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Trautman sah nicht besonders überzeugt drein, widersprach aber nicht mehr, sondern wandte sich zur Tür.

»Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, wohin ihr wollt«, sagte Kanuat, kaum dass sie allein waren.

»Spielt das denn eine Rolle?«, fragte Mike ausweichend. Wenn Trautman dem Inuit ihr Ziel nicht verraten hatte, dann hatte er vielleicht seine Gründe dafür. Außerdem wusste er gar nicht genau, wo ihr Ziel lag. Die Koordinaten, die Trautman genannt hatte, bedeuteten ihm nicht mehr als eine Kombination sinnloser Ziffern und Buchstaben.

»Wir können nicht nach Norden«, sagte Kanuat. »Die Deutschen gestatten es nicht. Undesist auch zu gefährlich.« »Gefährlich? Warum?«

Kanuat wollte antworten, doch in diesem Moment flog die Tür auf und Trautman stürzte herein. Er befand sich in heller Aufregung. »Mike!«, keuchte er. »Wir müssen weg! Schnell! Sie kommen! Vom Dorff und ein halbes Dutzend Soldaten! Wir –«

Die Tür flog ein zweites Mal auf und diesmal so heftig, dass sie Trautman im Rücken traf und ihn nach vorne taumeln ließ. Nur mit Mühe fand er sein Gleichgewicht wieder und wirbelte herum.

Es war zu spät. Zwei, drei Soldaten drängten in den Raum, dicht gefolgt von Vom Dorff und Berghoff. Kanuat richtete sich drohend zu seiner vollen Größe auf und hob die linke Hand, und wie auf ein unhörbares Kommando hin sprangen auch sämtliche Hunde auf und fletschten drohend die Zähne.

»Kanuat, nicht!«, sagte Trautman hastig. »Das geht Sie nichts an!«

Der Inuit rief seine Hunde zurück und Vom Dorff machte ein anerkennendes Gesicht. »Das ist sehr vernünftig von Ihnen, Herr Trautstein«, sagte er. »Es täte mir wirklich Leid, wenn ich meinen Männern befehlen müsste, die Hunde zu erschießen. Es sind wirklich ganz außergewöhnlich schöne Tiere.«

Trautman funkelte ihn an. »Was soll das?«, fragte er. »Was fällt Ihnen ein, sich so aufzuführen?«

Vom Dorff lächelte, trat einen Schritt zurück und ließ seinen Blick nachdenklich über das Hundegespann und das vorbereitete Gepäck schweifen. »Wollen Sie einen Ausflug machen, Kapitän?«, fragte er. »Ich hätte Sie wirklich für vernünftiger gehalten. Sie enttäuschen mich. Ich hatte Sie doch eindringlich gewarnt, sich nicht mit diesen Wilden einzulassen, oder?«

»Ich glaube, das ist meine Entscheidung«, sagte Trautman.

»Leider nicht«, erwiderte Vom Dorff. »Sie können natürlich gehen, wohin Sie wollen, aber zuvor werden wir uns noch einmal unterhalten müssen, fürchte ich. Wenn Sie und Ihr junger Freund also so freundlich wären uns zu begleiten? Sie möchten doch nicht, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen, oder?« Die Drohung in seinen Worten war unüberhörbar. Mike sah aus den Augenwinkeln, wie sich Kanuats Gesicht noch weiter verdüsterte. Aber die Gegenwart der Soldaten, deren Gewehre auf ihn und seine Hunde gerichtet waren, hielt ihn davon ab, etwas Unüberlegtes zu tun.

»Also gut«, grollte Trautman. »Aber Sie sind mir eine Erklärung schuldig.«

»Seltsam«, lächelte Vom Dorff, »aber genau dasselbe wollte ich gerade zu Ihnen sagen.« Er machte eine

befehlende Geste zur Tür. Sein Lächeln erlosch wie abgeschaltet. »Kommen Sie!«

Begleitet von seinen Soldaten verließen sie das Haus. Draußen

warteten drei weitere Männer auf sie und auf der anderen Straßenseite war eine ganze Gruppe Inuit zusammengelaufen, die aufmerksam zu ihnen herüberblickten und tuschelten. Mike verstand mit jeder Sekunde weniger, was hier vorging. Sie waren Vom Dorffs Gefangene, das war klar, aber er konnte sich nicht erklären, woher dieser plötzliche Sinneswandel kam.

Und es schien ein ziemlich drastischer Sinneswandel zu sein, denn als Mike auch nur ein kleines bisschen langsamer ging, als es seinem Bewacher recht war, stieß ihm dieser so derb den Gewehrlauf in den Rücken, dass er vor Schmerz die Zähne zusammenbiss.

