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»Ich verstehe die Sprache der Magie nicht«, sagte Crysania. »Oder willst du es mir ›übersetzen‹?«

»Es ist nicht in der Sprache der Magie geschrieben«, erwiderte er leise. Er sah auf seine schwarzen Roben, dann lächelte er ein verzerrtes, bitteres Lächeln. »Vor langer Zeit habe ich bereitwillig den Preis bezahlt. Ich weiß nicht, warum ich gehofft habe, daß du mir vertrauen würdest.«

Crysania durchquerte das Zimmer und blieb zögernd am Schreibtisch stehen. Raistlin nahm Platz und winkte sie zu sich, und sie trat einen Schritt nach vorne. Der Magier sprach einen Befehl, und der Stab, der an der Wand lehnte, leuchtete in gelbem Licht auf.

»Lies«, sagte Raistlin und zeigte auf die Seite.

Crysania überflog die Seite, obwohl sie keine Vorstellung hatte, wonach sie suchen sollte. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit gefesselt. Einer der Abschnitte trug den Titel »Gerät für Zeitreisen«, und darunter war ein Gerät dargestellt, das der Beschreibung des Kenders glich.

»Ist es das?« fragte sie und blickte Raistlin an. »Das Gerät, das Par-Salian Caramon gab und das uns zurückbringen soll?«

Der Magier nickte. In seinen Augen spiegelte sich das gelbe Licht des Stabes. »Lies«, wiederholte er leise.

Neugierig überflog Crysania die Seite. Es handelte sich um ein Gerät, das ein großer, seit langem vergessener Magier entworfen und gebaut hatte, und die Bedingungen seines Einsatzes. Ein Großteil der Beschreibung ging über ihr Verstehen hinaus, handelte von geheimnisvollen Dingen.

»... wird die bereits unter einem Zeitzauber stehende Person entweder vor oder zurück in der Zeit befördern... muß korrekt angeordnet sein und die Facetten in der vorgeschriebenen Reihenfolge ausgerichtet... wird nur eine Person transportieren, die Person, der das Gerät zur Zeit gegeben wurde, als der Zauber ausgeführt wurde... Der Einsatz des Gerätes ist auf Elfen, Menschen, Oger beschränkt... kein weiteres Zauberwort erforderlich...«

Crysania sah unsicher zu Raistlin auf. Er beobachtete sie mit einem erwartungsvollen Blick. Er wartete darauf, daß sie etwas fand. Und tief in ihrem Inneren spürte sie eine Unruhe, eine Angst, als ob ihr Herz den Text schneller verstünde als ihr Gehirn.

»Noch einmal«, sagte Raistlin.

Sie versuchte sich zu konzentrieren, obgleich sie jetzt den Sturm stärker wahrnahm, der draußen tobte, und sah wieder auf den Text.

Und da war es. Die Worte sprangen sie an, griffen nach ihrer Kehle, würgten sie.

»Nur eine Person transportieren...«

Nur eine Person transportieren!

Crysanias Beine gaben nach. Glücklicherweise schob Raistlin ihr einen Stuhl unter, sonst wäre sie zu Boden gefallen.

Lange Zeit starrte sie in das Zimmer. Obgleich es von Blitzen und dem magischen Licht des Stabes beleuchtet wurde, war es für sie plötzlich dunkel geworden. »Weiß er das?« stieß sie schließlich hervor.

»Caramon?« knurrte Raistlin. »Natürlich nicht. Wenn er es wüßte, würde er seinen dummen Hals brechen in dem Versuch, es dir zu geben, und er würde dich auf Knien anflehen, es zu benutzen und ihm das Vorrecht zu gewähren, an deiner Stelle zu sterben. Ich kann mir nicht vorstellen, was ihn glücklicher machen würde. Nein, Crysania, er wird es zweifellos vertrauensselig anwenden, zwischen dir und dem Kender stehend. Und er wird völlig am Boden zerstört sein, wenn sie ihm dann den Grund seiner alleinigen Rückkehr erklären würden. Ich frage mich, wie Par-Salian das bewerkstelligen will«, fügte Raistlin mit grimmigem Lächeln hinzu. »Caramon ist wirklich in der Lage, den Turm unter ihren Augen entzweizureißen. Aber das wird weder hier noch dort stattfinden.«

Sein Blick fing ihren auf. Er zwang sie durch die Kraft seines Willens, in seine Augen zu schauen. Und wieder sah sie sich in ihnen, aber dieses Mal einsam und angstvoll.

