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„Ist sie so schön wie Sie, Madame?“

Er ergriff, dabei das schöne Händchen und zog es an die Lippen. Sie ließ dies ruhig geschehen und antwortete:

„Viel, viel schöner als ich, Monsieur.“

„Das ist unmöglich.“

„Wie können Sie das wissen? Sie haben mich noch gar nicht gesehen!“

„O doch. Ich sehe dieses wunderbare, alabasterne Händchen; ich höre den Klang Ihrer Stimme; ich erkenne die Liebe atmenden Formen Ihrer reizenden Gestalt – Sie sind schön.“

„Aber dennoch muß ich zugeben, daß die Dame, welche mich sendet, noch schöner ist.“

„Dann ist sie nicht ein Engel allein, sondern ein Seraph. Über den Stand, welchem sie angehört, haben Sie wohl das tiefste Schweigen zu bewahren?“

„So ist es. Ich darf Ihnen nur verraten, daß die Liebe, welche Sie zu erwarten haben, an keinem niedrigen Ort für Sie blüht.“

Er schüttelte abermals nachdenklich den Kopf und sagte:

„Und dennoch widerstrebt es meinem Charakter und aller meiner Lebensanschauung. Man verkehrt nur mit Personen, welche einem offen gegenübertreten.“

„Selbst wenn diese Personen Damen sind?“

„Selbst dann.“

„Fürchten Sie sich etwa? Besorgen Sie irgendeine Hinterlist?“

Ihre Stimme hatte bei diesen Worten die allerdings kaum hörbare Spur eines maliziösen Klanges angenommen.

„Sie irren“, antwortete er ruhig. „Von Furcht ist keine Rede.“

„Und dennoch zögern Sie? Ja, man hat sich nach Ihnen erkundigt. Man hat in Erfahrung gebracht, daß Sie – Weinhändler sind. Das heißt doch, daß Sie Kaufmann sind – ein höchst prosaisches Gewerbe. Es ist da nicht zu verwundern, daß Sie rechnen und kalkulieren, während ein anderer sein Glück schnell ergreifen würde. Wären Sie Offizier, wozu Sie äußerlich das ganze Zeug zu haben scheinen, Sie würden eine schöne, reiche und vornehme Dame, welche Ihre Bekanntschaft machen will, nicht einen Augenblick warten lassen.“

„Sie irren abermals“, antwortete er achselzuckend. „Ich bin Offizier, trotzdem ich jetzt während meines zur Dispositionstehens die mir gehörige Zeit in prosaischer Weise, wie Sie sich auszudrücken belieben, zu verwerten suche.“

„Offizier“, fragte sie rasch. „Ein Weinhändler Offizier?“

„Ja, Madame. Sie denken nicht an den Umstand, daß in Frankreich jeder junge, zwanzigjährige Mann, wenn er gesund ist, in die Armee treten kann, und daß er dann die Offiziersepauletten und den Marschallstab in der Tasche trägt.“

„Ah, wo standen Sie?“

„In Marseille.“

„Bei welcher Truppengattung?“

„Bei der Kavallerie. Ich bin sogar als Lieutenant Mitglied des Conseil de guerre gewesen.“

„Und dennoch zögern Sie, galant gegen eine Dame zu sein?“

„Ich habe für jede Dame die möglichste Aufmerksamkeit; aber kennen und sehen muß ich sie.“ Und unter einem ausdrucksvollen Lächeln fügte er hinzu:

„Wie nun, wenn ich käme und fände sie nicht nach der Beschreibung, welche Sie mir von ihr gemacht haben!“

„Sie brauchen keine Sorge zu haben, Monsieur Belmonte. Ich garantiere Ihnen dafür, daß meine Schilderung zutreffend ist“, versicherte die Fremde.

„Und worin besteht diese Garantie, Madame?“

Ihr Händchen zuckte durch die Perlfransen ihres Kleides, und es währte eine Weile, ehe sie sich näher um die verlangte Garantie erkundigte.

„Wie denken Sie sich dieselbe?“

„Echt kaufmännisch. Was ich nicht finden würde, müßte ich mir von Ihnen fordern.“

„Gut. Darauf gehe ich ein. Hier ist meine Hand.“

Sie reichte ihm die Hand, welche er in der seinigen festhielt. Es war ihm, als ob er einen warmen Druck dieses Händchens verspürte.

„Also, Sie stellen sich mir zur Disposition?“ fragte sie dann.

