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„Mit dem Reporter? Wieso?“

„Nun, haben Sie sich nicht ihm gegenüber für einen türkischen Berichterstatter ausgegeben?“

„Ja. Kennst du ihn denn?“

„Ich traf ihn bei Vater Main. Er wollte das Abenteuer erzählt haben, und ich sagte ihm da, daß ich ein Reporter aus Brasilien sei. Das ist der eine Schneidergeselle, welcher stirbt. Vorhin nun, als mir meine Schwalbe klagte, daß sie ganz einsam und verlassen sein werde, dachte ich an die Komtesse. Sie hat uns immerhin einiges zu verdanken. Sie könnte sich uns zuliebe meiner kleinen Verlassenen ein wenig annehmen. So kalkulierte ich. Und jetzt bringen Sie ganz denselben Gedanken. Das ist der zweite Schneidergeselle, welcher sterben muß.“

„Hm! Ja! Ich glaube, daß sich bei der Komtesse nicht schwer ein Plätzchen für Alice finden ließe.“

„Aber wer soll es ihr vorstellen? Ich etwa?“

„Nein, ich. Überlaß mir das. Ich werde morgen beim General erwartet und werde da Gelegenheit nehmen, eine Bemerkung zu machen, lieber Martin.“

„Aber eine kräftige, wenn ich bitten darf.“

„Das versteht sich.“

„Das könnte eine ganz allerliebste Kommandit- oder vielleicht Rekommanditgesellschaft werden.“

„Wieso?“

„Nun, wir zwei und diese zwei. Ich rekommandiere Ihnen die Komtesse. Auf diese Weise kann es am Schluß des Krieges eine Doppelhochzeit geben, an welcher die Engel im Himmel ihre Freude haben, wir beide aber noch mehr.“

„Hm! So übel wäre das nun gerade nicht. Aber spielen wir jetzt nicht mit Seifenblasen, sondern denken wir an die Gegenwart. Hast du dich nach einem Pferd umgesehen?“

„Wegen heute abend? Dazu ist noch Zeit genug. Mich verlangt zu wissen, wie diese Geschichte enden wird. Gott gibt dem Unverständigen Verstand und dem Verständigen Unverstand!“ –

Abends, kurz vor neun Uhr, ritt Martin ein Pferd in den Hof, und Belmonte stand am Fenster seines Zimmers, um die Equipage nicht auf sich warten zu lassen. Er hatte wirklich den Revolver, den Totschläger und sein Laternchen zu sich gesteckt.

Pünktlich zur angegebenen Stunde kam der Wagen herangerollt und hielt vor der Tür. Belmonte eilte hinab und stieg ein. Kaum hatten sich die Pferde in Bewegung gesetzt, so kam Martin aus dem Tor geritten, um der Equipage zu folgen.

Als Belmonte den Schlag geöffnet hatte, um einzusteigen, war ihm die bekannte Stimme der verschleierten Dame entgegengeklungen:

„Ah, Monsieur, das sind Sie! Guten Abend!“

„Guten Abend, Madame“, antwortete er. „Befehlen Sie?“

„Ich befehle nicht, sondern ich bitte, einzusteigen!“

Sie saß im Fond des Wagens. Er wollte auf dem Rücksitz Platz nehmen; da aber meinte sie:

„Nein, nicht so. Setzen Sie sich an meine Seite!“

Er gehorchte. Sie hätte sich noch etwas mehr nach der Ecke zurückziehen können; aber sie tat es nicht. Infolgedessen saß er so eng an ihr, daß er ihren Atem, über seine Wange streichen fühlte. Der Wagen hatte sich natürlich in Bewegung gesetzt. Er schaukelte in den Federn, so daß die beiden von Augenblick zu Augenblick leise aneinanderstießen. Sie schien dies mit großem Behagen zu empfinden, da sie diese Berührung länger auskostete, als es unbedingt nötig war.

„Ihre Gedanken werden heute mit wißbegierigen Fragen beschäftigt gewesen sein?“ begann sie nach einer kurzen Weile.

„Allerdings, Madame“, antwortete er.

„Sie werden zu erraten gesucht haben, wohin ich Sie bringen werde?“

„Ich kann es nicht in Abrede stellen.“

„Da muß ich Sie sehr ersuchen, so diskret wie möglich zu sein. Es liegt ja nicht im Bereich der Unmöglichkeit, daß Ihnen irgendein kleiner, von uns unbeachteter Umstand ahnen läßt, bei wem Sie sich befinden. In diesem Fall rechnet man auf die strengste Verschwiegenheit!“

„Ich bin nicht sehr plauderhaft!“

„Ich hoffe es. Jetzt aber muß ich Sie ersuchen, sich gefälligst die Augen verbinden zu lassen.“

Sie zog ihr Taschentuch hervor.

