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Caramon starrte Arak verständnislos an. »Warum?« murmelte er düster. »Warum will er mich töten?«

»Dich töten?« Der Zwerg kicherte. »Er will dich nicht töten! Er ist überzeugt, daß du gewinnen wirst! ›Es ist eine Prüfung‹, hat er zu mir gesagt. ›Ich will keinen Sklaven, der nicht der Beste ist! Und dieser Kampf wird es beweisen. Caramon hat gezeigt, wie er gegen den Barbaren vorgegangen ist. Das war seine erste Prüfung. Laß uns diese Prüfung noch schwerer machen‹, sagte er. Oh, du hast schon einen außergewöhnlichen Herrn!«

Der Zwerg kicherte, schlug sich bei diesem Gedanken auf die Knie, und selbst Raag gab ein Grunzen von sich, das wohl ein Zeichen seines Vergnügens darstellte.

»Ich werde nicht kämpfen«, sagte Caramon. Sein Gesicht verhärtete sich. »Töte mich! Ich werde nicht gegen meine Freunde kämpfen. Und sie werden nicht gegen mich kämpfen!«

»Er hat gesagt, daß du so reagieren würdest!« Der Zwerg grölte. »Stimmt das nicht, Raag? Die gleichen Worte. Beim Elch, er kennt dich! Man könnte denken, ihr seid Zwillinge! ›Also‹, sagte er zu mir, ›wenn er sich zu kämpfen weigert, und das wird er, dann sag ihm, daß seine Freunde an seiner Stelle kämpfen werden, und es wird der Minotaurus sein, der die echten Waffen trägt.‹«

Caramon erinnerte sich lebhaft an den jungen Mann, der sich im Todeskampf auf dem Steinboden gekrümmt hatte, als das Gift vom Dreizack des Minotaurus durch seinen Körper geströmt war.

»Was deine Freunde betrifft, die gegen dich kämpfen«, höhnte der Zwerg, »um die hat sich Fistandantilus auch gekümmert. Nachdem er mit ihnen geredet hat, denke ich, sind sie richtig erpicht, in der Arena gegen dich aufzutreten!«

Caramon ließ den Kopf sinken. Er begann zu zittern. Die ungeheuerliche Bösartigkeit seines Bruders überwältigte ihn, Verzweiflung erfüllte sein Bewußtsein.

Raistlin hatte alle getäuscht, Crysania, Tolpan, ihn selbst! Es war Raistlin, der ihn den Barbaren töten ließ! Er hatte ihn angelogen! Und er hatte auch Crysania angelogen. Er war unfähig, sie zu lieben. Er benutzte sie! Und Tolpan? Caramon schloß die Augen. Er erinnerte sich an Raistlins Worte: »Kender können den Verlauf der Zeit verändern...« Tolpan stellte eine Gefahr dar, eine Bedrohung! Er hatte nun keinen Zweifel mehr, wohin Tolpan gegangen war...

Der Wind heulte, aber nicht so laut wie der Schmerz und die Qual in Caramons Seele. Dem großen Krieger wurde übel. Er sah nicht Araks Geste, noch fühlte er Raags riesige Hände, die ihn ergriffen. Er spürte nicht einmal die Stricke an seinen Handgelenken ...

Erst später, als das Gefühl der Übelkeit verschwand, nahm er seine Umgebung wieder wahr. Er befand sich in einer winzigen, fensterlosen, unterirdischen Zelle, wahrscheinlich unter der Arena. Raag hatte eine Kette an das Eisenband um seinen Hals gebunden und diese Kette an einem Ring in der Steinmauer befestigt. Dann überprüfte der Oger die Lederschnüre, mit denen Caramons Handgelenke gefesselt waren.

»Nicht zu fest«, hörte Caramon die warnende Stimme des Zwergs, »er muß morgen kämpfen...«

Aus der Höhe ertönte ein Donnergrollen. Bei diesem Geräusch sah Caramon hoffnungsvoll auf. Wir können bei diesem Wetter nicht kämpfen...

Der Zwerg grinste, als er Raag zur Tür folgte. Da bemerkte er Caramons Blick. »Oh, nebenbei bemerkt, Fistandantilus hat gesagt, daß morgen ein wunderschöner Tag sein wird. Ein Tag, an den sich jeder auf Krynn lange erinnern wird...«

Die Tür wurde zugeschlagen und verschlossen.

Caramon saß allein in der feuchten Dunkelheit. Niemand war da, den er um Rat fragen konnte, niemand war da, um für ihn Entscheidungen zu treffen. Und dann erkannte er, daß er niemanden brauchte. Nicht für diese Entscheidung.

Jetzt verstand er den Grund, warum die Magier ihn zurückgeschickt hatten. Sie kannten die Wahrheit und wollten, daß er sie selbst erkannte. Sein Zwillingsbruder war verloren, konnte niemals bekehrt werden.

