Astaroth hörte auf sich zu putzen und funkelte ihn aus seinem einzigen Auge wütend an.Witzbold!fauchte er.Es war schwer genug, euch zu finden. Euer Versteck war ziemlich gut.
»Offensichtlich nicht gut genug«, antwortete Mike.
»Sonst hätten Argos’ Leute uns nicht aufgespürt. Ich verstehe nicht, wie sie uns aufspüren konnten! Hier unten ist genug Platz, um eine ganze Armee zu verstecken!«
Ganz einfach,antwortete Astaroth.Ihr habt einen Verräter unter euch.
»Wie?«, fragte Mike ungläubig.
Es ist die Wahrheit,antwortete Astaroth.Ich habe ein paar der Krieger belauscht. Von ihnen habe ich überhaupt erst erfahren, wo ihr seid.
»Wer ist es?«, fragte Mike.
Astaroth versuchte ein menschliches Achselzucken nachzuahmen. Es war nicht das erste Mal, dass er das versuchte, und das Ergebnis fiel auch diesmal so lächerlich aus wie zuvor.Woher soll ich das wissen?
»Was soll das heißen: Woher soll ich das wissen?«, wiederholte Mike. »Ich denke, du kannst Gedanken lesen?«
Hmm,machte Astaroth.
»Hmm?« Mikes Geduld war endgültig erschöpft. Wütend griff er nach dem Kater, packte ihn mit beiden Händen und schüttelte ihn wild. »Jetzt hör endlich auf den Geheimnisvollen zu spielen und erzähl mir gefälligst, was hier vorgeht!«
Es wäre Astaroth ein Leichtes gewesen, sich aus Mikes Griff zu befreien. Aber er tat es nicht, sondern beschränkte sich nur darauf, sich mit den Hinterläufen abzustemmen, damit seine Zähne nicht aufeinander schlugen.
Ich spiele nicht den Geheimnisvollen,protestierte er.Ich habe meine eigenen Probleme. Verdammt, es war schwer genug, dich zu finden! Was glaubst du wohl, warum ich erst nach drei Monaten aufgetaucht bin!
Mike ließ den Kater überrascht los. »Wie ... meinst du das?«
Astaroth antwortete nicht gleich, sondern brachte sich hastig aus Mikes Reichweite und beäugte ihn misstrauisch.
Früher warst du nicht so grob zu mir!beschwerte er sich.
»Früher waren auch nicht alle meine Freunde verschwunden und die NAUTILUS in den Händen eines verrückten Tyrannen«, antwortete Mike – allerdings in nicht annähernd so zornigem Ton, wie er eigentlich vorgehabt hatte. Ganz im Gegenteil meldete sich sein schlechtes Gewissen. Astaroth hatte Recht: Er war nie zuvor handgreiflich gegenüber dem Kater geworden.
Die Wahrheit ist, dass ich keine Gedanken mehr lesen kann,
sagte Astaroth plötzlich. »Wie?«, fragte Mike erschrocken.
Irgendetwas hier in Lemura nimmt mir meine Fähigkeiten,bestätigte Astaroth zerknirscht.Es ist wie damals auf der Insel. Ich kann die Gedanken der Leute hier ebenso wenig lesen, wie ich die Argos’ lesen konnte. Selbst bei dir habe ich Mühe. Ich kann dich nur verstehen, wenn ich nahe genug bin.
»Deshalb weißt du auch nicht, wo die anderen sind«, sagte Mike leise.
Ja. Ich habe versucht, Serena zu finden, aber es ist mir nicht gelungen. Danach habe ich mich auf die Suche nach dir gemacht. Es war verdammt schwer. Du hast es ja selbst gesagt: Die Leute hier haben ein Wesen wie mich noch nie zuvor gesehen. Ich musste sehr vorsichtig sein.
»Du hast wirklich keine Ahnung, wo Serena ist?«, fragte Mike.
Wenn ich die hätte, wäre ich nicht hier, sondern bei ihr,antwortete Astaroth patzig.Aber ich nehme an, dass Argos sie irgendwo in seinem Palast gefangen hält.
»Du hast dich nicht davon überzeugt?«
Ich komme nicht hinein,gestand Astaroth kleinlaut.Frag
mich bloß nicht, wieso. Jedes Mal, wenn ich versuche, mich ihm auch nur zu nähern ... kann ich es einfach nicht.