»Sie haben dich zum Sterben zurückgeschickt, Crysania«, sagte Raistlin mit einer Stimme, die leiser als ein Atemzug war; dennoch durchdrang sie Crysanias Innerstes, hallte lauter als der Sturm in ihrem Bewußtsein wider. »Ist das das Gute, von dem du mir erzählst? Pah! Sie leben in Angst, wie der Königspriester! Sie fürchten dich, so wie sie mich fürchten. Der einzige Weg zum Guten, Crysania, ist mein Weg! Hilf mir das Böse besiegen. Ich brauche dich...«

Crysania schloß die Augen. Vor ihr tauchte ganz lebhaft Par-Salians Handschrift in dem Brief auf, den sie gefunden hatte: »... dein Leben und deine Seele – um eines zu retten, mußt du das andere aufgeben! Es gibt für dich viele Möglichkeiten, diese Zeit zu verlassen, eine davon ist mit der Hilfe von Caramon.« Er hatte sie absichtlich in die Irre geführt! Welche Möglichkeit bestand noch, außer mit Raistlin? War es das, was der Magier meinte? Wer konnte ihr diese Frage beantworten? Gab es jemanden, dem sie vertrauen konnte?

Crysania erhob sich. Sie sah Raistlin an, sie starrte vor sich ins Nichts. »Ich muß gehen«, murmelte sie gebrochen. »Ich muß nachdenken...«

Raistlin versuchte nicht, sie aufzuhalten. Er stand nicht einmal auf. Er sagte kein Wort – bis sie die Tür erreichte. »Morgen«, flüsterte er. »Morgen...«

15

Es erforderte Caramons ganze Kraft und die der zwei Tempelwachen, um die großen Tore des Tempels zu öffnen und ihn in den Sturm hinauszulassen. Der Wind peitschte mit voller Gewalt auf ihn ein, trieb den großen Mann zurück gegen die Steinmauer, hielt ihn dort fest, als wäre er nicht kräftiger als Tolpan. Als die Kraft des Sturmes nachgab, konnte er die Stufen hinuntergehen.

Die Bewohner Istars kauerten in ihren Häusern, die Götter abwechselnd verfluchend oder anrufend. Der gelegentliche Passant, dem er begegnete, klebte an der Wand eines Gebäudes oder stand in einer Türöffnung.

Aber Caramon schleppte sich mühsam weiter, eifrig bedacht, in die Arena zurückzukehren. Sein Herz war von Hoffnung erfüllt, seine Stimmung trotz des Sturmes gut. Jetzt endlich würden Kiiri und Pheragas zuhören, anstatt ihm kalte Blicke zuzuwerfen wie vor kurzem, als er sie zu überreden versuchte, aus Istar zu fliehen.

»Ich kann euch nicht sagen, wieso ich es weiß, ich weiß es einfach!« hatte er gerufen. »Ein großes Unglück wird kommen. Ich kann es förmlich riechen!«

»Willst du den letzten Kampf verpassen?« fragte Kiiri kühl.

»Sie werden ihn bei diesem Wetter nicht abhalten!« Caramon winkte ab.

»So ein heftiger Sturm hält sich nicht lange!« warf Pheragas ein. »Er wird sich schon austoben, und dann haben wir einen wunderschönen Tag. Außerdem« – seine Augen verengten sich – »was willst du ohne uns in der Arena machen?«

»Nun, allein kämpfen, wenn es sein muß«, sagte Caramon. Er plante, dann schon längst verschwunden zu sein – er und Tolpan, Crysania und vielleicht...

»Wenn es sein muß...«, wiederholte Kiiri in einem seltsamen Ton und tauschte mit Pheragas Blicke. »Danke, daß du an uns denkst, Freund«, sagte sie mit einem vernichtenden Blick auf Caramons Eisenband, das Band, das auch sie trug, »oder keinen Dank. Unser Leben wäre verwirkt – entflohene Sklaven! Wie lange, glaubst du wohl, würden wir das überleben?«

»Es spielt keine Rolle, nicht nach... nach...« Caramon seufzte und schüttelte den Kopf. Was konnte er ihnen sagen? Wie konnte er sie dazu bringen, ihn zu verstehen? Aber sie hatten ihm keine Gelegenheit gegeben. Sie waren, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hinausgegangen und hatten ihn allein im Speisesaal zurückgelassen.

Aber jetzt würden sie bestimmt zuhören! Sie würden begreifen, daß es kein gewöhnlicher Sturm war. Würden sie genügend Zeit haben, um sicher zu entkommen? Caramon runzelte die Stirn und wünschte sich zum ersten Mal, daß er den Büchern mehr Beachtung geschenkt hätte. Er hatte keine Ahnung, welche Ausmaße die verheerende Wirkung des stürzenden feurigen Gebirges erreichen würde. Er schüttelte den Kopf. Vielleicht war es bereits zu spät.

Nun, er hatte es immerhin versucht, sagte er sich, während er durch das Wasser stapfte. Um die Notlage seiner Freunde zu vergessen, zwang er sich zu erfreulicheren Gedanken. Bald würde er von diesem schrecklichen Ort verschwunden sein. Bald würde das alles nur wie ein böser Traum sein.