„Kann mir das nicht erlassen werde, Madame?“ fragte er.

„Auf keinen Fall.“

„Und wenn ich mich weigere?“

„So sehe ich mich leider gezwungen, Sie aussteigen zu lassen. Doch hoffe ich, daß Sie nicht gegen unsere heutige Vereinbarung handeln werden.“

„Gut; ich werde mich fügen. Also bitte!“

Er hielt ihr das Gesicht entgegen, und sie band ihm das Tuch so um die Augen, daß er gar nichts zu sehen vermochte. Und dann, ha, da fühlte er ihre Hände an seinen Schultern; sie zog ihn näher und küßte ihn auf den Mund.

„So“, sagte sie. „Das soll die einstweilige Belohnung Ihrer Folgsamkeit sein. Ich verlange aber, daß Sie das Tuch nicht eigenmächtig entfernen!“

„Ich werde gehorsam sein.“

„Geben Sie mir Ihr Wort.“

„Sie haben es, Madame.“

Jetzt war der Wortaustausch zu Ende. Die Fahrt wurde noch eine kurze Weile fortgesetzt; dann hielt der Wagen.

„Ich steige zuerst aus“, sagte sie. „Sie geben mir Ihre Hand; ich werde Sie führen.“

Der Schlag wurde geöffnet, und sie stieg aus. Er folgte ihr, von ihrer Hand geleitet. Er hörte, daß eine Tür geöffnet wurde. Die Schritte erklangen, als ob man auf Steinfließen gehe. Dann kam eine Treppe. Als diese erstiegen war, blieb sie stehen.

„So, jetzt werde ich das Tuch entfernen“, sagte sie, „und sprechen Sie von jetzt an nur leise.“

Das Tuch wurde entfernt, und er sah nun, daß er sich auf einem schmalen Korridor befand, welcher mit weichen Teppichen belegt war, so daß man die Schritte kaum mehr zu vernehmen vermochte. Ein einziges Licht brannte in einer grünen Glaskugel, so daß der Schein gedämpft wurde. Rechts und links gab es mehrere Türen. Die Dame, welche noch immer verschleiert ging, öffnete eine derselben und verschloß sie, nachdem sie miteinander eingetreten waren, von innen. Sie führte ihn durch einige sehr reich ausgestattete Zimmer in ein Kabinett, welches jedenfalls das Boudoir einer vornehmen Dame sein mußte. Die Vorhänge und Portieren waren von schwerer Seide, ebenso die Überzüge der Möbel. Einige kostbare, doch üppige Gemälde schmückten die Wände, und überall waren Nippes zerstreut, welche einen nicht gewöhnlichen Wert besaßen. Die Dame deutete auf ein Fauteuil und sagte:

„Nehmen Sie Platz! Ich werde gehen, Sie anzumelden.“

Sie verschwand durch eine entgegengesetzte Tür. Er warf einen forschenden Blick über seine Umgebung.

„Hm!“ flüsterte er. „Eine mehr als fürstliche Einrichtung! Jedenfalls befinde ich mich bei dem jungen Weibchen eines alten Millionärs oder Aristokraten. Nun, man muß es abwarten!“

Er nahm in dem weichen Polster Platz und atmete den süßen Duft ein, welcher das reizende Gemach erfüllte.

„Was ist das für ein Parfüm?“ fragte er sich. „Das ist nicht Eau de milles fleurs, auch nicht cœur de Rose, oder sonst etwas mir bekanntes. Pikant, außerordentlich pikant!“

Da kehrte die Dame zurück. Sie sagte:

„Monsieur, Sie werden einige Zeit Geduld haben müssen. Man hat ganz unerwarteten Besuch empfangen.“

„Aber Sie werden mich nicht verlassen?“ fragte er.

„Meine Gegenwart ist allerdings noch anderwärts nötig. Hier liegen Journale, welche Ihnen Unterhaltung bieten werden, bis man kommt. Ich ziehe mich zurück, und bitte Sie, hinter mir den Innenriegel vorzuschieben, damit nicht etwa zufälligerweise ein Unberufener Zutritt nimmt. Kehre ich zurück, so werde ich leise klopfen, erst ein-, dann zwei- und dann dreimal. Das ist das Zeichen, daß ich es bin.“

„Ich werde gehorchen, Madame! Aber, kann man mich nicht durch die andere Tür überraschen?“

„Nein. Da kann nur die Dame eintreten, welche Sie erwartet. Ich hoffe, daß Sie hierbleiben und nicht etwa aus Neugierde vorwärts dringen.“

Sie drohte ihm mit dem Finger, und verließ dann das Kabinett durch die Tür, durch welche sie eingetreten waren. Er schob den Riegel vor, setzte sich wieder nieder, und langte nach den Journalen, welche auf dem Tisch lagen.