Singh kam zurück. »Die Luft ist rein«, sagte er. »Aber es gibt schlechte Neuigkeiten. Offenbar sind nicht alle entkommen. Ich habe eine Gruppe Krieger gesehen, die Gefangene in Richtung Palast gebracht haben.«
»War Sarn bei ihnen?«, fragte Mike erschrocken.
Singh hob die Schultern. »Das konnte ich nicht erkennen. Ich verstehe einfach nicht, wie sie uns aufspüren konnten. Sarns Leute benutzen dieses Versteck seit einem Jahr!«
»Es gibt einen Verräter unter ihnen«, sagte Mike. »Astaroth hat es mir erzählt.«
Singh blickte den Kater erschrocken an. »Bist du sicher? Konntest du seinen Namen heraus ...« Plötzlich stockte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wir können später darüber nachdenken. Lass uns jetzt gehen. Der Weg bis zum Kristallwald ist ziemlich weit.«
Zumindest in dieser Hinsicht hatte Singh übertrieben. Es lag in der Natur Lemuras, dass nichts hier wirklich weit war, und sie hatten sich, während sie durch das unterirdische Labyrinth wanderten, bereits wieder ein gutes Stück von der Stadt entfernt. Sie brauchten jedoch weit mehr als zwei Stunden, um zu ihrem Ziel zu gelangen, denn die Zeit war gegen sie: Nach der Zeitrechnung Lemuras musste ungefähr Mittag sein, was bedeutete, dass sie die meiste Zeit in Gebüsche gekauert oder hinter Felsen geduckt dahockten, um nicht entdeckt zu werden. Als sie den Kristallwald endlich erreichten, war der mit Sarn verabredete Zeitpunkt längst vorbei. Weder von Sarn noch von irgendeinem der anderen, die sie unten in den Höhlen getroffen hatten, war auch nur eine Spur zu sehen.
»Ob sie alle erwischt haben?«, fragte Mike niedergeschlagen.
»Ich hoffe nicht«, antwortete Singh. Dann schüttelte er den Kopf und sagte lauter und in überzeugterem Ton: »Ich glaube es nicht. Bei den Kriegern, die ich gesehen habe, waren nur einige wenige Gefangene. Die meisten sind bestimmt entkommen. So leicht lässt sich ein Mann wie Sarn nicht einfangen. Wartet hier. Ich sehe mich ein wenig in der Umgebung um. Und gebt Acht, dass euch niemand sieht.«
Mike nickte. Astaroth und er zogen sich in den Schutz eines Gebüsches zurück, während Singh mit schnellen Schritten verschwand, um nach Sarn oder einem der anderen Entkommenen zu suchen.
Mike sah sich mit klopfendem Herzen um. Nach Sarns Worten hatte er sich unter diesem Wald etwas gänzlich anderes vorgestellt. Er wusste nicht, was – ganz gewiss keinen Wald, der wirklich aus Kristallen bestand – aber irgendetwas Besonderes eben. Das kleine Waldstück, in dem sie sich befanden, sah jedoch ganz normal aus.
»Warum man es wohl Kristallwald nennt?«, murmelte Mike.
Er bekam keine Antwort, aber ihm fiel auf, dass Astaroth nicht einmal in seine Richtung sah. Und das, obwohl der Kater normalerweise nie eine Gelegenheit ausließ, um eine seiner gehässigen Bemerkungen loszulassen. Er saß einfach da, leckte
sich die Vorderpfoten und tat so, als wäre Mike gar nicht da. »Astaroth?«, fragte Mike. Astaroth reagierte nicht. »Habe ich dich irgendwie beleidigt?«, fragte Mike. Astaroth reagierte immer noch nicht. Seine Ohren zuckten, aber er fuhr seelenruhig fort, sich die Pfoten
zu lecken. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Mike beugte sich vor, streckte die Hand nach dem Kater
aus und berührte ihn vorsichtig am Kopf. Astaroth fauchte erschrocken, prallte mit einem Satz zurück und schlug nach ihm. Seine Krallen hinterließen lange, blutige Kratzer auf Mikes Hand.
»Au!«, schrie Mike – allerdings weit mehr überrascht als wirklich zornig. Trotzdem fügte er noch hinzu: »Bist du verrückt geworden?« Er sprang hoch, machte einen Schritt auf Astaroth zu und blieb wieder stehen, als der Kater einen Buckel