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„Das ist es!“ sagte er, indem sein Auge aufleuchtete.

„Dieses Kästchen wurde Ihnen gestohlen?“ fragte sie.

„Ja. Ich werde der Polizei Meldung machen.“

„Warum denn, Monsieur?“

„Damit ich es wieder bekomme.“

„Dazu ist ja gar keine Meldung nötig! Wenn es Ihnen gehört, so können Sie es ja behalten. Das ist keine Sünde und auch kein Verbrechen.“

Natürlich hatte er sich nur den Anschein gegeben, als ob er Anzeige machen wollte. Er nahm eine nachdenkliche Miene an und meinte flüsternd:

„Du hast eigentlich ganz recht. Melde ich es der Polizei, so wird das Kästchen konfisziert, obgleich es mein Eigentum ist, und ich kann monatelang warten, ehe ich es erhalte. Also du meinst, daß ich es mitnehmen soll?“

„Ja. Was ist drin?“

„Nichts gerade Wertvolles. Nur Scheine und Zeugnisse, welche ich vielleicht noch einmal brauchen werde. Die Diebe haben das Kästchen jedenfalls nur deshalb mitgenommen, weil die Elfenbeinarbeit daran eine wertvolle ist. Stecken wir die Steine wieder an ihren Platz!“

Er verschloß das Versteck wieder, wie es erst gewesen war, und nahm das kleine Kästchen an sich. Dann stiegen sie wieder hinab, wobei er die Falltür über sich niederließ. Unten im Gewölbe angekommen, sagte das Mädchen:

„Nun sind Sie also vollständig zufriedengestellt, Monsieur?“

„Ja.“

„Das ist uns leichter geworden, als ich es dachte. Ich werde darum die Belohnung, welche Sie mir versprochen haben, wohl gar nicht annehmen können.“

„Du wirst sie erhalten und annehmen, denn du hast sie verdient. Komm, laß uns zurückkehren.“

Sie gelangten auf demselben Weg, den sie gekommen waren, und in ganz derselben Weise in die Lumpenniederlage Lemartels zurück. Dorf öffnete er sein Pult und zahlte ihr die Summe aus. Sie konnte es nicht fassen, plötzlich so reich geworden zu sein, und zog im Übermaße ihres Glücks seine Hand an ihre Lippen. Dann entfernte sie sich.

Kaum war sie fort, so trat er den Gang zum zweiten Mal an. Während er die Katakomben durchschritt, murmelte er vor sich hin:

„Soll ich etwa den Schatz liegen lassen, den dieser Spitzbube da aufgespeichert hat! Ich würde der größte Tor der Erde sein. Habe ich mir kein Gewissen daraus gemacht, damals die Familie Königsau nebst Graf Rallion und den Kapitän um ihr Geld zu betrügen, so brauche ich jetzt erst recht keine Bedenken zu hegen!“

Unter der Falltür angekommen, lauschte er. Er bemerkte, daß jemand im Keller sei. Es wurde geklopft und gehämmert.

„Donnerwetter!“ dachte er. „Sollte man ahnen, daß der Alte hier ein heimliches Versteck hat, und nach demselben suchen? Das wäre fatal! Ich muß warten.“

Er wartete lange Zeit, aber die Bewegung, welche im Keller herrschte, wollte nicht aufhören. Darum kehrte er endlich zurück und beschloß, den Weg am Tag nochmals zu unternehmen.

Er kam erst gegen Mittag zur Ausführung dieses Vorhabens. Jetzt fand er den Keller des Wirtes leer. Er blickte sich um, konnte aber nichts bemerken, was ihm hätte als Fingerzeig dienen können, warum man in der Nacht hier so geklopft und gehämmert habe. Das Geräusch hatte wohl im vorderen Keller stattgefunden. Er zog die Steine heraus und fand den Schatz noch vor.

Er raffte alles in ein Tuch zusammen, welches er mitgebracht hatte, brachte die Steine wieder in ihre Lage und zog sich dann zurück, um eine Summe bereichert, deren Höhe er jetzt noch gar nicht zu bestimmen vermochte.

Er hielt sich gar nicht in seiner Niederlage auf, sondern begab sich nach dem Palais, um den Raub dort in sicheren Gewahrsam zu bringen. Wer ihn jetzt hätte durch den Garten schreiten sehen, dem wäre es ganz gewiß nicht eingefallen, ihn für den Besitzer dieses Palastes zu halten. Er war nicht anders gekleidet als einer seiner Arbeiter.

Nachdem er das gestohlene Gut versteckt hatte, begab er sich zu den beiden Männern, welche glaubten, sich in einem sicheren Asyl bei ihm zu befinden.

