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»Das war ja lustig«, bemerkte Tolpan atemlos. »Besonders als ich gestürzt bin. Hast du das Gesicht von dem Mann gesehen? Ich...«

»Was hast du vorhin gemeint?« unterbrach Caramon. »Wie kommst du zu der Ansicht, daß Raistlin nicht hinter dieser ganzen Sache steckt?«

Tolpans Gesicht wurde ungewöhnlich ernst und nachdenklich. »Caramon«, sagte er nach einem Augenblick, legte seine Arme um Caramons Hals und sprach in sein Ohr, um über dem Kettengerassel und den Straßengeräuschen gehört zu werden, »Raistlin muß furchtbar beschäftigt gewesen sein mit dieser Reise zurück. Nun, Par-Salian hat Tage gebraucht, um den Zeitreisezauber auszuführen, und er ist ein wahrhaft mächtiger Magier. Es muß also eine Menge von Raistlins Energie in Anspruch genommen haben. Wie soll er das wohl geschafft und uns das gleichzeitig angetan haben?«

»Nun«, sagte Caramon stirnrunzelnd. »Wenn er es nicht war, wer dann?«

»Was ist mit – Fistandantilus?« flüsterte Tolpan.

Caramon hielt den Atem an, sein Gesicht wurde düster.

»Er... er ist ein wirklich mächtiger Zauberer«, gab Tolpan zu bedenken, »und, nun ja, du hast aus der Tatsache kein Geheimnis gemacht, daß du zurück in die Vergangenheit reisen und ihn um die Ecke bringen willst, sozusagen. Ich meine, du hast das im Turm der Erzmagier gesagt. Und wir wissen, daß Fistandantilus im Turm herumhängen kann. Dort hat er auch Raistlin getroffen, nicht wahr? Was ist, wenn er da herumgestanden und dich gehört hat? Ich vermute, er ist ganz schön sauer.«

»Pah! Wenn er so mächtig ist, dann hätte er mich auf der Stelle umbringen können!« knurrte Caramon.

»Nein, das kann er nicht«, erwiderte Tolpan bestimmt. »Sieh mal, ich habe alles kapiert. Er kann nicht den Bruder seines Schülers umbringen. Insbesondere, wenn dich Raistlin aus einem Grund hier haben will. Außerdem weiß Fistandantilus bestimmt, daß Raistlin dich wohl liebt, ganz tief in seinem Inneren.«

Caramon erblaßte, und Tolpan hatte das Gefühl, sich auf die Zunge gebissen zu haben. »Egal«, fuhr er eilig fort, »er kann dich nicht offen loswerden. Er muß es unauffällig erledigen, damit es gut aussieht.«

»Also?«

»Also...« Tolpan holte tief Atem. »Nun, in dieser Gegend werden keine Leute mehr hingerichtet, aber offenbar haben sie andere Methoden, um mit jenen fertig zu werden, die man nicht herumhängen haben will. Dieser Kleriker und der Gefängniswärter haben beide gesagt, Hinrichtungen seien ein ›leichter‹ Tod verglichen mit dem, was sie jetzt vorhaben.«

Ein Peitschenhieb über Caramons Rücken beendete die Unterhaltung. Caramon warf dem Sklaven, der ihn geschlagen hatte, einen wütenden Blick zu – es war ein Bursche, der seine Arbeit offensichtlich genoß – und versank in ein düsteres Schweigen. Er dachte darüber nach, was Tolpan ihm gesagt hatte. Es ergab sicherlich einen Sinn. Er hatte gesehen, wieviel Kraft und Konzentration es Par-Salian gekostet hatte, diesen schwierigen Zauber durchzuführen.

Caramon erkannte plötzlich alles ganz klar. Tolpan hatte recht! Wir wurden in eine Falle gelockt. Fistandantilus will mich irgendwie loswerden und Raistlin meinen Tod als Unfall erklären.

Irgendwo in einer Ecke seines Gehirns hörte Caramon eine mürrische alte Zwergenstimme sagen: »Ich weiß nicht, wer der größere Idiot ist – du oder dieser Türknopf von Kender! Wenn das einer von euch mal in eurem Leben herausfinden wird, würde mich das überraschen!« Caramon lächelte traurig über den Gedanken an seinen alten Freund. Aber Flint war nicht hier, und auch nicht Tanis oder sonst jemand, der ihm einen Ratschlag hätte geben können. Er und Tolpan waren auf sich selbst gestellt, und wenn der Kender nicht diesen Sprung in den Zauberkreis gewagt hätte, wäre er ganz allein hier in der Vergangenheit. Dieser Gedanke erschreckte ihn. Caramon erbebte. »Das alles bedeutet nur, daß ich diesen Fistandantilus erwischen muß, bevor er mich erwischt«, sagte er leise zu sich.