„Ja. Befehlen Sie über mich. Aber die Zeit?“

„Heute abend neun Uhr.“

„Ich werde bereit sein.“

„Ich selbst werde Sie im Wagen abholen. Von einem gewissen Punkt an aber müssen Sie es sich gefallen lassen, daß ich Ihnen die Augen verbinde.“

„Ganz so, als wenn wir in der Zeit der Inquisition lebten; doch ich liebe die Romantik und gehe die Bedingung ein.“

Sie erhob sich, während er noch immer ihre Hand in der seinigen hielt. Sie machte auch jetzt noch nicht den Versuch, sie ihm zu entziehen. Er stand hart vor ihr und fragte:

„Und was Ihre eigene Person betrifft, Madame, muß auch diese in ein so strenges Dunkel gehüllt sein?“

„Ja, Monsieur. Sie dürfen nicht wissen, wer ich bin.“

„Ich will auch auf dieses eine verzichten, aber auf einem zweiten werde ich desto fester beharren.“

Er sah sie dabei mit einem eigentümlich forschenden Blick an, den sie mit der in halblautem verheißungsvollen Ton ausgesprochene Frage beantwortete:

„Nun, und was ist dieses zweite?“

„Darf ich nicht wissen, wer Sie sind, so will ich wenigstens Ihr Angesicht sehen und dabei erfahren, ob die Garantie, welche Sie mir geboten haben, eine süße und freiwillige ist.“

Er legte den linken Arm um ihre Taille und erhob dabei blitzschnell die rechte Hand, um ihren Schleier zurückzulegen.

„Monsieur, was tun Sie!“ ertönte es aus ihrem allerliebsten, schwellenden Mund.

„Ich bringe der Schönheit den Tribut, welchen ich ihr schuldig bin.“

Dabei drückte er sie an sich und legte seine Lippen auf die ihrigen.

„Nein, nein, das dürfen Sie ja nicht!“ wehrte sie sich.

„Wenn ich das nicht darf, dann glaube ich auch nicht an die Aufrichtigkeit Ihrer Garantie!“

„Sie ist aufrichtig“, beteuerte sie, indem sie sich noch immer bemühte, ihm ihren Mund zu entziehen.

„Nein, so lange Sie mir den Beweis verwehren, glaube ich nicht an die Aufrichtigkeit Ihres Versprechens.“

„Nun, was verlangen Sie denn von mir, Sie kühner, stürmischer Mann?“

„Einen Kuß, einen freiwilligen Kuß.“

Sie drohte ihm mit der Hand und sagte:

„Sie stellen Bedingungen, während Sie froh sein sollten, daß Ihnen von so exquisiter Seite ein Stündchen der Liebe und Erhörung geboten wird? Sie sind höchst anspruchsvoll!“

„Nun gut. Nennen wir es nicht eine Bedingung, welche ich stelle, sondern einen Tribut, welchen ich Ihnen bringe. Also bitte, meine Gnädige, einen Kuß!“

„Ich sehe, daß ich nachgeben muß. Hier, nehmen Sie sich ihn.“

Sie hielt ihm den Mund entgegen; er aber schüttelte den Kopf und antwortete:

„Nein, nicht so. Nicht nehmen, sondern empfangen will ich ihn.“

„Sie fordern fast zu viel. Aber es ist wahr, ich habe Ihnen Garantien versprochen, und nun muß ich Ihnen beweisen, daß ich wirklich gesonnen bin, sie Ihnen zu gewähren. Kommen Sie.“

Sie legte ihm die Arme um den Hals, zog ihn an sich und küßte ihn mit einer Innigkeit, welche man nur dem Geliebten, dem Bräutigam oder Mann gegenüber zu zeigen pflegt. Dann fragte sie:

„So. Sind Sie nun zufriedengestellt?“

„Vollständig. Ich danke Ihnen, Madame.“

„Sie werden also Wort halten und heute abend mitkommen?“

„Ja, gewiß.“

„So sehen wir uns also um neun Uhr wieder. Wird es nötig sein, daß ich Sie hier im Zimmer abhole?“

„Nein. Sobald ich den Wagen halten sehe, werde ich kommen und einsteigen.“

„Das ist mir angenehm. Also adieu, Monsieur.“

„Adieu.“

Sie reichte ihm die Hand, welche er an die Lippen führte. Dann legte sie den Schleier wieder vor das Gesicht und entfernte sich, von ihm bis an den Wagen begleitet. Er bemerkte, daß es nicht eine ihr gehörige, sondern jedenfalls nur eine gemietete Equipage sei. Sie war vorsichtig gewesen.

Als er nach oben zurückkehrte und in das Vorzimmer trat, ließ Martin ein halblautes, ironisches Husten hören.

„Hm! Bist du krank?“ fragte Arthur.