Ich blickte dem Mädchen nicht nach, welches den Silbertopf auf ein kleines Feuer gestellt hatte. Dennoch beschäftigten sich meine Gedanken mit ihr. Ich fragte mich, ob sie Suleiman oder Ibn Saran gehörte. Vermutlich war sie Suleimans Eigentum; immerhin befanden wir uns hier in seinem Palast.
Widerstrebend schob Suleiman zwei weitere Steine zurück. Wortlos nahm ich sie wieder an mich.
Im Tanzen drehte sich Alyena anmutig hin und her. Sie hatte in den letzten Wochen viel dazugelernt. Ibn Saran beobachtete sie und trank von seinem heißen schwarzen Wein. Ich spürte, daß er sich für ihre Schönheit interessierte.
Sie bückte sich mit ausgestrecktem Bein, bewegte es anmutig, winkelte es im Takt der Musik an, fuhr mit der Hand darüber hin. Alyena tanzte gut tief in ihrem Inneren loderte das Sklavenfeuer, auch wenn sie es selbst noch nicht wußte. Zuweilen sah sie ihr Publikum an. Ihre Augen verkündeten: Ich tanze für euch, doch in Wirklichkeit bin ich keine Sklavin. Niemand hat mich bisher gezähmt. Das vermag niemand. Kein Mann vermag mich zu bändigen.
Doch der Tag würde kommen, da sie die Wahrheit erkannte. Es gab keinen Grund zur Eile. Die Männer der Tahari sind geduldig. Vor Suleiman lagen nun fünf Steine drei funkelnde Diamanten und zwei Opale. Der eine war ein ganz gewöhnlicher milchiger Stein, der andere ein ungewöhnlicher rötlichblauer Flammenopal. Auf der Erde sind Opale nicht sonderlich wertvoll, doch auf Gor ist dieser Stein viel seltener. Es handelte sich um ausgezeichnete Exemplare, makellos oval, sorgfältig geschnitten und geschliffen. Dennoch kamen sie natürlich nicht an den Wert der Diamanten heran.
»Was möchtest du für diese fünf Steine haben?« fragte er.
»Hundert Lasten Dattelbarren«, sagte ich.
»Das ist zuviel.«
Natürlich verlangte ich zuviel. Es ging bei unserem Handel darum, meine erste Forderung so hoch anzusetzen, daß zuletzt ein akzeptabler Preis herauskam. Zugleich mußte ich es vermeiden, einen Mann von Suleimans Position und Intelligenz zu beleidigen. Den ersten Preis zu hoch zu wählen, als hätte ich es mit einem Dummkopf zu tun, wäre sehr töricht gewesen und hätte unangenehme Folgen für mich haben können vielleicht die sofortige Enthauptung, womit ich aber nur rechnen mußte, wenn Suleiman keine angenehme Nacht mit seinen Frauen und kein gutes Frühstück hinter sich hatte. Das aber war unwahrscheinlich, denn er war ein Genießer.
»Zwanzig Lasten Dattelbarren«, sagte er.
»Das ist zuwenig«, meinte ich.
Suleiman betrachtete die Edelsteine. Er wußte selbst, daß der von ihm genannte Preis zu niedrig war. Suleiman war ein Mann von Geschmack; er war außerdem sehr intelligent.
Immerhin war er es gewesen, der die Falle aufgebaut hatte. Am sechsten Abend, nachdem die Eskorte der Aretai-Soldaten zur Karawane des Farouk gestoßen war, begann ich zu ahnen, welches Spiel gespielt wurde.
Der Leutnant des Hauptmanns der Eskorte suchte mich in meinem Zelt auf. Er war es gewesen, der mich als Spion der Kavars verdächtigt hatte, der sich dafür ausgesprochen hatte, mich sofort umzubringen. Wir hatten nicht besonders viel füreinander übrig. Der Mann hieß Hamid. Der Hauptmann wurde Shakar genannt.
Verstohlen sah er sich um und setzte sich dann ungebeten zu mir auf die Matte. Dennoch hatte ich keine Lust, ihn zu töten.
»Du hast Edelsteine bei dir, die du an Suleiman verkaufen willst, den Pascha der Aretai«, sagte der Leutnant.
»Ja«, erwiderte ich.
Der Mann sah mich nervös an. »Gib mir die Steine«, sagte er. »Ich bringe sie zu Suleiman. Dich empfängt er nämlich nicht. Ich gebe dir als sein Bote den Gegenwert in Dattelbarren.«
»Damit bin ich nicht einverstanden«, sagte ich.
Er kniff die Augen zusammen, und sein Gesicht verzog sich mürrisch.
»Geh«, sagte er zu Alyena.
Ich nickte ihr zu. »Tu, was er sagt.«
»Ich wollte mich vor der Sklavin nicht genauer äußern«, sagte Hamid.
