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„Sehr.“

„Was fehlt dir?“

„Ein Mittel gegen Husten – etwas Süßes ungefähr.“

„Lauf schnell in die Apotheke.“

„Daß ich dumm wäre! Die Süßigkeit, welche mich retten kann, ist dort nicht zu finden. Oder soll ich etwa von dem Provisor einen – hm – verlangen?“

„Was denn – hm?“

„Na, einen Kuß!“

„Kerl, ich glaube gar, du hast gehorcht.“

„Fällt mir gar nicht ein. Ich brauchte eine Feder. Das Kästchen steht drin im Zimmer. Als ich dort eintrat, hörte ich, was Sie für einen sonderbaren Appetit hatten. Ich an Ihrer Stelle hätte das der Dame etwas weniger laut gesagt!“

„Du bist ein großer Taugenichts. Doch weil es nicht mit Absicht geschehen ist, soll es dir vergeben sein. Hast du denn auch gehört, daß ich den Kuß wirklich erhalten habe?“

„Nein. Als ich hörte, wonach Sie sich so außerordentlich sehnten, wurde es mir so schlimm zumute, daß ich sofort ausgerissen bin. Ich hielt diese Dame für etwas Feines; nun aber sehe ich, daß ich mich geirrt habe. Wer dem ersten besten Weinagenten einen Kuß verabreicht – der – hm!“

„Und doch irrst du! Diese Dame ist – nun rate einmal?“

„Nun, was anders als eine Grisette oder Lorette oder, wenn es sehr hoch kommt, eine Friseuse?“

„Fehl geschossen! Diese Dame ist – eine Hofdame.“

Martin sprang von seinem Stuhl empor und rief:

„Eine Hofdame?“

„Ja.“

„Die sich ohne alle Vorbereitung und Einleitung küssen läßt?“

„Nun, einige Einleitung hat es doch gekostet.“

„Wenn zehnmal! Sie müssen sich irren. Kennen Sie sie?“

„Ja. Ich habe sie in der Hofloge des Opernhauses gesehen.“

„Donnerwetter, welch ein Glück! Ich kann diese Loge beliebäugeln so oft und so lange ich will, es kommt keine zu mir, um sich ihr Mäulchen an meinem Schnurrbart abzuwischen! Das muß doch eine ganz eigene Bewandtnis haben.“

„Allerdings. Es gibt ein Abenteuer, Martin, ein ganz ungewöhnliches Abenteuer. Und da du dabei eine kleine Rolle zu spielen haben wirst, so muß ich dir alles mitteilen.“

„Ein Abenteuer? Und ich eine Rolle dabei? Vielleicht soll ich auch einige Küsse erhalten? Ich brenne vor Neugierde.“

„Erhalten wirst du voraussichtlich nichts –“

„O weh!“

„Also diese Verschleierte kam zu mir, um mir mitzuteilen, daß eine andere Dame ein sehr großes Interesse an mir gewonnen habe.“

„Ein Interesse. Also verliebt. Hm! Ein Wunder ist das allerdings nicht, denn ein verdammt hübscher Kerl sind Sie; das ist wahr.“

„Hübscher als du?“

„Beinahe! Fragen Sie meine Schwalbe; die muß es wissen!“

„Werden sehen! Also diese Dame wünscht, mich heute abend bei sich zu haben, und ich soll punkt neun Uhr per Kutsche abgeholt werden.“

„Alle Teufel! Könnte nicht auch unsereinem einmal so ein marinierter Hering geboten werden!“

„Dein Hering ist deine Schwalbe! Ich soll nicht wissen, wer diese Dame ist – –“

„Jedenfalls auch eine Hofdame!“

„Voraussichtlich! Man will mir, damit sie inkognito bleiben kann, unterwegs die Augen verbinden.“

„Hm! Das gefällt mir nicht!“

„Mir auch nicht.“

„Wer weiß, was man beabsichtigt, mein bester Herr Belmonte. Man kann Sie in irgendeine gefährliche Lage locken wollen.“

„Das sage ich mir auch. Es ist sehr leicht möglich, daß man ahnt, wer oder was ich bin, und daß man mir eine Falle stellen will. Ich werde also vorsichtig sein und dich beauftragen, achtzugeben, daß sich diese Falle nicht hinter mir schließt.“

„Schön! Ich bin bereit. Was habe ich zu tun?“

„Du besorgst dir ein Pferd und bringst es hinunter in den Hof. Sobald ich eingestiegen bin und die Kutsche sich in Bewegung setzt, besteigst du den Gaul und reitest uns nach, um zu sehen, wo ich abgeladen werde. Das übrige ist dann deine Sache.“