»Lassen Sie das«, sagte Trautman. »Es gibt keinen Grund, grob zu werden.«

»Da haben Sie Recht.« Vom Dorff warf dem Soldaten einen mahnenden Blick zu, fuhr aber nach einer Sekunde und an Trautman gewandt fort: »Vorausgesetzt natürlich, dass Sie vernünftig bleiben.«

Trautman presste zornig die Lippen aufeinander, ersparte sich aber jede Antwort und Mike seinerseits zog es vor, seine Schritte ein wenig zu beschleunigen. Sie gingen weiter am Hafen entlang, die Strecke zurück, die sie gekommen waren. Die Straße war jetzt von sehr viel weniger Inuit gesäumt als vorhin; trotzdem glaubte Mike die angstvollen Blicke regelrecht zu fühlen, die ihnen folgten. Der Anblick des Unterseebootes hatte ihn mit Unbehagen erfüllt, aber das lag wohl größtenteils an ihm selbst. Die deutschen Soldaten jedoch verbreiteten eindeutig Furcht.

Sie hatten ungefähr den halben Weg zu Vom Dorffs Haus zurückgelegt, als Trautman für einen Moment im Schritt stockte; wahrscheinlich nicht einmal lange genug, damit es Vom Dorff und seinen Männern auffiel. Mike jedoch bemerkte es sehr wohl und im gleichen Moment fiel ihm auch der Grund dafür auf: Nur ein kleines Stück vor ihnen befand sich eine zweite Gruppe deutscher Soldaten. Sie bewegten sich langsamer als sie, denn sie zogen zwei hoch beladene Schlitten hinter sich her und Mikes Herz machte einen entsetzten Sprung in seiner Brust, als er sah, was darauf lag.

Trautman fiel unauffällig ein wenig zurück, bis sie nebeneinander hergingen. »Verdammt!«, flüsterte er. »Sie haben die Taucheranzüge gefunden! Das hätte nicht passieren dürfen!«

»Und was tun wir jetzt?«, fragte Mike ebenso leise.

Trautman deutete ein Achselzucken an, ging wieder ein wenig schneller – und trat dem Mann vor sich ohne Vorwarnung in die Kniekehle.

Der Soldat stieß einen überraschten Laut aus und fiel nach vorne. Trautman wirbelte mit einer Bewegung herum, die man einem Mann seines Alters niemals zugetraut hätte, packte den zweiten Soldaten an der Schulter und riss ihn herum. Noch bevor der Mann richtig begriff, wie ihm geschah, schmetterte ihm Trautman die linke Faust ins Gesicht und riss ihm mit der anderen Hand das Gewehr von der Schulter.

Mike registrierte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und reagierte ganz instinktiv. Als der dritte Soldat heranstürmte, trat er einen halben Schritt zur Seite, verlagerte sein Körpergewicht auf das linke Bein und knickte leicht in der Hüfte ein; ein Trick, den ihm Singh gezeigt hatte. Der Soldat prallte im vollen Lauf gegen ihn und Mike versuchte nicht, den Aufprall abzufangen, sondern ließ sich im Gegenteil noch weiter zur Seite kippen, krallte beide Hände in die Jacke des Mannes und führte seine begonnene Drehung noch schneller weiter. Der Soldat verlor plötzlich den Boden unter den Füßen, segelte in hohem Bogen über Mikes Schultern und erreichte unsanft den Boden.

Als Mike wieder zu Trautman sah, hatte dieser Vom Dorff von hinten gepackt und den linken Arm um seinen Hals geschlungen. In der anderen Hand hielt er das erbeutete Gewehr, dessen Mündung er so fest unter Vom Dorffs Kinn drückte, dass der Deutsche Mühe hatte, Luft zu holen.

»Wie gesagt, Herr Vom Dorff«, sagte Trautman, »es gibt keinen Grund, grob zu werden. Vorausgesetzt, dass Sie vernünftig bleiben.«

»Sie ... sind ja verrückt!«, keuchte Vom Dorff. »Damit erreichen Sie gar nichts! Geben Sie auf und ich verspreche Ihnen, dass ich den Vorfall vergessen werde!« Mike konnte ihm nicht einmal so heftig widersprechen, wie er es gerne getan hätte. Die drei Soldaten hatten sich mittlerweile wieder hochgerappelt, der eine mit heftig blutender Nase und leeren Händen zwar, aber die beiden anderen mit angelegten Gewehren. Und aus nicht einmal dreißig Metern Entfernung stürmten noch vier weitere Soldaten heran.