WOLFGANG HOHLBEIN
KAPITÄN NEMOS KINDER
DIE STADT UNTER DEM EIS
UEBERREUTER
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Hohlbein, Wolfgang:
Kapitän Nemos Kinder / Wolfgang Hohlbein. - Wien : Ueberreuter Die Stadt unter dem Eis. – 2000
ISBN 3-8000-2626-0
J 2434/1 Alle Urheberrechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe in jeder Form, einschließlich einer Verwertung in elektronischen Medien, der reprografischen Vervielfältigung, einer digitalen Verbreitung und der Aufnahme in Datenbanken, ausdrücklich vorbehalten. Umschlag von Doris Eisenburger
Gesetzt nach der neuen Rechtschreibung
Copyright 2000 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien Printed in Austria
1357642 Ueberreuter im Internet: www.ueberreuter.deAutor: Wolfgang Hohlbein,geboren in Weimar, lebt heute mit seiner Familie in der Nähe von Düsseldorf. Für sein Erstlingswerk »Märchenmond«, ein phantastischer Roman, den er gemeinsam mit seiner Frau Heike schrieb, erhielt er 1982 den ersten Preis des vom Verlag Ueberreuter veranstalteten Wettbewerbs zum Thema Science Fiction und Phantasie. Außerdem erhielt dieser Titel 1983 den »Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar« und den »Preis der Leseratten«.
In der Reihe »Kapitän Nemos Kinder« bisher erschienen: Die Vergessene Insel Das Mädchen von Atlantis Die Herren der Tiefe Im Tal der Giganten Das Meeresfeuer Die Schwarze Bruderschaft
Die Stadt unter dem Eis
Weitere Bände in Vorbereitung.
Kurzbeschreibung:
Ein Notruf aus Grönland schreckt die Besatzung der Nautilus auf. Eine Gruppe von Forschern scheint in Schwierigkeiten zu sein. Mit einem Hundeschlitten machen sich Mike und Trautman zu dem Ort auf, von dem der Notruf gesendet wurde, und kommen zum 'Berg der Geister', wie die Inuit ihn nennen. Als sie in den eisbedeckten Berg eindringen, machen sei eine atemberaubenden Entdeckung ... die sie alle vernichten kann.
»Das lerne ich nie!« Chris
schüttelte den Kopf, zog eine Grimasse und blickte niedergeschlagen auf das Blatt, das auf dem Pult vor ihm lag. Es war nur eines von zahlreichen Blättern, die er im Laufe der letzten beiden Stunden mit seiner winzigen, gestochen scharfen Handschrift bedeckt hatte. Leider war das,waser geschrieben hatte, ebenso präzise vollkommen unleserlich. Buchstabensalat, der nur so aussah, als ob er einen Sinn ergäbe, es aber nicht tat.
»Wer wird denn so schnell aufgeben?«, fragte Ben spöttisch. »Du musst nur ein paar Jahre fleißig üben. Ich habe es schließlich auch gelernt.«
Chris schob den Kopfhörer nach hinten und sah Ben ärgerlich an. »Werde ich dann auch so wie du?«, fragte er spitz. »Ich meine, wenn ja, dann verzichte ich lieber darauf.«
Ganz gegen seine normale Gewohnheit ging Ben nicht auf die Provokation ein, sondern lachte nur meckernd, drehte sich auf dem Absatz herum und verließ den Salon. Mike blickte ihm stirnrunzelnd nach. Ben war schon den ganzen Tag ausgezeichneter Laune. Und wenn Ben guter Laune war, dann war das für den Rest der Besatzung immer ein Grund, ganz besonders vorsichtig zu sein.
»Ich lerne das nie«, sagte Chris noch einmal. »Und wozu überhaupt? Kein Mensch benutzt heute noch das Morsealphabet! Wozu gibt es schließlich Funk?«
»Sehr vieleMenschen benutzen noch das Morsealphabet«, korrigierte ihn Mike. »Sogar die meisten – wenigstens auf See.