„Schön! Ich werde eine volle Stunde warten. Sind Sie dann noch nicht zurück, so stürme ich die Festung, um Sie zu befreien.“

„Eine Stunde ist zu wenig.“

„Hm! Ja! Schäferstunden pflegen länger zu dauern als sechzig Minuten. Also wie lange denn?“

„Diese Frage ist schwierig zu beantworten.“

„Sehr wahr! Am besten wird es sein, Sie geben sich mit der Geschichte gar nicht ab. Wer sich in Gefahr begibt, der kommt darin um. Meinen Sie nicht?“

„Das habe ich mir natürlich bereits selbst gesagt. Eines Liebesabenteuers wegen würde ich ein solches Wagnis gar nicht unternehmen. Aber es ist leicht möglich, für unsere Aufgabe dabei etwas zu profitieren. Eine gewöhnliche Dame ist es auf keinen Fall, zu der man mich bringen will. Es ahnt mir, als ob dieses Abenteuer uns Vorteile bringen werde. Ich will es auf jeden Fall bestehen, lieber Martin.“

„Na, wie Sie wollen. Nehmen Sie wenigstens eine Waffe mit.“

„Ich werde einen Revolver und den Totschläger einstecken. Vielleicht ist es auch geraten, die Laterne mitzunehmen.“

„Tun Sie das. Es ist ja möglich, daß Sie mir mit derselben ein Zeichen geben können.“

„Richtig! Wir können das ja gleich bestimmen. Man wird mich in ein Zimmer bringen, welches jedenfalls ein Fenster hat. Ist es nicht erleuchtet, so gebe ich das Zeichen mit der Laterne, ist es aber erhellt, so gebe ich es mit der Lampe oder der Gasflamme.“

„Und worin soll es bestehen?“

„Ich lasse das Licht dreimal aufblitzen und wieder verschwinden. Das ist das Zeichen, daß du keine Sorge zu haben brauchst.“

„Gut. Wenn ich das Zeichen sehe, brenne ich mir eine Zigarre an. Das ist der Beweis, daß ich Sie richtig verstanden habe und nichts zu befürchten ist.“

„Gut.“

„Aber wenn Sie das Zeichen nicht geben?“

„So wartest du bis zum Morgengrauen und tust dann, was du für das Angemessenste hältst. Doch hoffe ich nicht, daß dieser Fall eintreten wird. Eine Hofdame erwartet ihren Seladon nicht an einem obskuren, gefährlichen Ort.“

„Das sollte ich allerdings denken!“ meinte Martin. Und unter einem verschlagenen Augenzwinkern fügte er hinzu: „Sobald ich bemerke, daß Sie sich in Gefahr befinden, werde ich schleunigst Sukkurs holen.“

„Du meinst, Polizei?“

„Nein; das fällt mir nicht ein!“

„Wen denn?“

„Eine gewisse Dame, welche Sie in der Hofoper kennengelernt haben.“

„Unsinn!“

„Natürlich. Sie muß doch erfahren, daß andere Damen ganz denselben Geschmack besitzen wie sie und daß Sie ein – hm! – ein Freund und Bewunderer von Hofdamen sind. Übrigens war es von Ihnen sehr klug, die Perücke abzunehmen, als wir bei Vater Main den Coup ausführten. Komtesse de Latreau hätte sonst leicht hinter das Geheimnis kommen können, daß Sie mehrere Rollen spielen. Sie fielen in Ohnmacht, und der Arzt, welcher gerufen wurde, hätte bemerken müssen, daß Haar und Bart falsch seien. Haben Sie jetzt noch etwas zu befehlen?“

„Nein. Bist du mit der Reinschrift zu Ende?“

„In einer Viertelstunde.“

„Dann werde ich auch mit meinen Briefen fertig sein. Horch! Man klingelt.“

Martin begab sich in den Vorsaal und kehrte mit einem Polizeisergeanten zurück, welcher bemerkte, daß er vom General Latreau komme, und sich erkundigte, ob hier der Monsieur Belmonte sei. Arthur bejahte diese letztere Frage.

„Sie sind der Herr, welcher die Komtesse befreit hat?“

„Ja.“

„So habe ich Ihnen diesen Zettel zu übergeben.“

Der Zettel enthielt eine Vorladung in das Stadthaus, wo Belmonte nebst Martin nach Verlauf von einer Stunde zu erscheinen hatten, um sich über ihr gestriges Erlebnis vernehmen zu lassen. Nachdem der Sergeant sich entfernt hatte, meinte Martin:

„Das ist unangenehm! Das hätte man uns ersparen sollen.“

„Warum?“