Raistlin mußte sterben.

16

In dieser Nacht schlief niemand in Istar.

Der Sturm nahm an Heftigkeit zu, bis es schien, daß er alles zerstören wollte. Blitze tanzten durch die Straßen, Bäume explodierten bei ihrer feurigen Berührung. Hagel prasselte auf die Straßen nieder, brach Ziegel und Steine aus den Häusern, zerschlug das dickste Glas. Hochwasser toste durch die Straßen, riß die Marktbuden, Sklavenpferche, Karren und Kutschen mit sich.

Aber niemand wurde verletzt.

Es war, als ob die Götter in dieser letzten Stunde ihre Hände schützend über die Lebenden hielten, als ob sie hofften, sie würden die Warnungen beachten.

In der Morgendämmerung hörte der Sturm auf. Die Welt war plötzlich von einer tiefen Ruhe erfüllt. Die Götter warteten, wagten nicht einmal zu atmen, um nicht den leisen Schrei zu verpassen, der vielleicht die Welt retten konnte.

Die Sonne stieg an einem blaßblauen Himmel empor. Kein Vogel sang, um sie willkommen zu heißen, keine Blätter raschelten in der Morgenbrise, denn es gab keine Morgenbrise. Die Luft war still und tödlich ruhig. Rauch stieg von qualmenden Bäumen in senkrechten Säulen in den Himmel, das Hochwasser schwand dahin, als ob es von einer riesigen Abzugsrinne verschluckt würde. Die Leute schlichen ins Freie, sahen sich ungläubig um, daß es nicht mehr Schäden gab, und von den vorausgegangenen schlaflosen Nächten erschöpft, kehrten sie dann in ihre Häuser zurück.

Aber immerhin gab es eine Person in Istar, die friedlich die Nacht durchschlief. Tatsächlich wurde sie durch die plötzliche Stille wach.

Wie Tolpan Barfuß gern erzählte, hatte er im Düsterwald mit Geistern geredet und mehrere Drachen kennengelernt, war dem verfluchten Eichenwald von Shoikan nahe gekommen, hatte eine Kugel der Drachen zerstört und war persönlich verantwortlich für die Niederlage der Königin der Finsternis. Bloß ein Gewitter konnte ihn kaum aus der Ruhe bringen und noch weniger seinen Schlaf beeinträchtigen.

Es war einfach gewesen, das magische Gerät zu ergattern. Tolpan schüttelte den Kopf über Caramons naiven Stolz, ein kluges Versteck gefunden zu haben. Tolpan hatte den großen Mann nicht darüber aufgeklärt, daß dieser falsche Boden von jedem Kender ab drei Jahren ausfindig gemacht werden konnte.

Tolpan nahm das magische Gerät aus der Schachtel und starrte es voll Entzücken an.

Eilig ging er im Geist noch einmal Raistlins Anweisungen durch. Der Magier hatte sie ihm erst vor wenigen Tagen gegeben und ihn auswendig lernen lassen.

»Deine Zeit gehört dir allein, auch wenn du quer durch sie reist. Ihre Ausdehnungen siehst du durch die Ewigkeit wirbeln; hemme nicht ihren Verlauf. Ergreife fest das Ende und den Anfang, drehe sie um sich selbst, und alles, was verloren ist, wird in Sicherheit sein. Das Schicksal wird über deinem Kopf sein.«

Das Gerät war so schön, daß Tolpan es gern lange bewundert hätte. Aber er hatte keine Zeit, darum warf er es hastig in einen Beutel, ergriff seine anderen Beutel, legte seinen Umhang an und eilte hinaus. Auf dem Weg dachte er über seine letzte Unterhaltung mit dem Magier nach.

»Leih dir den Gegenstand in der Nacht zuvor aus«, hatte Raistlin ihm geraten. »Der Sturm wird beängstigend sein, und Caramon könnte es sich in den Kopf setzen, vorher aufzubrechen. Außerdem wird es für dich am einfachsten sein, unbemerkt in den Raum zu schlüpfen, der als die Geweihte Kammer des Tempels bekannt ist, während der Sturm tobt. Der Sturm wird sich am Morgen legen, und dann werden der Königspriester und seine Minister mit der Prozession beginnen. Sie werden in die Geweihte Kammer gehen, und dort wird der Königspriester den Göttern seine Forderungen stellen. Du mußt in der Kammer sein und das Gerät aktivieren, sobald der Königspriester zu sprechen aufhört...«

»Wie wird das Gerät die Umwälzung aufhalten?« unterbrach ihn Tolpan gespannt. »Werde ich sehen, wie es einen Lichtstrahl in den Himmel schießt? Oder wird es den Königspriester flach auf den Boden werfen?«