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»Das ... das ist ...«, stammelte Mike.

»Ein deutsches Unterseeboot«, sagte Trautman düster. »Jetzt verstehe ich so manches.«

»So?«, sagte Mike. »Ich nicht.«

»Das muss Berghoffs Schiff sein«, sagte Trautman. »Kein Wunder, dass die NAUTILUS nicht mehr da ist. Ich hoffe nur, Singh hat das Schiff noch rechtzeitig weggebracht, ehe sie entdeckt wurden.«

»Bestimmt«, sagte Mike. »Sonst wäre dieses Boot nicht hier.«

»Und wir wahrscheinlich schon verhaftet oder erschossen«, fügte Trautman hinzu. »Lass uns verschwinden. Am besten gleich.«

Mike widersprach nicht. Der Turm des Unterseebootes, der nur einen Steinwurf von ihnen entfernt aus dem Wasser ragte, war weitaus kleiner als der der NAUTILUS, von dem technischen Unterschied ganz zu schweigen. Trotzdem erfüllte ihn der Anblick mit beinahe panischer Angst. Es war nicht die wirkliche Gefahr, die dieses Schiff ausstrahlte, auch wenn sie gewiss nicht zu unterschätzen war. Schlimmer war das, was dieses Schiff versinnbildlichte.

Den Krieg.

Seit die Irrfahrt der NAUTILUS und ihrer zusammengewürfelten Besatzung begonnen hatte, befand sich ein Großteil der Welt in einem blutigen Krieg. Mike wusste nicht einmal genau, worum es dabei ging, denn bisher war es ihnen mehr oder weniger erfolgreich gelungen, ihm zu entgehen. Sie waren mehr alseinmal in den sinnlosen Schlagabtausch hineingezogen worden, den Deutschland und Österreich mit dem Rest der Welt führten, aber im Großen und Ganzen kannten sie nicht einmal seinen genauen Verlauf. Jetzt schien es ihm, als hätte der Albtraum sie endlich eingeholt. Und dieser Gedanke machte ihm furchtbare Angst. Während er Trautman folgte, sah er mehrmals zum Unterseeboot zurück, und es erschien ihm jedes Mal unheimlicher und bedrohlicher.

Sie gingen nicht wieder in die Hafenkneipe, wie Mike erwartet hatte, sondern direkt zu Kanuat, der zwar ebenfalls am Hafen lebte, aber am anderen Ende. Weder Trautman noch Mike sprachen in dieser Zeit auch nur ein einziges Wort, sondern hingen jeder ihren eigenen düsteren Gedanken nach.

Immerhin sahen sie jetzt nicht nur deutsche Soldaten, sondern endlich auch ein paar Einheimische. Und zumindest sie entsprachen genau dem, was Mike erwartet hatte. Es waren zumeist kleine, stämmige Gestalten mit wettergegerbten Gesichtern und leicht mongolischen Zügen, die Felljacken und –hosen und gefütterte Handschuhe und Stiefel trugen.

Was er nicht erwartet hatte, das war die fast offene Feindseligkeit, die ihnen entgegenschlug.

Die Blicke, die die Inuit ihnen zuwarfen, meistens dann, wenn sie glaubten, dass sie es nicht bemerkten, waren misstrauisch und in mehr als einem Fall auch regelrecht wütend. Einmal erlebte er es sogar, dass eine Mutter ihr Kind von der Straße holte und die Haustür zuschlug, als sie vorbeigingen.

»Was ist denn hier los?«, fragte Mike.

»Was hast du denn erwartet?« Trautman lachte bitter. »Sie haben gesehen, dass wir aus Vom Dorffs Haus gekommen sind. Vermutlich glauben sie, dass wir zu ihm gehören.«

»Der kaiserliche Handelsattaché scheint hier nicht sonderlich beliebt zu sein«, vermutete Mike.

»Das sind Besatzungstruppen nie«, sagte Trautman.

Er seufzte. »Ich hoffe nur, wir können wenigstens Kanuat davon überzeugen, dass wir nichts mit Vom Dorff und seinen Scherzen zu tun haben.«

Wie sich herausstellte, waren seine Befürchtungen nicht ganz grundlos. Kanuat wohnte in einer Hütte, die genau so ärmlich war wie der allergrößte Teil der anderen Gebäude, die Sadsbergen bildeten, aber einen niedrigen Anbau hatte, in dem die Schlitten und vor allem die Hunde untergebracht waren. Trautman begrüßte ihn in gebrochenem Norwegisch, wechselte dann aber wieder zu Deutsch und wandte sich an Mike. »Kanuat spricht Deutsch«, sagte er. »Ihr könnt euch also unterhalten.«

Kanuat, der für einen Angehörigen seines Volkes überraschend hoch gewachsen und schlank war, musterte abwechselnd Trautman und Mike und seine Blicke waren kaum freundlicher als die, denen sie auf der Straße begegnet waren.

