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Das Auftauchen des Monsters löste eine Panik aus. Die Menschen flohen entsetzt, wobei sie sich rücksichtslos gegenseitig niederrempelten und die aus dem Weg stießen, die das Pech hatten, nicht schnell genug laufen zu können. Nach wenigen Augenblicken waren Mike, die drei anderen Jungen und Astaroth mit dem Haifischmann allein. Das Wesen sah den Fliehenden einen Moment lang aus seinen unheimlichen Fischaugen nach, dann drehte es sich langsam herum und machte einen Schritt in Mikes Richtung. Hinter ihm trat ein weiterer grauer Riese aus der Schleusenkammer und Mike glaubte zu sehen, dass sich hinter diesem noch mehr Haifischmänner in der Tauchkammer aufhielten. Trautman musste entweder vergessen haben, die äußere Schleusenkammer zu schließen – oder die Geschöpfe waren in der Lage, den komplizierten Mechanismus zu bedienen.

Astaroth trat mit lautlosen Schritten neben ihn und sah aus einem gelb leuchtenden Auge zu dem Haifischwesen auf.

Ist wieder alles in Ordnung mit dir?fragte Mike in Gedanken.

Wieder?fragte Astaroth.Was soll das bedeuten?

Astaroth erinnerte sich offensichtlich nicht mehr daran, wieder einen kurzzeitigen Gedächtnisverlust erlitten zu haben, und Mike sprach ihn auch nicht darauf an. Jetzt war wirklich nicht der richtige Moment dafür.

Das Haifischwesen kam näher. Sein Blick glitt taxierend über Mikes Gesicht, löste sich von ihm und glitt dann über die Gesichter der drei anderen.

Kannst du seine Gedanken lesen?fragte Mike.

Nein,antwortete Astaroth.Aber ich ...spüreirgendwie, was in ihm vorgeht. Du brauchst keine Angst vorihm zu haben. Er ist nicht feindselig. Nur verwirrt.

Das Geschöpf trat einen weiteren Schritt auf ihn zu, blieb wieder stehen und drehte sich dann mit einem Ruck um. Im allerersten Moment hoffte Mike, dass es zurück in die Tauchkammer gehen würde, um das Schiff auf demselben Weg wieder zu verlassen, auf dem es gekommen war. Stattdessen jedoch öffnete sich die Tür noch mehr und zwei weitere Wächter traten hinaus.

»Sie ... sie wollen in den Salon!«, begriff Mike. »Nichts wie hinterher! Wenn sie auf Sarn und seine Leute treffen, geschieht eine Katastrophe!«

Astaroth raste auf der Stelle los, während Mike versuchte, Ben, Chris und Juan gleichzeitig vor sich herzuscheuchen. Obwohl sie mehr stolperten als gingen, holten sie die drei Wächter noch vor der Treppe ein und drängelten sich an ihnen vorbei. Mikes Herz klopfte bis zum Hals, als er den unheimlichen Geschöpfen dabei ganz nahe kam, aber die drei anderen zeigten nicht einmal eine Spur von Furcht.

Sie rasten die Wendeltreppe hinauf, legten einen kurzen Endspurt ein und stolperten hintereinander in den Salon. Trautman stand noch immer hinter den Kontrollinstrumenten, während Singh und Sarn nebeneinander vor dem Fenster standen und gebannt hinaussahen. Serena saß auf dem Sofa auf der anderen Seite des großen Raumes und Astaroth war auf ihren Schoß gesprungen, hopste aufgeregt herum und miaute in hohen, fast hysterischen Tönen. Mike hatte eine vage Vorstellung davon, was der Kater versuchte, aber er war ziemlich sicher, dass seine Zeit nicht ausreichen würde.

»Es werden immer mehr«, murmelte Singh. »Was haben sie vor?«

Mike sah an ihm und Sarn vorbei aus dem Fenster. Die Zahl der Haifische war ins Unermessliche gestiegen, sodass man den Ozean dahinter kaum noch erkennen konnte. Sie bildeten eine regelrechte Mauer vor der NAUTILUS.

