Выбрать главу

Das Schiff glitt lautlos in diesen Spalt hinab, hörte auf zu sinken und für eine ganze Weile trieben sie durch absolute Dunkelheit dahin. Dann schimmerte vor ihnen wieder jenes seltsame grüne Licht, das sieschon von oben gesehen hatten. Diesmal war es jedoch sehr viel intensiver.

Sie konnten von ihrer Position aus nicht erkennen, wohin die NAUTILUS fuhr, aber das Licht wurde heller und heller und schließlich brach es sich an einem schimmernden zerbrochenen Wasserspiegel über ihnen. Mike hielt staunend den Atem an, als die NAUTILUS aufzutauchen begann und nach wenigen Augenblicken die Wasseroberfläche durchbrach. Das Fenster führte auf einen breiten, offenbar künstlich angelegten See mit gemauerten Rändern hinaus.

Tarras betätigte noch einige Schalter, dann legte die NAUTILUS am Ufer an und das Geräusch der Motoren erlosch. »Wir sind da.« Tarras machte eine einladende Geste. »Wenn ich euch bitten dürfte.«

Niemand rührte sich.

»Was soll das?«, fragte Trautman. »Sie haben versprochen, uns gehen zu lassen, sobald Sie zu Hause sind!«

Tarras schüttelte den Kopf und sah ihn strafend an. »Wer wird denn so unhöflich sein, mein lieber Herr Kapitän? Sie werden doch unsere Gastfreundschaft nicht ausschlagen, nach allem, was wir Ihnen zu verdanken haben! Lassen Sie mich Ihnen zumindest unsere Heimat zeigen, bevor Sie wieder in Ihre furchtbar trockene Welt zurückkehren.«

Der zynische Unterton in seiner Stimme war nun nicht mehr zu überhören und er gab sich auch gar keine Mühe mehr, in irgendeiner Form überzeugend zu lügen. Als Trautman jedoch noch zögerte, sich in Bewegung zu setzen, zuckte er mit den Achseln, zog seine Pistole aus dem Gürtel und richtete sie auf ihn.

»Bitte, Kapitän. Ich war lange von zu Hause fort. Und Sie wissen ja, wie das mit Seeleuten ist: Sie können es kaum erwarten, nach einer langen Reise ihre Familien wieder zu sehen.«

»Aber ... aber Sie haben versprochen uns freizulassen!«, protestierte Chris.

Mike lachte bitter. »Glaubst du wirklich, das hätte er auch nur eine Sekunde lang wirklich vorgehabt, duDummkopf?«, fragte er. »Überleg doch mal selbst. Erinnerst du dich nicht, was er gesagt hat? Sie haben endlich die Möglichkeit, aus ihrem Gefängnis zu fliehen. Und wir haben ihnen den Schlüssel geliefert. Was glaubst du, was dieser Schlüssel ist? Die NAUTILUS!«

Keiner der anderen antwortete darauf. Nach einer Weile drehte sich Trautman langsam herum und verließ den Salon und nach einem kurzen Zögern folgten ihm auch die anderen.

Mike und Serena waren die Letzten, die den Salon verließen, Hand in Hand und Schutz suchend aneinander geklammert, mit klopfenden Herzen und einem ungewissen Schicksal entgegen.

Mike fragte sich, was sie erwarten mochte.

Oben, unter dem immer gleich bleibenden, leuchtend grünen Himmel Lemuras, musste die Schlafenszeit gekommen und wieder gegangen sein. Mike war so müde, dass sein Kopf dröhnte und seine Augen brannten, aber sie redeten noch immer; und Singh und die anderen machten keine Anstalten, ihm eine Pause zu gönnen.

Natürlich hätte er sowieso keinen Schlaf gefunden. Singhs Anblick hatte die Barriere, die vor seinen Erinnerungen gewesen war, schlagartig und endgültig niedergerissen. Er wusste jetzt eindeutig wieder, wer er war und wie er und alle anderen hierher gekommen waren.

Mehr aber auch nicht.

Als hätten seine Gedanken eine Drehtür durchschritten, waren all seine Erinnerungen an sein Leben inLemuravollkommen ausgelöscht. Er erinnerte sich an den Moment, in dem er die NAUTILUS verlassen hatte, und dann wieder an den Augenblick, in dem er Astaroth wieder gesehen hatte. Alles, was sich dazwischen abgespielt hatte, war wie ausgelöscht.