„Endlich!“ sagte Vater Main, als er bei ihnen eintrat. „Die Zeit wird einem in dieser Einsamkeit verteufelt lang. Gibt es nichts Neues? Was erfährt man über unsere Affäre?“

„Sehr viel und sehr wenig“, antwortete Lemartel. „Ich bringe euch eine Botschaft, welche für euch von größter Wichtigkeit ist.“

„Erfreulich?“

„Nein. Wenigstens glaube ich, daß sie euch nicht sehr angenehm sein wird.“

Aus dem Umstand, daß er euch anstatt Ihnen sagte, hätten sie sehr leicht auf die Änderung seiner Gesinnung schließen können.

Sie beachteten das nicht. Der Bajazzo fragte:

„Was ist's? Heraus mit der Sprache.“

„Hier nicht. Ich muß euch erst an einen anderen Ort bringen. Kommt und folgt mir!“

„Wohin?“

„Das werdet Ihr sehen!“

Er öffnete die Tür und stieg ihnen voran die Treppe hinab. Sie sahen sich gezwungen, ihm zu folgen, wunderten sich aber nicht wenig, als sie bemerkten, daß er sie durch den Garten nach der Lumpenniederlage hinüberführte. Jenseits der Mauer angekommen, ließ er sie warten.

Zur jetzigen Tageszeit war das Geschäft geschlossen. Er überzeugte sich dennoch, ob jemand anwesend sei, und fühlte sich erst dann sicher, als er annehmen konnte, daß er völlig unbeobachtet sei. Nun brachte er die beiden nach der Niederlage. Dieses Verhalten fiel doch den beiden auf.

„Ist das etwa der Ort, an den Sie uns bringen wollten?“ fragte Vater Main.

„Ja, er ist es.“

„Alle Teufel! Und hier, gerade hier allein können Sie mit uns reden?“

„Nur hier. Hier ist der einzige Ort für das, was ich euch mitzuteilen habe.“

„So bin ich wirklich neugierig, es zu hören.“

„Ihr sollt es sofort erfahren, ich habe nämlich vernommen, daß man euch an allen Ecken und Enden sucht. Findet man euch, so seid Ihr verloren.“

„Das wissen wir, ohne daß man es uns zu sagen braucht!“

„Verloren ist aber auch derjenige, bei dem man euch findet, und darum muß ich euch bitten, euch ein anderes Asyl zu suchen!“

Sie blickten ihn erstaunt und wortlos an. Vater Main fand die Sprache zuerst wieder. Er fragte:

„Monsieur Lemartel, belieben Sie etwas zu scherzen?“

„Nein, ich spreche im Ernst.“

„Alle Teufel! Das kann ich kaum glauben. Gerade dadurch, daß Sie uns die Tür zeigen, würden Sie das Verderben über sich heraufbeschwören.“

„Das klingt sehr unglaublich. Ich kann euch nicht gebrauchen!“

„Aber wir Sie! Ich sage Ihnen, wenn Sie uns wirklich die Tür zeigen, so befindet sich das bewußte Kästchen innerhalb einer Stunde in den Händen der Polizei.“

„Daran glaube ich nicht. Wie wollen Sie in Ihr Haus zurück, um es zu holen? Sie würden der Polizei in die Hände geraten!“

„Ich habe Ihnen ja bereits mitgeteilt, daß ich es an einem anderen Ort deponiert habe.“

„Das ist eine Lüge, das Kästchen befindet sich in Ihrem Keller.“

Der Wirt riß die Augen auf. Er starrte den Sprecher erschrocken an, faßte sich aber rasch wieder und sagte:

„Unsinn! Sie haben kein Geschick, auf den Strauch zu schlagen.“

„Das beabsichtige ich gar nicht. Ich bin meiner Sache so sicher, daß ich Ihnen sogar sagen kann, daß das Kästchen sich in der hinteren Abteilung Ihres Kellers befindet.“

„Vermutung! Nichts weiter!“

„Hinter den drei Steinen, welche locker sind.“

Da fuhr der Wirt zurück, als ob er vor einem Abgrund stehe. Er stieß einen Ruf des Schreckens aus und fragte:

„Hölle und Teufel! Was wissen Sie von drei Steinen? Was bringt Sie zu dieser unbegreiflichen Vermutung?“

„Es hat mir geträumt, das ist die einzige Erklärung, welche ich zu geben vermag. Wollt Ihr das Kästchen der Polizei übergeben, so habe ich ganz und gar nichts dagegen. Die Lust aber, mich wegen Euch in Gefahr zu begeben, ist mir vergangen.“