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Arak behielt recht. Die Spiele waren einige Monate verboten, als die Kleriker zu bemerken begannen, daß ihre friedliche Stadt gar nicht mehr so friedlich war. In den Tavernen brachen in beunruhigender Häufigkeit Kämpfe aus, in den Straßen kam es zu Schlägereien und einmal sogar zu einem großen Aufruhr. Es gab Gerüchte, daß die Spiele in Höhlen außerhalb der Stadt abgehalten würden. Die Entdeckung mehrerer mißhandelter und verstümmelter Körper schien diese Gerüchte zu bestätigen. Schließlich schickte eine Gruppe menschlicher und elfischer Herren eine Delegation zum Königspriester mit der Bitte, die Spiele wieder stattfinden zu lassen.

Zuerst wollte der Königspriester nichts davon hören. Er hatte schon immer die brutalen Wettkämpfe verabscheut. Das Leben war ein heiliges Geschenk der Götter, nicht etwas, das genommen werden durfte.

»Und dann kam ich, der ihnen die Antwort gab«, erzählte Arak selbstgefällig. »Zuerst wollten sie mich nicht in ihren feinen Tempel einlassen.« Er grinste. »Aber niemand kann Raag aufhalten, wenn er es sich in den Kopf gesetzt hat, irgendwohin zu gehen. Ihnen blieb also keine andere Wahl. ›Fangt wieder mit den Spielen an‹, sagte ich ihnen, und sie sahen mit ihren langen Nasen auf mich herab. ›Aber es braucht kein Töten zu geben‹, sagte ich. ›Kein richtiges Töten, genau gesagt. Jetzt hört mir mal zu. Ihr habt doch die Straßenkomödianten gesehen, die Huma spielen, oder nicht? Ihr habt gesehen, wie der Ritter auf den Boden fällt, blutend und stöhnend. Doch fünf Minuten später ist er wieder auf den Beinen und trinkt in einer Taverne Bier. Komm her, Raag.‹ Raag kam zu mir, ein breites Grinsen in seinem häßlichen gelben Gesicht. ›Gib mir dein Schwert, Raag‹, befahl ich. Bevor sie ein Wort sagen konnten, stieß ich das Schwert in Raags Bauch. Du hättest ihn sehen sollen. Überall Blut! Lief über meine Hände, spritzte aus seinem Mund. Er schrie laut auf und fiel zu Boden, zuckte und stöhnte. Du hättest sie kreischen hören sollen«, erzählte der Zwerg ausgelassen. »Ich dachte, wir müßten die Elfenherren vom Boden aufheben. Bevor sie die Wachen rufen konnten, ging ich zu Raag. ›Du kannst jetzt aufstehen, Raag‹, sagte ich. Und er setzte sich auf und grinste sie breit an. Nun, sie fingen alle gleichzeitig zu reden an.« Der Zwerg ahmte die hohen Elfenstimmen nach, »bemerkenswert! Wie habt ihr das gemacht?‹«

»Ja, wie habt ihr das wirklich gemacht?« fragte Tolpan begierig.

Arak zuckte die Schultern. »Du wirst es schon lernen. Eine Menge Hühnerblut, ein Schwert mit einer Klinge, die sich im Griff zusammenklappen läßt – es ist ganz einfach. Das habe ich ihnen gesagt. Außerdem ist es einfach, Gladiatoren beizubringen, so zu tun, als ob sie verletzt seien, sogar einem Dummkopf wie dem alten Raag.«

Tolpan warf dem Oger einen beunruhigten Blick zu, aber Raag grinste den Zwerg nur liebevoll an. »Die meisten hatten sowieso ihre Kämpfe übertrieben, damit es für die Zuschauer besser aussieht. Nun, der Königspriester war davon begeistert und« – der Zwerg richtete sich stolz auf – »machte mich sogar zum Meister der Spiele.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Caramon langsam. »Du meinst, die Leute zahlen, um hereingelegt zu werden? Sie müssen doch dahintergekommen sein...«

»Ja sicher«, höhnte Arak. »Wir haben daraus niemals ein großes Geheimnis gemacht. Und jetzt ist es der beliebteste Zeitvertreib auf Krynn. Die Leute reisen Hunderte von Meilen, um die Spiele zu sehen. Die Elfenherren kommen – und manchmal sogar der Königspriester. Nun, wir sind da«, sagte er, blieb vor einem riesigen Stadion stehen und sah stolzerfüllt hoch.

