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Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Die Männer vorne am Höhleneingang machten nicht kehrt, sondern kamen im Gegenteil rasch auf sie zu. Von der Gefahr, in die sie sich begaben, hatten sie offenbar keine Ahnung.

»Bleibt stehen, ihr Dummköpfe!«, schrie Sarn. »Ihr lauft in den Tod!«

Diesmal begannen einige der Krabben tatsächlich in ihre Richtung zu kriechen. Sarn nahm jedoch keinerlei Notitz davon, sondern sah zu, wie die Männer rasch näher kamen. Die zwei, drei Krabben, die vor ihnen über die Kante gekrochen kamen, schleuderte er mit Fußtritten in die Tiefe zurück.

Dann jedoch bückte er sich plötzlich, hob eine der Krabben auf und schleuderte sie mit einer mächtigen Bewegung in den Tunnel hinein. Das Tier traf einen der Männer an der Schulter und prallte ab. Der Mann stolperte mit einem überraschten Schrei zurück – und in dem von trübgrünem Licht erfüllten Tunnel unter ihnen brach die Hölle los.

Die gesamten Wände gerieten in Bewegung. Es schien, als ob sich der Tunnel selbst auf die Männer stürzte und sie einfach verschlang. Gellende Schreie erklangen und das Zischeln und Rasseln steigerte sich zu gewaltiger Lautstärke.

Sarn packte Mike an der Schulter, wirbelte ihn herum und riss ihn einfach mit sich.

»Du hast sie ... umgebracht!« Mikes Stimme zitterte noch immer, obwohl es gute zehn Minuten her war, seit sie diesen Teil der Höhlen erreicht und sich zum Ausruhen auf den Felsen niedergelassen hatten. Sie waren nicht mehr in Gefahr; die Krabben waren zwar schnell, aber nicht sehr ausdauernd; die Tiere hatten sie einige Schritte weit verfolgt und dann aufgegeben, wahrscheinlich, um sich ihren viel bequemer erreichbaren Opfern weiter vorne im Stollen zuzuwenden. Seither war ihnen kein lebendes Wesen mehr begegnet. Trotzdem hämmerte Mikes Herz noch immer zum Zerreißen und er war nach wie vor von einem kalten, lähmenden Entsetzen erfüllt. Nur dass es jetzt einen vollkommen anderen Grund hatte.

»Du hast sie einfach umgebracht!«, sagte er noch einmal, als Sarn nicht antwortete. »Vier Menschen!«

»Vier Männer der Palastgarde«, antwortete Sarn hart.

»Jeder von ihnen hat mindestens ein Dutzend Menschenleben auf dem Gewissen.« »Das ist doch kein Grund, sie einfach umzubringen!«, empörte sich Mike in scharfem Ton.

Für einen Moment verfinsterte sich Sarns Gesicht vor Zorn und Mike konnte sehen, wie sich die Muskeln in seinen Schultern und Oberarmen spannten; als würde er zum Schlag ausholen. Dann aber seufzte er nur tief und schüttelte den Kopf. »Hätte ich noch einen Beweis gebraucht, dass du einer von denen bist, nach denen wir suchen, dann hätte ich ihn jetzt«, sagte er. »Niemand würde es wagen, so mit einem Krieger zu sprechen.«

Mike erschrak bis ins Mark. Für einen Moment hatte er einfach vergessen, wem er gegenüberstand. Und für einen weiteren Moment war er ganz sicher, dass Sarn ihn jetzt augenblicklich töten würde.

Sarn tat jedoch nichts dergleichen. Er wurde nicht einmal wütend, sondern sagte im Gegenteil in fast versöhnlichem Ton: »Ich hätte sie nicht retten können, glaub mir. Sie waren im selben Moment verloren, in dem sie die Höhle betraten. Die Fangkrebse hätten sie auf jeden Fall getötet. Sie vernichten alles, was ihnen in den Weg kommt.«

»Uns haben sie auch verschont«, widersprach Mike.

Sarn fuhr sich mit den Fingern über das Gesicht und hielt sie Mike entgegen. »Wir hatten die Salbe«, sagte er. »Sie verdeckt unseren Körpergeruch. Und wenn man sich langsam und vorsichtig bewegt, übersehen sie einen manchmal. Aber nur manchmal. Ich war nicht sicher, ob wir es schaffen.«

»Wovon leben diese Tiere?«, fragte Mike. »Es müssen Tausende sein!«

»Sie gehen auf die Jagd«, antwortete Sarn. »Diese Höhlen hier sind ihr Jagdrevier. Deshalb können wir auch nicht lange bleiben. Wenn sie ausschwärmen, dann ist nichts vor ihnen sicher ... Aber keine Angst.

