte den Sprecher scharf, um zu ergründen, ob derselbe ernst geantwortet habe. Dann fragte er:

„Sie werden von dem Raub auch in Ihrem Blatt berichten?“

„Natürlich.“

„Erzählen Sie mir alles. Ich werde schreiben.“

Er sah sich nach einem Stuhl um; da ihm aber keiner angeboten wurde und es ihm als Engländer gar nicht einfiel, einen Sitz zu benutzen, den man ihm nicht höflich angetragen hatte, so zog er die Maschinerie unter dem Arm hervor und sagte:

„This is my umbrella-, music- and smoking-chair!“

Also ein Regenschirm-, Musik- und Rauchstuhl war das Instrument. Er legte es auseinander. Es kamen drei Beine und ein Sitz zum Vorschein, über welchem sich der Schirm ausspannte. Der Stock dieses Schirms war hohl und diente als Pfeifenrohr, während unter dem Sitz sich der Kopf für den Tabak befand. Sobald der Engländer den Sitz berührte, ertönte neben diesem Kopf die englische Nationalhymne unter dem Sitz hervor. Es war da eine Spieldose angebracht.

Master Nathanael Robinson warf einen unendlich stolzen Blick auf die drei anwesenden Personen und bemerkte:

„So etwas ist nur in Old England zu bekommen! Also, ich werde jetzt schreiben. Erzählen Sie!“

Er saß so ungeniert auf seinem Feldstuhl, als ob er sich draußen unter freiem Himmel befinde, hielt Bleistift und Notizbuch in den Händen und wartete auf Belmontes Antwort, die ihm, seiner Ansicht nach, gar nicht vorenthalten werden konnte. Der Gefragte aber zuckte die Achsel und erklärte:

„Sie werden Ihre Erkundigungen wohl an einem anderen Ort einziehen müssen, Master Robinson!“

„An einem anderen Ort? Warum?“ fragte der Engländer, indem er ganz erstaunt aufblickte.

„Weil nicht anzunehmen ist, daß Seine Exzellenz, der Graf von Latreau, in seinem Salon ein Auskunftsbüro unterhält.“

„Wer sagt das! Ich komme nur, um zu interviewen!“

„Wenn alle Zeitungen ihre Reporter schicken wollten, nähme die lästige Störung gar kein Ende!“

„Aber ich komme ja gar nicht im Auftrag aller Zeitungen! Ich schreibe nur für ‚Lloyds Weekly London Newspaper‘!“

„Exzellenz verzichtet darauf, an Reporter Auskunft zu erteilen, und es kann da keine Ausnahme gemacht werden.“