Die riesigen Türme des Tempels sahen auf tadellos saubere Stadtstraßen herab. Die Straßen wimmelten von Leuten. Tempelwachen strichen umher, hielten die Ordnung aufrecht, hoben sich von der Menge mit ihren farbenfrohen Umhängen und mit ihren Helmen ab. Wunderschöne Frauen warfen den Wachen bewundernde Blicke zu, während sie in den Basaren und Geschäften bummelten. Es gab jedoch einen Platz in der Stadt, den die Frauen nicht aufsuchten, auch wenn viele neugierige Blicke in seine Richtung warfen – den Sklavenmarkt.

Der Sklavenmarkt war wie immer überfüllt. Einmal in der Woche wurden Versteigerungen abgehalten – ein Grund, warum der Mann im Bärenfell so eifrig gewesen war, seine wöchentliche Anzahl von Sklaven aus den Gefängnissen zu bekommen. Obgleich das Geld aus den Verkäufen der Gefangenen in die öffentlichen Schatzkammern wanderte, erhielt der Mann natürlich seinen Anteil. Und diese Woche schien besonders erfolgversprechend zu sein.

Wie er Tolpan bereits gesagt hatte, gab es in Istar oder in Teilen Krynns, die von der Stadt kontrolliert wurden, keine Hinrichtungen mehr. Die Ritter von Solamnia beharrten noch darauf. Aber der Königspriester hielt mit den Rittern Beratungen ab, und es bestand Hoffnung, daß es mit diesem abscheulichen Brauch bald ein Ende haben würde.

Natürlich hatte das Ende der Hinrichtungen in Istar ein anderes Problem heraufbeschworen – was sollte man mit den Gefangenen anstellen, deren Anzahl zunahm? Die Kirche führte aus diesem Grunde eine Untersuchung durch. Aus dieser ergab sich, daß die meisten Gefangenen mittel- und obdachlos waren. Die Verbrechen, die sie verübten – Diebstahl, Einbruch, Prostitution und dergleichen —, waren eine Folge aus diesen Umständen.

»Ist es dann also nicht logisch«, sagte der Königspriester zu seinen Ministern an dem Tag, als er die offizielle Erklärung abgab, »daß Sklaverei nicht nur die Antwort auf das Problem der Überfüllung unserer Gefängnisse ist, sondern eine höchst menschenfreundliche Methode, mit diesen armen Leuten umzugehen, deren einziges Verbrechen darin besteht, daß sie in einem Netz der Armut gefangen sind, aus dem sie nicht entkommen können? Natürlich ist sie das. Es ist also unsere Pflicht, ihnen zu helfen. Als Sklaven werden sie ernährt, gekleidet und untergebracht. Es wird ihnen alles gegeben, was ihnen fehlt. Wir werden uns selbstverständlich darum kümmern, daß sie gut behandelt werden, und Vorkehrungen treffen, daß sie nach einer gewissen Zeit der Sklaverei – wenn sie sich gut verhalten haben – sich die Freiheit zurückkaufen können. Sie werden dann zu uns als produktive Mitglieder der Gesellschaft zurückkehren.«

Die Idee wurde unverzüglich in die Tat umgesetzt und nun seit über zehn Jahren praktiziert. Es hatte Probleme gegeben. Aber diese waren dem Königspriester niemals zu Ohren gekommen – sie waren nicht schwerwiegend genug gewesen, um sein Interesse in Anspruch zu nehmen. Unterminister hatten sich zur Genüge damit auseinandergesetzt, und jetzt funktionierte das System recht gut. Die Kirche erhielt ein ständiges Einkommen von den Erlösen, die mit den Gefängnissklaven erzielt wurden, und die Sklaverei wirkte sich sogar abschreckend auf Verbrechen aus.

Die sich ergebenden Probleme betrafen zwei Verbrechergruppen – Kender und jene Kriminellen, deren Verbrechen besonders anstößig waren. Es stellte sich heraus, daß es unmöglich war, einen Kender zu verkaufen, und sehr schwierig, einen Mörder, Vergewaltiger oder Verrückten unterzubringen. Die Lösung war einfach. Kender wurden über Nacht eingesperrt und dann zu den Stadttoren eskortiert – das führte zu einer allmorgendlichen kleinen Prozession. Institutionen wurden geschaffen, um mit den Schwerverbrechern fertig zu werden.

Mit dem Leiter solch einer Institution, einem Zwerg, führte der Mann im Bärenfell an diesem Morgen eine angeregte Unterhaltung und zeigte dabei auf Caramon, der mit den anderen Gefangenen in einem schmutzigen und stinkenden Pferch stand und eine dramatische Bewegung mit der Schulter machte, als ob er eine Tür einschlagen wollte.