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entbehrten nicht nur jeder Grundlage, sie taten weh. Mike antwortete nicht darauf, sondern drehte sich wortlos herum und starrte zu Boden. Hinter ihm raschelte etwas. Mike hob den Blick und erwartete Astaroth wieder zu sehen, der sich

möglicherweise beruhigt hatte und zurückkam. Statt des Katers jedoch stand plötzlich Sarn wie aus dem

Boden gewachsen vor ihnen. »Das war ein äußerst interessanter Vortrag«, sagte er an Singh gewandt. »Ich beginne mich allmählich zu fragen, ob unser

Anführer nicht in Wirklichkeit auf der Seite unserer Feinde steht.« Singh funkelte ihn zornig an, antwortete aber zu Mikes Überraschung nicht darauf, sondern sagte

stattdessen: »Wo warst du so lange?« »Oh, ich bin schon eine ganze Weile hier«, antwortete Sarn. »Ich dachte mir, dass es vielleicht nicht das

Dümmste wäre, einmal zuzuhören, was du und dein Freund zu bereden haben, wenn ihr glaubt, alleine zu sein. Wie sich gezeigt hat, zu Recht. Und wir haben dir vertraut!« »Ich habe euch nie versprochen –«, begann Singh, aber Sarn hörte ihm gar nicht mehr zu, sondern

wandte sich an Mike. »War das die Wahrheit, was du gerade zu ihm gesagt hast?«, fragte er. »Was?«

»Dass ihr Argos und den anderen geholfen hättet, von hier zu entkommen?« »Selbstverständlich«, antwortete Mike. Sarn zögerte. Er warf einen raschen, unsicheren Blick in Singhs Richtung, ehe er fortfuhr: »Würdet ihr

dasselbe auch ... auch für uns tun, wenn wir euch darum bitten würden?« »Sogar, wenn ihr unsnichtdarum bitten würdet«, sagte Mike überzeugt. »Versprich nichts, was du nicht halten kannst«, sagte Singh. »Wie stellst du dir das vor? Willst du

zwanzigtausend Menschen an Bord der NAUTILUS schaffen? Dazu ist sie ein bisschen zu klein.« »Dann fahren wir eben mehrmals«, antwortete Mike verärgert. Was war nur mit Singh los? »Ach, und wie oft? Zehnmal? Zwanzigmal?« »Wenn es sein muss, fünfzigmal!«, erwiderte Mike wütend. »Wir werden schon einen Weg finden! Was

ist los mit dir, Singh?Willstdu diesen Leuten hier nicht helfen?«

»Ich will vor allem keine falschen Hoffnungen erwecken!«, antwortete Singh in ungewohnt scharfem Ton. »Was du vorhast, ist unmöglich!« »Wieso?«, fragte Sarn. »Was Mike vorschlägt, ist nicht zu schaffen«, antwortete Singh. »Es hat nichts damit zu tun, ob wir euch

helfen wollen oder nicht. Es geht nicht. Die NAUTILUS ist nicht groß genug, um auch nur einen Bruchteil der Bewohner Lemuras an Bord zu nehmen. Und wir können nicht zehnmal fahren. Du wirst es wahrscheinlich nicht verstehen, aber eure Welt liegt auf dem Grunde des Meeres. Der Wasserdruck in dieser Tiefe ist unvorstellbar. Es ist ein Wunder, dass die NAUTILUS es einmal hier herunter geschafft hat!«

»Und wer sagt dir, dass –«, begann Sarn. Er kam nicht weiter. Irgendetwas ... Gewaltiges geschah. Mike spürte es den Bruchteil einer Sekunde, bevor es wirklich passierte. Einen Moment später begann der Boden unter ihren Füßen zu zittern und

dann ertönte ein unheimliches, knirschendes Geräusch, ein Laut, als führe der größte Fingernagel der Welt über eine noch viel größere Glasscheibe. Und es kam vonoben!Mike, Singh und der Krieger warfen erschrocken die Köpfe in den Nacken. Der Anblick, der sich ihnen

bot, ließ Mike das Herz stocken. Der künstliche Himmel über ihnen ... bewegte sich! Die gesamte, riesenhafte Kuppel hatte zu zittern begonnen. Teile des ungeheuerlichen Gebildes schoben

sich knirschend gegeneinander, bewegten sich hin und her und dann entstand im Zenit des künstlichen Himmelsgewölbes ein scheinbar haarfeiner Riss, aus dem rauchiger Dunst quoll.