Es war aus Stein und uralt, aber zu welchem Zweck es ursprünglich errichtet worden war, wußte niemand mehr. An Spieltagen flatterten leuchtende Flaggen von den Spitzen der Steintürme, und es wimmelte von Zuschauern. Aber heute fanden keine Spiele statt, noch würden welche bis zum Ende des Sommers stattfinden.

»Du meinst, niemand wird getötet?« sagte Caramon.

Tolpan fiel auf, daß der Zwerg Caramon merkwürdig ansah. Araks Gesichtsausdruck war plötzlich grausam und berechnend, seine dunklen buschigen Augenbrauen legten sich über seinen kleinen Augen in Falten. Caramon bemerkte es nicht.

»Niemand«, sagte der Zwerg grinsend und schlug auf Caramons breiten Arm. »Niemand...«

6

Der Oger führte Caramon und Tolpan in einen großen Raum. Caramon hatte den fiebrigen Eindruck, daß er mit Leuten gefüllt war.

»Er neuer Mann«, grunzte Raag und stieß einen gelben, schmutzigen Finger in Caramons Richtung, als der große Mann neben ihm stand. Das war Caramons Einführung in die »Schule«. Er errötete, sich des Eisenbandes um seinen Hals unangenehm bewußt, das ihn als das Eigentum eines anderen brandmarkte, und hielt die Augen auf den strohbedeckten Holzboden gerichtet. Als er nur ein Murmeln auf Raags Vorstellung hörte, sah er auf. Jetzt erkannte er, daß er sich in einem Speisesaal befand. Zwanzig oder dreißig Männer der verschiedensten Rassen und Nationalitäten saßen in kleinen Gruppen zusammen und aßen zu Abend.

Einige Männer sahen Caramon interessiert an, doch die meisten beachteten ihn überhaupt nicht. Einige wenige nickten, die Mehrheit aß weiter. Caramon war sich nicht sicher, was er tun sollte, aber Raag löste das Problem. Er legte eine Hand auf Caramons Schulter und schob ihn grob zu einem Tisch. Caramon stolperte und stürzte fast, schaffte es jedoch, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, bevor er gegen den Tisch knallte. Er wirbelte herum und funkelte den Oger wütend an. Raag stand da und grinste ihn an, seine Hände zuckten.

Ich werde provoziert, erkannte Caramon, der diesen Blick schon viele Male in Kneipen gesehen hatte, wo immer jemand versuchte, den großen Mann zu einem Kampf anzustacheln. Und diesen Kampf würde er nicht gewinnen können. Obwohl Caramon fast zwei Meter groß war, erreichte er nicht einmal die Schulter des Ogers, und Raags Riesenhand konnte sich zweimal um Caramons dicken Hals legen. Caramon schluckte, rieb sein verletztes Bein und setzte sich auf die lange Holzbank.

Mit einem Schulterzucken und einem Gemurmel der Enttäuschung wandten sich die Männer wieder ihrem Essen zu. Von einem Tisch in einer Ecke, an dem eine Gruppe Minotaurier saß, kam Gelächter. Raag grinste sie an und verließ den Raum.

Caramon, der vor Unsicherheit errötete, duckte sich auf der Bank und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Jemand saß ihm gegenüber, aber der große Krieger brachte es nicht über sich, dem Blick des Mannes zu begegnen.

Tolpan hatte jedoch keine derartigen Hemmungen. Er kletterte neben Caramon auf die Bank und musterte ihren Nachbarn mit Interesse. »Ich bin Tolpan Barfuß«, sagte er und streckte seine kleine Hand dem großen schwarzhäutigen Mann entgegen, der ebenfalls ein Eisenband trug und ihnen gegenübersaß. »Ich bin auch neu«, fügte er hinzu.

Der schwarze Mann sah von seinem Essen auf, blickte Tolpan an, übersah dessen Hand und wandte seinen Blick dann Caramon zu. »Ihr beide seid Partner?«

»Ja«, antwortete Caramon. Plötzlich wurde er sich des Essensgeruchs bewußt und schnupperte hungrig; das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er sah auf den Teller des Mannes, der mit Rehfleisch, Kartoffeln und Brotscheiben beladen war, und seufzte. »Sieht jedenfalls so aus, als ob sie uns gut ernähren.«

Caramon bemerkte, wie der schwarzhäutige Mann auf seinen dicken Bauch sah und dann amüsierte Blicke mit einer hochgewachsenen, außergewöhnlich schönen Frau austauschte, die neben ihm saß und deren Teller gleichfalls vollbeladen war.

Als Caramon sie anblickte, weiteten sich seine Augen. Unbeholfen versuchte er, sich zu erheben und zu verbeugen. »Euer Diener, meine Dame...«, begann er.