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»Wir haben Hilfe«, flüsterte Mike. Laut und mit einer Geste auf einige der neuen Instrumente fügte er hinzu: »Sind diese Geräte funktionstüchtig, Herr?«

»Hundertprozentig«, antwortete Trautman ebenso laut. »Die NAUTILUS ist in besserem Zustand denn je. Sobald ...Argosund die anderen hier sind, können wir aufbrechen.« Er wirkte total verstört, was Mike gut verstehen konnte. Aber solange die beiden Krieger in ihrer Hörweite waren, konnten sie es nicht wagen, offen zu reden.

Erneut bewies Trautman jedoch, dass er noch immer über einen scharfen Verstand verfügte. »Sprichst du die Technikersprache, Kerl?«, fragte er barsch. Dann wiederholte er dieselbe Frage auf Deutsch, seiner Muttersprache, die auch Mike – zwar nicht überragend, aber doch einigermaßen – beherrschte.

Mike nickte überrascht. Einer der Krieger kam wieder näher und fragte misstrauisch: »Was soll das? Redet so, dass wir euch verstehen!«

»Das ist viel zu umständlich«, erwiderte Trautman. »Die Technikersprache ist präziser und viel kürzer. Wir haben nicht

viel Zeit. Du kannst dich ja bei Talan beschweren, wenn er zurück ist.«

Der Krieger zögerte. Er war wütend, aber Mike registrierte auch überrascht, dass er einen gewissen Respekt vor Trautman zu haben schien. Schließlich sagte er trotzig: »Darauf kannst du dich verlassen.«

Trautman schenkte ihm noch einen abfälligen Blick, dann wandte er sich wieder an Mike: »Wir haben höchstens eine halbe Stunde, bevor Talan zurück ist – wahrscheinlich mit einer ganzen Armee«, sagte er, nun wieder auf Deutsch. Während er sprach, deutete er immer wieder heftig auf die Instrumente hinab und seine Stimme verlor auch nicht ihren herrischbefehlenden Ton. »Was ist passiert? Wo kommst du jetzt her und was ist das für eine Geschichte mit Singh und den anderen?«

Mike beugte sich tiefer über das Pult und machte eine übertrieben deutlich fragende Geste, während er gleichzeitig mit möglichst knappen Worten versuchte, Trautman zu erzählen, was seit jenem Morgen im Korallenbruch geschehen war, an dem er sein Gedächtnis zurückerlangt hatte. Trautman hörte schweigend zu, aber sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich zusehends. Mike vermochte nicht zu sagen, ob aus Bestürzung über das Gehörte oder aus mangelnder Begeisterung über ihren Plan die NAUTILUS zu stehlen.

»Das gefällt mir nicht«, sagte er, als Mike geendet hatte. »Ich habe Serena nicht gesehen, seit wir Lemura erreicht haben und getrennt wurden, aber ich weiß, dass er sie wie einen Kronschatz bewachen lässt. Singh wird sie niemals finden.«

»Vielleicht doch«, antwortete Mike. »Sarn war Argos’

Vertrauter. Der Kommandeur seiner Leibwache. Wenn

jemand sie finden kann, dann er.«

»Was redet ihr da von Sarn und Argos?«, fragte der Posten misstrauisch. »Ich will nicht, dass ihr in dieser Sprache sprecht.«

»Der Junge hat mir erzählt, dass Sarn verschwunden ist«, antwortete Trautman in eindeutig schadenfrohem Tonfall. »Anscheinend verlassen die Ratten das sinkende Schiff.«

»Ich an deiner Stelle würde nicht so reden«, sagte der Krieger wütend. »Argos wird nicht begeistert sein, wenn ich ihm davon erzähle.«

»Und noch viel weniger, wenn ich ihm erzähle, warum die Vorbereitungen für das Auslaufen noch nicht abgeschlossen sind«, sagte Trautman. »Also halt uns nicht länger auf.« An Mike gewandt fuhr er fort: »Wir müssen uns beeilen. Argos und die anderen werden in einer Stunde hier sein. Dann müssen die Vorbereitungen beendet sein.«

Mike beugte sich erneut über das Pult und tat so, als wäre er mit irgendetwas furchtbar beschäftigt. Der Krieger beäugte sie noch einen Moment lang argwöhnisch, wandte sich dann aber wieder um. Jetzt, wo sie wieder in einer Sprache redeten, die auch er verstand, schien sein Misstrauen teilweise besänftigt.