Mike hatte jedoch keine Sekunde lang die Dimension der Kuppelstadt vergessen. Der künstliche Himmel befand sich mehrere Kilometer über ihnen. Was wie ein haardünner Riss aussah, musste in Wahrheit ein meterbreiter Spalt sein, durch den das Wasser mit unvorstellbarer Gewalt hereindrang. Singhs Prophezeiung hatte sich schneller erfüllt, als er vermutlich selbst geahnt hatte. Die Kuppel über Lemura brach zusammen und der Ozean strömte herein!

»Großer Gott!«, flüsterte Mike. »Sarn! Die Kuppel!« »Warte«, sagte Sarn. Er wirkte angespannt, aber eigentlich nicht in Panik. Er schien nicht einmal wirklich Angst zu haben.

Mike sah wieder nach oben. Was im ersten Moment wie grauer Dunst ausgesehen hatte, war mittlerweile zu einer Sturzflut aus Meereswasser geworden, die sich in der Kuppel verteilte und zu eisigem Regen wurde, ehe sie den Boden erreichte.

Dann jedoch geschah etwas, was Mike noch viel unglaublicher erschien. Der unvorstellbare Wasserdruck, der in dieser Tiefe herrschte, hätte den Riss binnen Sekunden erweitern und die Kuppel zerbersten lassen müssen. Doch das genaue Gegenteil geschah: Vor Mikes ungläubig aufgerissenen Augen begann sich der Riss zu schließen und der Wasserstrom versiegte!

»Aber ... aber wie ist denn das möglich!«, stammelte Mike. Sein Herz jagte und er zitterte am ganzen Leib. Auch wenn es ihm nicht bewusst gewesen war, so hatte er doch in den letzten Sekunden innerlich praktisch mit dem Leben abgeschlossen.

»Die Kuppel repariert sich selbst«, sagte Singh leise. »Ich sagte dir doch: Die Technik der alten Atlanter war der unseren grenzenlos überlegen. Wäre es anders, hätte die Kuppelstadt kaum zehntausend Jahre lang existiert.«

»Soll das heißen, dass das schon öfter passiert ist?«, fragte Mike.

»Dreimal, allein seit ich hier bin«, antwortete Singh.

»Das stimmt«, fügte Sarn leise hinzu. »Und es wird jedes Mal schlimmer.«

»Das ist es, was ich meine«, sagte Singh. Er zögerte eine Sekunde weiterzusprechen, und als er es schließlich tat, klang seine Stimme hörbar härter und er sah demonstrativ an Sarn vorbei. »Lemura ist zum Untergang verurteilt und keine Macht der Welt kann daran noch etwas ändern. Auch du nicht.«

»Vielleicht stimmt es«, murmelte Sarn nach einer Weile. Seufzend ließ er sich neben Mike auf einen Felsen sinken und starrte ins Leere. »Wir wussten immer, dass Lemura eines Tages untergehen wird. Aber natürlich haben wir gedacht, dass esirgendwanneinmal geschehen würde. In der nächsten Generation oder der übernächsten ... nur nicht jetzt.«

Er seufzte erneut, legte den Kopf in den Nacken und sah zu der Stelle im Kuppeldach empor, an der das Wasser eingebrochen war. Der Sprühregen aus Salzwasser hatte wieder aufgehört, aber Mike glaubte plötzlich so deutlich wie nie zuvor das Gewicht der Millionen und Abermillionen Tonnen Wasser zu spüren, das darauf lastete.

»Es sieht so aus, als hätten wir uns geirrt«, murmelte Sarn.

Die Worte machten Mike wütend, auch wenn er im ersten Moment selbst nicht genau wusste, warum. »Wenn du wirklich so denkst, dann frage ich mich, warum du das alles überhaupt getan hast!«, sagte er scharf. »Warum bist du nicht einfach der Krieger der Palastwache geblieben, der du warst, und hast auf den Tag gewartet, an dem euch der Himmel auf den Kopf fällt?«

Sarn blinzelte. Mikes Zornesausbruch irritierte ihn sichtlich. Aber er sagte nichts.

Nach einer Weile erhoben sie sich schweigend und gingen.

Für mehr als eine Stunde bewegten sie sich in die Richtung zurück, aus der Mike und Sarn vor zwei Tagen gekommen waren, und Mike begann sich schon zu fragen, ob der Krieger ihn vielleicht wieder geradewegs in die Korallenbrüche zurückbringen würde, in denen alles begonnen hatte. Dann aber wich Sarn in nahezu rechtem Winkel von seinem Kurs ab und nach kurzer Zeit standen sie vor einer gewaltigen, lotrecht in die Höhe strebenden Felswand, die sich nahezu am Rande der Kuppelstadt befinden musste.