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Liam lächelte flüchtig, als er sich an den Tag ihres Abenteuers erinnerte. »Wir hatten ganz schönes Glück damals, was?«

»Wiederhole, was ich gesagt habe«, verlangte Jackon.

»Morgen Früh um sieben. An der Gießerei im Kessel.«

»Ja. Und vergiss es nicht, wenn du aufwachst, hörst du?«

»Ich vergesse es nicht«, sagte Liam.

»Gut. Bis später.«

Jackon umarmte seinen Freund und erwachte kurz darauf mit einem Lächeln.

37

Eine Falle?

Liam öffnete die Augen und war sofort hellwach. Licht fiel durch den Vorhang, der die Kammer von den anderen Wohnräumen abtrennte. Etwas surrte leise: Godfreys Apparate, die Frischluft in das unterirdische Versteck pumpten.

Ich muss zur Gießerei im Kessel. Um sieben Uhr.

Liam konnte sich nicht erklären, woher dieser Gedanke kam – er war plötzlich da und erfüllte ihn mit nervöser Unruhe. Ich darf nicht zu spät kommen, sonst verpasse ich Jackon.

Jackon?

Er sah den Rothaarigen so deutlich vor sich, als wäre er ihm gerade begegnet. Hatte er von ihm geträumt? Liam schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern.

Ja. Und was für ein verrückter Traum das gewesen war. Sie hatten sich in der Sternwarte seines Vaters getroffen und geredet. Aber es war nicht die echte Sternwarte gewesen, sondern ein schattenhaftes Ebenbild des Observatoriums, ein bedrückendes Gemäuer voller Zwielicht, mit Fenstern, die auf eine gewaltige Metropole wiesen... die Stadt der Seelen.

Noch so ein Gedanke, der sich fremd anfühlte, als wäre er ihm eingepflanzt worden.

Plötzlich konnte er sich genau daran erinnern, was Jackon gesagt hatte: Wir müssen uns in Bradost treffen. Komm morgen Früh zu der Gießerei im Kessel. Du weißt schon – da, wo wir einen Ausgang gefunden haben, als wir uns in den Kanälen verirrt hatten. Ich erwarte dich dort gegen sieben. Anschließend hatte Jackon ihm eingeschärft, es auf keinen Fall zu vergessen.

Was war das für ein seltsamer Traum?

Liam setzte sich auf. Nein, kein Traum. Die Erinnerung daran war viel zu klar. Jackon war wirklich da gewesen. Er hatte es irgendwie geschafft, in seinen Schlaf einzudringen und mit ihm zu sprechen.

Natürlich. Wie haben die anderen ihn genannt?

Traumwanderer.

Liam sprang auf, zog sich hastig an und eilte in den Hauptraum.

Die anderen waren bereits auf. Lucien und Quindal saßen mit den Manusch vor dem Kamin und frühstückten. Alle bis auf Lucien wirkten müde und unausgeschlafen. Dem Chaos in den Träumen konnte man nirgendwo entkommen, auch in Godfreys Versteck nicht.

»Setz dich zu uns«, forderte Livia ihn auf. »Wir haben Kaffee gemacht.«

»Wo ist Vivana?«

»Da. Bei Godfrey.«

Liam spähte auf die Standuhr. Kurz nach sechs. Er hatte noch etwas Zeit. Er stieg die Treppe hinauf, die, gesäumt von Kupferrohren, Eisenstreben und schimmernden Maschinengehäusen, zu der Plattform hinaufführte. Diese lag gut zehn Schritt über dem Boden der Halle und bildete gewissermaßen das Herzstück der unterirdischen Zuflucht. Nicht nur Godfreys persönlicher Wohnbereich befand sich hier oben, sondern auch die Kontrollen der Gerätschaften.

Inzwischen konnte sich Liam auch an den Rest seines Traums erinnern. Die düstere Ruinenlandschaft, die plötzlich verschwunden war. Jackons Freude über ihr Wiedersehen. Ihre Umarmung zum Abschied. Seine letzten Zweifel schwanden. Ja. Er war wirklich da. Und er will uns helfen.

Der Aethermann saß an einer Apparatur aus gebündelten Röhren und blickte in die trichterförmigen Öffnungen. Gestern hatte er Liam vor dem Schlafengehen ein wenig herumgeführt und ihm erklärt, was es damit auf sich hatte: Die Röhren führten durch das Mauerwerk zu den Tunneln außerhalb des Verstecks und ermöglichten es Godfrey durch ein raffiniertes System aus Spiegeln, die Umgebung seines Schlupfwinkels auszuspähen. Verborgene Alarmanlagen warnten ihn, wenn sich jemand der Zuflucht näherte.

