In diesem Augenblick schnipste Samos mit den Fingern und befreite die Tänzerin damit von dem imaginären Sklavenpflock. Langsam drehte sich das Mädchen herum, löste den Schleier von ihrer linken Hüfte und tanzte im Kreis. Sie streifte den durchsichtigen Stoff von der linken Schulter, wo er unter dem Gurt ihres Büstenhalters gesteckt hatte. Sie schwenkte mit ausgebreiteten Händen den Schleier und tanzte. Dann sah sie uns mit dunklen Augen über den Rand des Stoffs hinweg an.
Nach einem letzten Blick auf das blonde Mädchen, das den Tanz mit weit aufgerissenen Augen verfolgte, verließ ich hinter Samos den Raum.
»Sie muß Goreanisch lernen«, sagte der Sklavenhändler, »und zwar schnell.«
»Die Peitsche wird ihr dabei helfen«, versicherte ich.
»Du hast nicht viel von ihr erfahren?« erkundigte sich Samos. Ich hatte das Mädchen verhört, als sie in Samos’ Haus gebracht wurde.
»Ihre Geschichte«, sagte ich, »ähnelt den Aussagen vieler anderer Mädchen. Entführung, Transport nach Gor, Sklaverei. Sie hat keine Ahnung. Noch begreift sie nicht, was der Sklavenkragen wirklich bedeutet.«
Samos stimmte das unangenehme Lachen eines Sklavenhändlers an.
»Eine Bemerkung des Mädchens scheint mir allerdings interessant zu sein«, fuhr er fort, während er mir durch einen breiten Korridor voranging. Wir kamen an einer Sklavin vorbei, die bei unserem Anblick auf die Knie sank und den Kopf senkte.
»Die Sache scheint ein Zufall zu sein«, sagte ich, »ohne Bedeutung.«
»Sie mag für sich gesehen bedeutungslos sein«, sagte er. »Doch im Zusammenhang mit anderen Aspekten erweckt die Aussage doch eine gewisse Besorgnis in mir.«
»Du meinst die englisch gesprochene Bemerkung eines Wächters, die das Mädchen zufällig mitbekommen hat daß die Sklavenschiffe nach Gor zurückkehren sollen?«
»Ja«, sagte Samos. Als ich das Mädchen in den Sklavengehegen verhörte, wobei ich sie zwang, sich an jede noch so unwichtig scheinende Einzelheit zu erinnern, waren ihr diese Worte eingefallen, die mir rätselhaft und beunruhigend vorkamen. Ich hatte nicht viel damit anfangen können, doch Samos hatte sich sofort besorgt gezeigt. Natürlich wußte er mehr als ich über die Machenschaften der Anderen, der Kurii, auf der einen Seite, sowie der Priesterkönige auf der anderen. Als die Bemerkung ausgesprochen wurde, war das Mädchen gerade erst auf Gor eingetroffen, schläfrig, halb betäubt. Sie hatte in einer Reihe mit anderen irdischen Mädchen gefesselt im frischen goreanischen Gras gelegen. Sie hatte kaum gespürt, wie man sie herumdrehte, anhob und an einen anderen Platz in der Reihe trug eine Position, die gewöhnlich durch die Körpergröße bestimmt wurde. Normalerweise führen die größten Mädchen eine Sklavenkette an. Man hatte sie wieder ins Gras geworfen und klickend am linken Handgelenk neu an die Kette angeschlossen. Ein Mann hatte daneben gestanden und etwas in ein Buch geschrieben.
Als man ihr den Identifikationsreif abnahm, hatte der Mann mit dem Ring etwas zu dem Mann mit dem Buch gesagt, und die Eintragung war vorgenommen worden. Als die Mädchen fertig angekettet waren, hatte der Mann mit dem Buch ein Papier unterschrieben, das dem Kapitän des Sklavenschiffs übergeben wurde. Offensichtlich handelte es sich um eine Quittung für gelieferte Ladung. Die Ladeliste hatte offenbar gestimmt. In diesem Augenblick hatte der Mann mit dem Buch den Kapitän gefragt, ob er bald zurückkehren werde. Der Mann mit dem Buch sprach mit goreanischem Akzent, während der Kapitän diese Sprache nicht beherrschte. Soweit sie sich erinnerte, hatte der Kapitän erwidert, daß er nicht wisse, wann er zurückkehren würde; er habe vielmehr die Nachricht erhalten, daß es vorerst keine neuen Flüge geben werde, bis neue Befehle einträfen.