Im Moment sind sie satt. Wir haben also ein wenig Zeit.«

Mike fand die letzte Bemerkung ziemlich geschmacklos. Deshalb ging er auch nicht weiter darauf ein, sondern fragte: »Wohin bringst du mich?«

»An einen geheimen Ort«, antwortete Sarn. »Die Führer des Widerstands wollen dich sehen. Ich und andere haben seit Wochen nach dir gesucht.« Er stand auf. »Und nun komm weiter. Die Fangkrebse sind nicht die einzige Gefahr, die in diesen Höhlen lauert.«

Sie marschierten weiter. Der Weg erwies sich tatsächlich als gefährlich, obgleich ihnen nicht ein einziges lebendes Wesen

begegnete, geschweige denn ein Raubtier. Doch was als kaum

sichtbarer Spalt im Fels begonnen hatte, das erwies sich mehr und mehr als gewaltiges unterirdisches Labyrinth, in dem sich Mike alleine schon nach wenigen Minuten hoffnungslos verirrt hätte. Es war ihm ein Rätsel, wie Sarn hier die Orientierung behielt.

Doch selbst mit einem ortskundigen Führer grenzte es an ein Wunder, dass sie den Weg zur Oberfläche hinauf schafften. Mehr als einmal mussten sie sich durch Spalten und Felsritzen quetschen, die kaum groß genug schienen, einen Arm hindurchzustrecken, und ein paar Mal führte der Weg durch gewaltige Hohlräume oder vorbei an Abgründen, die eine Meile oder mehr in die Tiefe führen mussten.

Als sie endlich wieder Tageslicht vor sich erblickten, hatte Mike kaum noch die Kraft, sich auf den Füßen zu halten. Sarn musste ihn auf den letzten Metern beinahe tragen.

Nach endlosen Stunden, die sie sich nur im blassen Schein der Leuchtalgen bewegt hatten, blendete ihn das im Grunde nicht einmal sehr intensive Licht der Himmelskuppel Lemuras fast. Er konnte nicht viel erkennen. Rings um sie herum war immer noch Wald, aber sie mussten sich wohl auf der oberen Ebene Lemuras aufhalten, denn weit hinter der grünen Mauer des Dschungels konnte er die schimmernden Türme des Königspalastes erkennen.

»Können wir jetzt ... ausruhen?«, murmelte er, während er mit hängenden Schultern an Sarn vorbeischlurfte.

»Sicher«, sagte Sarn. »Wir sind jetzt –warte!«

Das letzte Wort hatte er in einem erschrockenen Flüstern hervorgestoßen. Gleichzeitig fuhr er herum, duckte sich halb und griff nach seinem Schwert.

»Was ist?«, fragte Mike alarmiert.

Sarn hob warnend die linke Hand und zog mit der anderen sein Schwert. »Still!«, sagte er. »Hörst du nichts?«

Mike lauschte, konnte aber keinen Laut vernehmen. »Jemand kommt«, sagte Sarn. »Zwei oder drei Mann. Schnell!«

Er stürmte los und gab Mike ein Zeichen ihm zu folgen, aber er kam nur wenige Schritte weit. Plötzlich teilte sich das Unterholz vor ihm und ein Mann in der Kleidung eines Kriegers trat hervor. Einen Moment später raschelte es erneut und ein zweiter und dann ein dritter Mann traten aus dem Wald. Alle waren mit Schwertern und großen, runden Schilden bewaffnet.

Sarn schrie wütend auf, riss seine Klinge in die Höhe und attackierte den vor ihm stehenden Mann. Aber die stundenlange Flucht durch die Höhlen hatte ihren Preis gefordert: Der Mann musste sich nicht einmal anstrengen, um Sarns Hieb auszuweichen. Sarn stolperte an ihm vorbei und fiel auf die Knie. Der Krieger schlug ihm die flache Seite der Klinge in den Nacken. Sarn stürzte, ließ seine Waffe fallen und rollte schwerfällig auf den Rücken.

Einen Moment später war der Angreifer über ihm und setzte ihm das Schwert an die Kehle. »Begeh jetzt keinen Fehler, Sarn«, sagte er. »Ich möchte dich nicht töten. Noch nicht.«

Eine starke Hand legte sich auf Mikes Schulter und einer der anderen Krieger trat neben ihn. Der dritte gesellte sich zu dem,