Vivana war bei ihm. Die beiden stritten.

»Bitte, Godfrey. Ruac wird keinen Ärger machen. Ich passe auf ihn auf. Versprochen.«

»Nein«, erwiderte der Aethermann. »Es ist zu gefährlich. Wie oft soll ich das noch sagen?«

»Wir binden ihn neben dem Tor an. Dann kann er nichts kaputt machen...« Vivana bemerkte Liam, und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Der Vorfall von letzter Nacht machte ihr offenbar immer noch zu schaffen, aber sie schien entschlossen zu sein, sich nichts anmerken zu lassen. Im nächsten Moment war sie wieder fröhlich und gab ihm einen Kuss. »Guten Morgen. Na, ausgeschlafen?«

»Kann ich mit dir reden?«

»Klar.« Sie gingen zum Rand der Plattform, zum Messinggeländer, dessen Schnörkel und Verzierungen wie die Blätter und Ranken einer Rosenhecke geformt waren.

»Hast du gehört?« Vivana warf Godfrey einen finsteren Blick zu. »Er will mir verbieten, Ruac zu holen.«

Liam wollte jetzt nicht über den Tatzelwurm reden. »Pass auf, es geht um Jackon. Er ist heute Nacht zu mir gekommen. Im Traum.«

»Bist du sicher?«, fragte sie mit gerunzelter Stirn.

»Das ist es doch, was er mit seinen Kräften tun kann, oder? Leute in ihren Träumen zu besuchen. Jedenfalls will er sich mit mir treffen. Im Kessel. Bei einer Gießerei hier in der Nähe.«

»Weswegen?«

»Ich glaube, er möchte mich vor Lady Sarka warnen.«

»Wozu? Wir wissen doch, dass sie uns sucht.«

»Aber das zeigt, dass er auf unserer Seite steht! Vielleicht hat er inzwischen eingesehen, dass es ein Fehler ist, ihr zu helfen.«

Vivana wirkte nicht überzeugt. »Ich weiß nicht... Wir sollten mit den anderen darüber sprechen.«

»Sie werden doch nur wieder versuchen, es mir auszureden. Dein Vater war von Anfang an dagegen, dass ich Jackon treffe.«

»Trotzdem. Diese Sache geht alle an.«

Widerwillig sah Liam ein, dass sie recht hatte. Er hatte sich so lange allein durchgeschlagen, dass er sich nur schwer daran gewöhnte, seine Gefährten in seine Pläne einzubeziehen. »Na schön. Reden wir mit ihnen.«

Kurz darauf saßen sie mit Godfrey bei den anderen am Frühstückstisch. Liam erzählte, was geschehen war, sowie von seiner Absicht, Jackon zu treffen.

Erwartungsgemäß sagte Vivanas Vater: »Ich halte das für keine gute Idee. Sieht mir nach einer Falle aus, wenn du mich fragst.«

»Das glaube ich nicht. Jackon war überglücklich, mich zu sehen. Er hat mir das nicht vorgespielt.«

»Und wieso taucht er ausgerechnet jetzt auf, während Lady Sarka uns sucht? Wenn ihm so viel an dir liegt, warum hat er deine Träume nicht schon vor Wochen besucht?«

»Damit tust du dem Jungen unrecht, Nestor«, sagte Livia. »Liam hat nicht geträumt, während er im Pandæmonium war. Jackon konnte ihn gar nicht besuchen. Ich finde, Liam sollte zu dem Treffen gehen. Er sollte sich wenigstens anhören, was Jackon zu sagen hat. Wenn er ihn überzeugen kann, sich uns anzuschließen – umso besser. Wir sollten nicht vergessen, dass wir vermutlich auf seine Hilfe angewiesen sind.«

»Trotzdem ist an Nestors Einwand was dran«, meinte Lucien. »Ganz ungefährlich ist die Sache nicht. Das ist nicht mehr der Jackon, den du kennst, Liam. Du kannst ihn nicht einschätzen. Lass einen von uns mitkommen. Nur zur Sicherheit.«

»Ich komme mit«, sagte Vivana.

»Nein«, widersprach ihr Vater entschieden. »Du bleibst hier.«

Sie setzte zu einer ärgerlichen Erwiderung an, doch Lucien kam ihr zuvor: »Es ist besser, wenn ich ihn begleite. Ich kann Liam notfalls beschützen, falls es Ärger gibt.«