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„Sehr!“

„Wegen Ihrer selbst?“

„Oh, ganz gewaltig!“

„Ah“, lachte er; „damit sagen Sie nun selbst, was zu sagen Sie mir vorher so streng verboten haben.“

„Was?“

„Daß Sie die interessanteste Dame sind.“

Wieder gab sie ihm einen Schlag mit dem Fächer, diesmal aber einen derberen.

„Viel Ehre!“ meinte sie. „Apfelhändlerin, Näherin, Zofe, Tante, das ist die Gesellschaft, in welche Sie mich bringen. Sie sind zum dritten Mal ein Bär! Aber lassen Sie uns nicht scherzen. Sagen Sie mir lieber, ob Ihr Freund wirklich ein so guter Fechter und Schütze ist, wie er sagt.“

„Er ist der beste, den ich kenne.“

„So ist mein Cousin verloren, weil er nicht mit den Waffen umzugehen versteht.“

„Ich denke, er will meinen Freund in Grund und Boden schlagen“, meinte Kunz von Goldberg.

„Fällt ihm gar nicht ein.“

„Oder in Grund und Boden schießen.“

„Er lügt.“

„Ah, er sagte doch, daß er längere Zeit Fechtmeister gewesen sei.“

„Das war Aufschneiderei. Er tat es vor Angst. Er hat eine angeborene Aversion gegen alles, was Waffe heißt; daher ist er nicht Militär geworden.“

„Mein Freund wird dennoch auf Satisfaktion beharren.“

„Aber wenn der Graf nicht einwilligt, weil er nicht versteht, mit den Waffen umzugehen?“

„Dann darf er es auch nicht unternehmen, einen Ehrenmann in so schmachvoller Weise zu beleidigen. Übrigens ist es nicht gesagt, daß der Sieg nur dem gehört, welcher Herr seiner Waffe ist.“

„Ein anderer kann auch treffen?“

„Sehr gut sogar, wie es bereits vorgekommen ist.“

„Mein Gott, das wäre sehr schlimm, wenn Herr von Königsau verwundet würde“, meinte sie ängstlich.

Die Sorge, welcher sie jetzt Worte gab, war keine geheuchelte, sondern eine wirkliche; das sah man ihr an. Kunz bemerkte dies. Über seine Stirn zog sich ein kleines, dunkles Fältchen, und er fragte:

„Würde Ihnen dies so unangenehm sein?“

„Sehr, allerdings sehr.“

„Ah, so beneide ich ihn.“

Sie verstand ihn sofort.

„Warum beneiden Sie ihn, mein Herr?“

„Weil Sie für ihn fürchten. Wer weiß, ob Sie die geringste Sorge hätten, wenn ich vor einem Zweikampf stände.“

„Sorge?“ lachte sie. „Sorge? Ihretwegen, Monsieur? Oh, nicht die mindeste!“

Das Fältchen auf seiner Stirn wurde tiefer, ohne daß sie darauf zu achten schien. Er schwieg einen Augenblick, ehe er sich mit stockender Stimme erkundigte:

„Ist das wahr, mein Fräulein? Ganz gewiß? Wirklich gewiß?“

„Wirklich und ganz gewiß.“

„Leben Sie wohl.“

Er wollte sich rasch abwenden, doch gelang ihm dies nicht, denn noch rascher hatte sie ihn beim Ärmel erfaßt, so daß er bleiben mußte, wenn er die beiden anderen nicht aufmerksam machen wollte.

„Wohin, Herr von Goldberg?“ fragte sie.

„Von Ihnen fort“, antwortete er kurz.

„Warum?“

Er schwieg. Ihre Augen blickten noch immer neckisch auf ihn, als sie fragte:

„Wohl weil ich keine Sorge um Sie haben würde?“

Er antwortete auch jetzt nicht.

„Ja, Sie sind ein Bär, ein rechter, großer Bär! Sagen Sie mir doch einmal, was mich verpflichten soll, mich gerade um Sie zu sorgen.“

Er hob das Auge, in welchem ein eigentümliches Licht schimmerte, langsam zu ihr empor und antwortete:

„Sie haben recht, Komtesse! Was geht Sie der deutsche Tolpatsch an! Er bangt seit langer, langer Zeit nach einem freundlichen Wort, nach einem warmen Blick von ihnen. Mag er sich sehnen, mag er hoffen und harren; käme er einmal in Gefahr, Sie hätten nicht die geringste Sorge um ihn.“

Er hatte das in tiefer Erbitterung gesprochen, dennoch antwortete sie:

„Ja, das ist wirklich wahr.“

„Wie? Das wiederholen Sie?“

„Gewiß.“

„So lassen Sie mich doch auch gehen.“

„Aber warum doch nur?“ fragte sie, indem sie ihn abermals festhielt.