Trautman betätigte ein paar Schalter auf dem Pult. Überall ringsum begannen plötzlich kleine bunte Lämpchen zu flackern und Mike spürte, wie tief im Rumpf der NAUTILUS die Motoren ansprangen. Ihr Geräusch hatte sich verändert. Sie klangen jetzt viel kraftvoller, dabei aber zugleich viel ruhiger. Sein Erstaunen blieb Trautman nicht verborgen. »Talan und die anderen Ingenieure haben wirklich ganze Arbeit geleistet«, sagte

er. »Die NAUTILUS ist jetzt beinahe doppelt so schnell wie

zuvor und kann viel tiefer tauchen. Ich hoffe nur, es reicht.«

Der besorgte Ton, in dem Trautman die letzten Worte aussprach, gefiel Mike nicht. Aber er wagte es nicht, eine entsprechende Frage zu stellen. Die Wachen hörten ihnen immer noch zu.

Ein heftiger Ruck ging durch den Rumpf der NAUTILUS. Auf dem Kontrollpult begann ein Dutzend kleiner Lämpchen zu flackern und erlosch wieder. Trautman fluchte, legte einen Schalter um und auf dem neuen Teil des Kommandopultes leuchtete ein kleiner Bildschirm auf, der die Umgebung der NAUTILUS und den gemauerten Steg zeigte. Draußen herrschte ein heilloses Durcheinander. Das Wasser des Hafenbeckens war aufgewühlt. Die NAUTILUS tanzte auf meterhohen Wellen und selbst der gemauerte Steg zitterte so heftig, dass die meisten Sklaven, die sich darauf befunden hatten, mit hektischen Bewegungen um ihr Gleichgewicht kämpften. Einige waren gestürzt und ein paar sogar ins Wasser gefallen.

»Es wird schlimmer«, sagte Trautman besorgt. »Die Beben kommen in immer kürzeren Abständen. Ich weiß nicht, wie lange die Kuppel noch hält.«

»Aber wieso?«, murmelte Mike. »Ausgerechnet jetzt! Das kann doch kein Zufall sein!«

»Ist es auch nicht«, antwortete Trautman düster. »Diese ganze Konstruktion hätte schon vor Jahrtausenden zusammenbrechen müssen. Nur die unermüdliche Ingenieurkunst von Argos’ Technikern hat den Verfall bisher aufgehalten – sie und die magischen Kräfte Argos’. Aber seit wir hier sind, haben sie all

ihre Kräfte darauf konzentriert, die NAUTILUS zu reparieren

und umzubauen. Das Ergebnis siehst du dort draußen. Lemura wird untergehen. Vielleicht schon heute.«

»Das ... das kann ich nicht glauben«, murmelte Mike. »All diese Menschen hier werden sterben, wenn die Kuppel zusammenbricht!«

»Das ist Argos vollkommen egal«, antwortete Trautman. »Sie sind ihm gleich. Wenn er und die anderen Mitglieder der herrschenden Kaste in Sicherheit sind, können sie seinetwegen ruhig sterben. Sie waren ohnehin nicht mehr als ...Werkzeugefür ihn.«

Trautman erzählte ihm im Grunde nichts Neues und trotzdem war Mike zutiefst erschüttert. Das Allerschlimmste war und blieb aber das Gefühl der Hilflosigkeit. Das Wissen, absolut nichts für die Menschen hier in Lemura tun zu können, war beinahe mehr, als er ertrug.

Er sah wieder auf den Bildschirm. Das tobende Wasser begann sich zu beruhigen und die Sklaven hatten ihre Packstücke wieder aufgehoben und setzten ihre Arbeit fort, als wäre nichts geschehen. Beherrscht von Argos’ Magie begriffen sie wahrscheinlich nicht einmal die Gefahr, in der sie alle schwebten. Und vielleicht, dachte Mike niedergeschlagen, ist es sogar besser so. Sie konnten diese Menschen nicht retten. Warum also sollten sie ihre letzten Stunden in Todesangst verbringen?

Die Zeit verstrich quälend langsam. Die Stunde, von der

Trautman dem Krieger gegenüber gesprochen hatte, war vermutlich noch lange nicht verstrichen, aber Mike kam es so vor, als hätte es mindestens zehnmal so lange gedauert. Wie es Ben und den anderen in ihrem winzigen Versteck unten im Rumpf der NAUTILUS ergehen mochte, wagte sich Mike nicht einmal vorzustellen. Er sah immer öfter auf den kleinen Bildschirm. Doch weder Singh und Serena noch Argos und seine Leute tauchten auf dem Steg auf. Nur die Kette der Sklaven, die Vorräte und Waren an Bord des Schiffes brachten, nahm kein Ende.