»Deine Erinnerungen werden zurückkehren«, beruhigte ihn Singh, als er eine entsprechende Frage stellte. »Es wird nur eine Weile dauern.«

»Woher willst du das wissen?«, fragte Mike.

»Weil es bei mir genauso war«, antwortete der Inder. Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht ganz. Seine Lippen verzogen sich, doch es war kein wirkliches Lächeln. Mike hatte Singh noch nie so ernst und besorgt erlebt wie jetzt. Und seine nächsten Worte unterstrichen dieses Gefühl noch.

»Ich hoffe nur, uns bleibt noch so lange Zeit«, sagte der Sikh leise. »Argos wird die NAUTILUS zerstören, wenn er so weitermacht.«

Mike erschrak. »Wieso?«

»Das ist eine lange Geschichte«, seufzte Singh. Er warf Mike einen raschen, aber vielsagenden Blick zu. Offensichtlich gab es Dinge, die nicht für die Ohren der anderen bestimmt waren. Trotzdem fuhr er fort: »Ich fürchte nur, dass wir es kaum noch verhindern können.«

»Dann greifen wir ihn an!«, sagte Sarn. »Wir haben genug Verbündete! Die Bevölkerung steht auf unserer Seite! Es braucht nur ein Signal und –«

»– wir zetteln eine Revolution an?«, unterbrach ihn Singh in scharfem Ton. Obwohl er so müde sein musste wie sie alle, blitzten seine Augen plötzlich vor Zorn. »Richten wir ein Blutbad an! Lassen wir Hunderte sterben, vielleicht Tausende! Ist es das, was du willst?«

Sarn hielt seinem Blick einige Sekunden lang stand. Aber er widersprach nicht und schließlich drehte er den Kopf mit einem hastigen Ruck zur Seite und starrte die Wand an.

»Es ist spät geworden«, sagte Singh. »Wir sind alle müde und gereizt. Lasst uns ein paar Stunden schlafen und das Gespräch danach fortsetzen.«

Sarn zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Seine Augen blitzten immer noch trotzig, aber er widersprach nicht, sondern funkelte Singh nur weiter an.

»Singh hat völlig Recht«, sagte Mike hastig. »Ich bin müde. Lasst uns später weiterreden ... habt ihr irgendwo ein Bett für mich?«

»Selbstverständlich«, sagte Singh. »Sarn – bring ihn in mein Quartier. Und dann such dir selbst einen Schlafplatz. Du hast Großartiges geleistet. Jetzt ruh dich wenigstens ein bisschen aus. Die Welt können wir auch morgen noch retten!«

Der sanfte Spott in seiner Stimme war mit Sicherheit versöhnlich gemeint, aber Mike sah an Sarns Miene, dass der Krieger ihn nicht so verstand. Fast hastig sprang er hoch und wandte sich direkt an Sarn.

»Singh hat Recht. Ich breche gleich zusammen.«

Sarn starrte ihn einen Moment lang zornig an, aber dann nickte er und drehte sich mit einem Ruck herum. Mike tauschte noch einen raschen Blick mit Singh, dann folgte er Sarn.

Der Krieger geleitete ihn in eine weitere, spartanisch eingerichtete Höhle, die von einer heftig rußenden Fackel erhellt war. Wortlos deutete er auf das Bett und Mike ließ sich ebenso wortlos darauf niedersinken.

Kaum hatte sein Kopf das harte Kissen berührt, da musste er auch schon mit aller Gewalt gegen den Schlaf ankämpfen. Er wusste, dass er sich trotz allem noch keine Ruhe gönnen konnte; Singh würde zweifellos in wenigen Augenblicken kommen, um

allein mit ihm zu reden. Trotzdem kostete es ihn all seine Wil

lenskraft nicht einzuschlafen.

Er wurde auch nicht enttäuscht. Es verging nicht viel Zeit, da wurde der Vorhang vor der Tür zurückgeschlagen und der Inder kam herein. »Schläfst du schon?«, fragte er leise.

»Tief und fest«, antwortete Mike. »Aber ich habe einen furchtbaren Albtraum. Er dauert schon ziemlich lange und ich weiß nicht, wie ich daraus aufwachen soll.«

»Es ist schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast«, sagte Singh, ohne dass sich auch nur die Spur eines Lächelns auf seinem Gesicht gezeigt hätte. Er warf noch einen suchenden Blick durch den Vorhang nach draußen, wie um sich zu überzeugen, dass sie auch tatsächlich nicht belauscht wurden, dann kam er auf Mike zu, machte aber eine abwehrende Bewegung, als Mike sich erheben wollte.