»Ich weiß, dass wir zu früh sind«, begann Trautman. »Wäre es möglich, dass wir etwas eher aufbrechen? «

»Warum?«, erkundigte sich Kanuat misstrauisch.

»Mike ist ungeduldig«, antwortete Trautman ausweichend. »Er kann es kaum noch erwarten. Ich habe

ihm diese Fahrt seit einem Jahr versprochen.«»Dann kann er auch noch zwei Stunden länger warten«,antwortete Kanuat abweisend.Vorbereitungen treffen. Und die»IchHundemusssind nochgewissenicht

gefüttert.«

Trautman runzelte die Stirn. »Was ist los mit Ihnen, Kanuat? Heute Morgen waren wir uns doch noch einig. Wollen Sie mehr Geld?«

»Ich habe Ihnen den üblichen Preis genannt«, sagte Kanuat. Seine Stimme klang fast verächtlich. »Ich will, was mir zusteht, nicht mehr und nicht weniger.«

»Worum geht es dann?«

»Ich wusste nicht, wer ihr seid«, antwortete Kanuat offen. »Ihr wart bei Vom Dorff.«

»Wir haben nichts mit ihm zu tun«, sagte Trautman. »Ich wiederhole mein Angebot: Wir kaufen Ihr Gespann für das Zehnfache des normalen Preises.

Und Sie bekommen es zurück, sobald wir wieder hier sind.«

Einige Sekunden lang dachte Kanuat über diesen Vorschlag nach, aber dann schüttelte er wieder den Kopf. »Was nutzt mir Geld, wenn ich tot bin? Ich fahre euch, wohin ihr wollt, und habe mit allem anderen nichts zu tun. Und jetzt könnt ihr mir helfen, den Schlitten fertig zu machen. Ich versorge inzwischen die Hunde.«

Trautman setzte dazu an, zornig zu widersprechen, besann sich dann aber eines Besseren und wandte sich einem der großen geflochtenen Hundeschlitten zu, die aufrecht an die Rückwand der Hütte gelehnt dastanden. Mike hätte ihm ja gerne geholfen, wusste aber nicht so recht, was er tun sollte, sodass er sich unschlüssig im Raum umsah. Kanuat war mittlerweile zu den Hunden gegangen und begann sie zu füttern.

Es waren wirklich prachtvolle Tiere. Während der kurzen, aber heftigen Unterhaltung hatten sie sich vollkommen still verhalten, sodass sich Mike ihrer Anwesenheit gar nicht richtig bewusst gewesen war, und auch jetzt gaben sie nicht den mindesten Laut von sich, beobachteten Mike aber sehr aufmerksam. Die Tiere ähnelten einer Mischung aus Schäferhunden und Wölfen, waren aber etwas kleiner und hatten ein dichtes, halb langes Fell und Augen von intensiv blauer Farbe.

»Das sind Huskys«, sagte Kanuat, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Sie sind sehr intelligent und auch sehr zutraulich. Du kannst sie ruhig streicheln, wenn du möchtest.«

Das ließ sich Mike nicht zweimal sagen. Er liebte Tiere und allein der Anblick der acht großen Hunde ließ sein Herz höher schlagen. Während der Inuit die Hunde fütterte, spielte Mike ausgelassen mit den Tieren, die gerade nicht an der Reihe waren. Auf diese Weise vergingen gute zwanzig Minuten, in denen Trautman mehr schlecht als recht den Schlitten anspannte und Kanuat die Ausrüstung zusammentrug, die sie benötigten – eine erstaunliche Menge übrigens, wenn man bedachte, dass sie bloß eine Strecke von siebzig oder achtzig Kilometern vor sich hatten.

»Wir brauchen noch Salz«, sagte Kanuat. »Bitte gehen Sie ins Haus und holen Sie es. Der Beutel steht direkt neben dem Herd.«

»Salz? Wir haben nicht vor, zum Nordpol zu fahren.« Kanuat schüttelte den Kopf. »Besser, auf alles vorbereitet zu sein. Man gerät schnell in einen Schneesturm oder eine andere gefährliche Situation.«