Da legte er seine Hand auf die ihrige und bat in tiefem Ernst:

„Hedwig, bitte, treiben Sie nicht ein frivoles Spiel mit mir. Sagen Sie mir einmal aufrichtig: Hassen Sie mich?“

„Hassen? O nein“, flüsterte sie.

„Aber gleichgültig bin ich Ihnen?“

„Auch das nicht. Ein Freund des Hauses kann doch nie gleichgültig sein.“

„Ich habe also für Sie nur das Interesse, welches ein solcher zu beanspruchen hat? Mehr nicht?“

Sie senkte das Köpfchen tief in ein aufgeschlagenes Notenbuch, antwortete aber nicht. Da ergriff er auch ihre andere Hand und flehte:

„Hedwig, bitte, nicht dieses tödliche Schweigen. Geben Sie eine Antwort.“

Da flüsterte sie:

„Ich soll noch größere Teilnahme für Sie hegen?“

„Oh, wie unendlich glücklich würde mich das machen.“

„Ah, womit hätten Sie sich denn diese Teilnahme verdient, mein Herr?“

Da ließ er ihre Hände los und seufzte:

„So können Sie fragen? Ja, ich will Ihnen antworten. Ich habe eine so große Teilnahme allerdings nicht verdient. Man kann alles Große tun, und doch wäre ein solcher Lohn noch zu hoch. Aber daß es Ihnen so gleichgültig sein würde, wenn ich in Todesgefahr käme, das tut weh.“

„Wer hat denn das gesagt?“ fragte sie rasch.

„Sagten Sie nicht, daß Sie sich ganz und gar nicht um mich sorgen würden?“

„Allerdings.“

„Nun, ist das nicht der größte Grad von Gleichgültigkeit?“

„Ganz und gar nicht.“

„So begreife ich Sie nicht.“

„Sie sind abermals und abermals ein Bär. Das begreifen Sie nicht? Wenn der Bär geht, um mit dem Wolf oder Fuchs zu kämpfen, wer wird da Sorge um ihn haben? Er muß und wird auf alle Fälle siegen.“

Er schüttelte den Kopf.

„Nie und nie werden Sie den Scherz lassen können“, klagte er. Da erweiterten sich ihre Augen; ihr Blick war groß und voll auf ihn gerichtet, und in tieferem Ton als gewöhnlich antwortete sie:

„Oh, mein Herr, ich kann auch ernsthaft sein.“

„Darf ich das glauben?“

Sie nickte ihm freundlich zu und sagte:

„Glauben Sie es. Ich kann sehr, sehr ernst sein, nämlich dann, wenn es wirklich gilt.“

„Wenn das so ist, so erfüllen Sie mir eine einzige Bitte.“

„Welche?“

„Seien Sie auch jetzt einmal ernst, Mademoiselle Hedwig.“

„Ist denn das so sehr notwendig?“

„Ja; ich versichere es Ihnen.“

„Nun gut, so will ich Ihnen diese Bitte erfüllen.“

„Warum sagten Sie vorhin, daß Sie um mich keine Sorge haben würden?“

Jetzt war sie es, welche ihr Händchen auf seinen Arm legte.

„Ich will ernst sein, sehr ernst“, sagte sie, „und dennoch muß ich Sie abermals einen Bären nennen. Überlegen Sie sich doch meine Worte! Sind Sie denn nicht ein klein wenig Logiker?“

Er schüttelte langsam und zweifelnd den Kopf, indem er antwortete:

„Ich wollte, ich könnte Sie verstehen und begreifen.“

„So bin ich wahrhaftig gezwungen, mich Ihnen verständlich zu machen. Wissen Sie, um wen man Sorge hat?“

„Nun?“

„Um Kinder –“

„Ah.“

„Ja, um Kinder, um unsichere und unzuverlässige Personen. Ich weiß nicht, ob ich recht habe und ob ich mich richtig ausgedrückt; aber um Personen, denen man ein volles Vertrauen schenkt, die man achtet oder hochachtet, kann man sich nicht sorgen.“

„Aber das Weib eines Kriegers, der im Feld ist?“

„Ist das Sorge, was sie fühlt? Ist es nicht vielmehr Angst?“

„Mag sein. Also Sie sorgen sich nicht um jemand, den Sie achten und dem Sie vertrauen?“

„Das habe ich gesagt.“

„Auch nicht um jemand, den Sie lieben?“