»Das verstehe ich.« Und das tat ich wirklich. Wenn er es für erforderlich hielt, mich umzubringen, durfte das auf keinen Fall vor einem Zeugen geschehen, auch wenn es sich nur um eine Sklavin handelte. Er lächelte. »Es sind Kavars in der Gegend«, sagte er. »Sogar sehr viele.«
Damit konnte er recht haben. In den letzten Tagen hatte ich von Zeit zu Zeit kleine Reitergruppen gesehen, die uns in der Ferne zu begleiten schienen. Wenn die Wächter oder die Soldaten der Eskorte auf sie zuritten, hatten sie sich schleunigst zurückgezogen und waren zwischen den Hügeln verschwunden.
»Du solltest das lieber nicht weitererzählen«, fuhr Hamid fort, »aber es treibt sich in der Nähe eine Kavar-Gruppe herum, zwischen drei und vierhundert Mann stark.«
»Räuber?« fragte ich.
»Kavars«, sagte er. »Stammesangehörige. Außerdem Männer des verbündeten Stammes der Ta’Kara.« Er sah mich eindringlich an.
»Vielleicht kommt es bald zum Krieg. Dann nimmt die Zahl der Karawanen schnell ab, denn kein Kaufmann wird seine Waren aufs Spiel setzen wollen. Die Kavars wollen verhindern, daß Suleiman diese Waren erhält. Sie wollen die Vorräte zur Oase der Silbersteine umleiten.« Es handelte sich um eine Oase der Char, die ebenfalls mit den Kavars verbündet waren. Sie hatte ihren Namen erhalten, als vor mehreren Jahrhunderten einige durstige Männer nachts auf die Quelle stießen. Auf den großen flachen Steinen in der Nähe hatte sich Tau niedergeschlagen, und die Feuchtigkeit hatte im Zwielicht wie Silber geschimmert. Übrigens gibt es oft Tau in der Tahari, ein Niederschlag von Luftfeuchtigkeit in kühlen Nächten. Natürlich verdunstet das Wasser nach dem Aufgehen der Sonne sofort wieder. Manche Nomaden graben vor dem Morgengrauen Steine aus, säubern sie, setzen sie im Freien aus und lecken später die Feuchtigkeit ab. Damit läßt sich natürlich nicht viel Wasser gewinnen, doch es ist besser als gar nichts.
»Wenn sich so viele Kavars und Ta’Kara in der Nähe herumtreiben«, sagte ich, »habt ihr nicht genügend Männer, um unsere Karawane zu verteidigen.« Ich hatte den Eindruck, daß bei den gegebenen militärischen Verhältnissen eine so kleine Eskorte geradezu zum Angriff herausforderte.
Hamid, der Leutnant Shakars, des Hauptmanns der Aretai, antwortete nicht auf meine Bemerkung. Er kam vielmehr auf seine erste Bitte zurück. »Gib mir die Steine. Ich bewahre sie für dich auf. Wenn du sie mir nicht gibst, verlierst du sie vielleicht an die Kavars. Ich reiche sie für dich an Suleiman weiter, der dich nicht empfangen wird. Ich schließe den Handel für dich ab und sorge für einen guten Preis.«
»Ich werde selbst mit Suleiman sprechen«, sagte ich. »Ich handle meine Preise persönlich aus.«
»Kavar-Spion!« fauchte er. Ich schwieg.
»Gib mir die Steine!«
»Nein.«
»Hast du die Absicht«, fragte er, »dir Zutritt bei Suleiman zu verschaffen, um ihn dann zu ermorden?«
»Das wäre wohl kaum der richtige Weg, um einen guten Preis in Dattelbarren zu erzielen«, sagte ich gelassen und fügte hinzu: »Du hast ja deinen Dolch gezogen!«
Im nächsten Augenblick stürzte er sich auf mich, doch ich saß längst nicht mehr an meinem Platz. Ich war aufgesprungen, trat gegen die Stange, die das Zelt hielt, und glitt ins Freie. Gleichzeitig zog ich meinen Krummsäbel. »Ho!« brüllte ich. »Ein Einbrecher! Ein Einbrecher!«
Männer eilten herbei, unter ihnen Shakar, Hauptmann der Aretai, und mehrere seiner Männer. Treiber und Sklaven drängten herbei. Unter der herabgesunkenen Zeltplane bewegte sich eine Gestalt. Auf ein Zeichen Shakars wurde der Zeltstoff zurückgeschlagen.
»Oh!« rief ich überrascht. »Es ist der ehrenwerte Hamid! Verzeih mir, edler Herr! Ich habe dich für einen Einbrecher gehalten!«
Hamid knurrte etwas vor sich hin und klopfte sich den Staub von der Tunika.
»Ungeschickt, sich ein Zelt auf den Kopf fallen zu lassen«, sagte Shakar und steckte seinen Säbel ein.