Oder glaubst du, all die kleinen Fischerboote und
Küstenschoner können sich teure Funkgeräte leisten?«
»In ein paar Jahren bestimmt«, maulte Chris. Trotzdem schob er die Kopfhörer wieder in die richtige Position, lauschte konzentriert und malte einige weitere Buchstaben auf seinen Block. Mike warf einen neugierigen Blick über seine Schulter. Neuer Buchstabensalat, mehr nicht. Chris schien wirklich enorme Schwierigkeiten zu haben, das Morsealphabet zu verstehen.
»Vielleicht solltest du eine Pause machen«, schlug Mike vor.
»Gute Idee«, knurrte Chris. »Ich schlage vor, so ungefähr zehn Jahre.«
Mike grinste, antwortete aber nicht. Er konnte den Jüngsten der NAUTILUS ja verstehen. Auch ihm war es seinerzeit alles andere als leicht gefallen, das Morsealphabet zu lernen. Er schlug dem Jüngeren aufmunternd auf die Schulter, drehte sich herum und ging ebenfalls aus dem Salon. Die NAUTILUS lag seit zwei Tagen still an der Meeresoberfläche, weil Trautman und Singh wieder einmal an den Maschinen herumbastelten. Seit ihrer Flucht aus Lemura taten sie das fast ununterbrochen, was außer ihnen an Bord niemand so richtig verstand. Die atlantischen Ingenieure hatten das Schiff nicht nur von Grund auf überholt, sondern auch in wesentlichen Teilen verbessert. Die Maschinen der NAUTILUS waren jetzt viel leistungsfähiger als noch vor ein paar Monaten. Es gab keinen Grund, ständig daran herumzuschrauben.
Mike blieb unschlüssig stehen und schloss den obersten Knopf seines Hemdes. Es war kalt. Ein eisiger Luftzug strich durch den Gang. Vermutlich war Ben an Deck gegangen und hatte wie üblich die Luke offen gelassen. Sie waren nur knapp fünfzig Seemeilen von der isländischen Küste entfernt und die Temperaturen draußen lagen nicht weit über null. Mike wandte sich um und stieg die Wendeltreppe zum Maschinendeck hinunter. Schon von weitem hörte er ein anhaltendes Hämmern und Klingen.
Trautman und Singh standen über einem halb auseinander gebauten Maschinenblock und arbeiteten umdie Wette, ganz wie Mike erwartet hatte. Der Maschinenraum bot einen Anblick des Chaos. Überall lagen Einzelteile, Schrauben, Drähte, Werkzeuge und tausend andere Dinge herum und die Gesichter der beiden waren so ölverschmiert, dass Mike im allerersten Moment fast Schwierigkeiten hatte, sie auseinander zu halten.
»Hallo, Mike!«, begrüßte ihn Trautman. »Was tust du hier?«
»Dasselbe wollte ich Sie auch gerade fragen«, sagte Mike. »Und nicht erst seit heute. Funktionieren die Maschinen nicht richtig?«
»Besser denn je.« Trautman fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und hinterließ dabei einenweiteren schmierigen Ölfleck, sodass er jetzt fast aussah wie ein alter Indianerhäuptling, der sich noch einmal entschlossen hatte auf den Kriegspfad zu gehen. »Das ist es ja gerade.«
»Aha«, sagte Mike. »Ihr nehmt die Motoren der NAUTILUS auseinander, weil sie zu gut funktionieren.« »Weil wir nichtwissen,wie sie funktionieren«, korrigierte ihn Trautman. Mike sah ihn fragend an. »Ich fahre seit fünfzig Jahren zur See«, fuhr Trautman fort, »und ich dachte immer, ich kenne jede Art
von Maschine, die jemals gebaut worden ist. Aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Die alten Atlanter müssen uns technisch um Jahrhunderte voraus gewesen sein.«
»Das wussten wir doch schon immer«, sagte Mike. »Nicht, dass sie so weit waren«, entgegnete Trautman kopfschüttelnd. »Wir haben nicht einmal eineVorstellungdavon, wie diese Motoren arbeiten.«
»Und das bedeutet, dass wir sie auch nicht reparieren könnten, sollte es notwendig sein«, fügte Singh hinzu.