»Vielleicht sollten wir weiterfahren«, murmelte Sarn. »Nur ganz vorsichtig.«

»Nein!«, sagte Mike rasch. Sarn, Trautman und Singh sahen ihn fragend an und Mike fügte mit einer nervösen Geste zum Fenster hinzu: »Wenn wir das tun, greifen sie an. Sie sind unschlüssig. Sie wissen nicht, was sie tun sollen.«

»Woher willst du das wissen?«, fragte Sarn. »Niemand kann sagen, was –«

Er verstummte mit einem scharfen, erschrockenen Laut und Singhs Augen weiteten sich entsetzt, als sein Blick auf die Gestalt hinter Mike fiel. Mike musste sich nicht herumdrehen, um zu wissen, was er und der Lemurer sahen.

»Nicht bewegen!«, keuchte er. »Sarn, mach keinen Fehler! Sie tun uns nichts!«

Die drei Haifischwesen bewegten sich langsam an ihm vorbei und weiter in den Raum hinein. Sarn zog abermals scharf die Luft ein und konnte einfach nicht mehr anders als einen Schritt vor den grauen Kolossen zurückzuweichen, und auch Singh versteifte sich sichtbar. Anders als Ben, Juan und Chris hatte er eindeutig Angst vor den Wächtern.

Es war, als bliebe die Zeit stehen. Zwei der Haifischmänner nahmen links und rechts der Tür Aufstellung, während der dritte mit langsamen Schritten auf Singh und die beiden anderen zuging. Sarn wich zitternd vor Furcht weiter zurück, bis er mit dem Rücken gegen das Fenster stieß. Singhs Blick flackerte. Auch er konnte sich kaum noch beherrschen und selbst Trautman war so weit hinter sein Kommandopult zurückgewichen, wie er nur konnte. Mike hatte selten so große Angst auf dem Gesicht eines Menschen gesehen wie jetzt auf dem Trautmans. Ganz verständlich waren ihm seine und Singhs Reaktion allerdings nicht. Schließlich hatten die beiden mit eigenen Augen gesehen, dass die Haifischmänner ihnen nichts zu Leide taten, sondern ihnen ganz im Gegenteil halfen, wenn sie in Gefahr waren.

»Sie werden uns nichts tun!«, sagte Mike noch einmal. Selbst in seinen eigenen Ohren klangen die Worte nicht überzeugend, sondern eher beschwörend. Was, wenn er sich irrte? Als sie die Armee der grauen Wächter das erste Mal passiert hatten, da waren an Bord der NAUTILUS drei Lemurer und sieben Menschen gewesen. Damals hatten die künstlich erschaffenen Geschöpfe darauf verzichtet, das Schiff anzugreifen. Jetzt befanden sich sieben Menschen und mehr alszweihundertLemurer an Bord des Schiffes. Vielleicht waren es einfach zu viele. Trautmans Fluchtplan basierte auf der Annahme, dass die Anwesenheit unbeteiligter Menschen an Bord der NAUTILUS die Wächter von einem Angriff abhalten würde. Wenn er sich geirrt hatte, dann würden sie diesen Irrtum alle mit dem Leben bezahlen.

Astaroth stieß ein hohes, fast klägliches Wimmern aus – und dann tat er etwas vollkommen Verrücktes: Er sprang mit einem einzigen Satz von Serenas Schoß hinunter und raste auf den Haifischmenschen zu, als wollte er ihn attackieren. Im allerletzten Moment wich er zur Seite, wirbelte herum und rannte zu Serena zurück. Der Wächter starrte ihm aus seinen unheimlichen Fischaugen nach, drehte sich mit einer schwerfällig wirkenden Bewegung ganz herum und tapste auf Serena zu.

»Was ... was tut er?«, stammelte Singh.»Mike!«

Mike reagierte ohne zu denken. Seine Logik sagte ihm zwar, dass das Geschöpf keine Gefahr für Serena darstellte, aber was er sah, schien das genaue Gegenteil zu bedeuten: Serena saß noch immer mit leeren Blicken da, Astaroth gebärdete sich wie wild, machte einen Buckel, spuckte und fauchte und das mehr als zwei Meter große Ungeheuer bewegte sich unaufhaltsam auf sie zu; eine Kreatur, deren bloßer Anblickuralte, angeborene Ängste in ihm wachrief, gegen die er einfach hilflos war. Mit einem gellenden Schrei stürzte er sich auf den Haifischmann.

Der Wächter machte eine fast nachlässige Bewegung mit der linken, krallenbewehrten Hand und Mike wurde hilflos durch den Raum geschleudert und prallte so hart gegen die Wand, dass er für einen Moment nur noch bunte Sterne sah.