Anschließend bekam sie mit, wie das Schiff startete, und dann hatte sie das Gras unter ihrem Körper gespürt und die Kette, die auf ihren Beinen lastete, und den Stahl des Armreifs. Die Kette hatte sich bewegt, als sich die Mädchen zu ihrer Rechten zu rühren begannen. Die Gefangenen lagen im Schatten einiger Bäume und waren aus der Luft nicht zu sehen. Sie durften nicht aufstehen. Miß Priscilla Blake-Allen hatte es nicht gewagt zu schreien; ein anderes Mädchen, das die Stimme erhob, wurde auf der Stelle geknebelt und grausam ausgepeitscht. Nach Einbruch der Dunkelheit waren die Mädchen zu einem Wagen getrieben worden. Sie standen alle unter einem Schock, einige verloren die Besinnung.
»Warum«, sagte Samos, »sollten die Sklavenschiffe mir ihren Flügen aufhören?«
»Steht eine Invasion bevor?« fragte ich.
»Das ist unwahrscheinlich«, meinte Samos. »Wenn eine Invasion geplant würde, müßten die Sklavenflüge doch weitergehen. Die Einstellung dieser Flüge würde den Priesterkönigen sofort auffallen. Es kann nicht im Interesse der Anderen sein, kurz vor einem Großangriff eine Atmosphäre der Nervosität und verstärkten Wachsamkeit zu schaffen.«
»Damit hast du wahrscheinlich recht«, räumte ich ein, »es sei denn, die Kurii nehmen an, eine solche Maßnahme würde die Priesterkönige gehörig aus dem Tritt bringen die das Manöver ein wenig zu offenkundig finden könnten, um es als Präludium zu einem offenen Angriff zu interpretieren.«
»Sicher werden die Herrscher über das Sardargebirge auch diese Möglichkeit bedenken«, sagte Samos.
Ich zuckte die Achseln. Mein Besuch im Sardargebirge lag lange zurück.
»Die Bemerkung mag darauf hindeuten, daß eine Invasion vorbereitet wird«, sagte Samos. »Andererseits glaube ich nicht, daß die Kurii, die immerhin sehr vernünftig denken, einen Krieg riskieren, wenn sie nicht ziemlich sicher sind, die Auseinandersetzung auch gewinnen zu können. Ich vermute, daß sie sich über die wahre Lage noch nicht im klaren sind. Die Organisation der eingeborenen Kurii, die ein ausgezeichneter Geheimdienst gewesen wären, hat ihnen leider nur wenige Informationen gebracht.«
Ich lächelte. Die Invasion der eingeborenen Kurii aus dem Norden, Überlebende und Nachkommen von Kurii aus Raumschiffen, war in Torvaldsland zum Stillstand gebracht worden.
»Ich glaube«, sagte Samos, »es geht um etwas anderes als eine Invasion.« Er sah mich grimmig an. »Ich glaube, hier wird etwas ausgebrütet, das eine Invasion überflüssig macht.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich.
»Ich bin sehr besorgt«, fuhr Samos fort.
Ich blickte ihn von der Seite an. Diese Stimmung kannte ich bei ihm nicht. Ich musterte das eckige Gesicht, das vom Wind und Salz des Thassa gezeichnet war, die klaren Augen, das kurzgeschnittene weiße Haar, die kleinen Goldringe in den Ohren. Sein Gesicht wirkte seltsam bleich. Ich wußte, daß er sich gegen hundert Schwerter zu Wehr setzen konnte.
»Was könnte eine Invasion überflüssig machen?«
»Ich bin sehr besorgt«, wiederholte Samos. »Folge mir.«
Wir setzten unseren Weg durch verschiedene Korridore fort. Wir stiegen über mehrere Treppen in die Tiefe. Nach einiger Zeit wurden die Wände feucht, und ich vermutete, daß wir uns unterhalb der Kanäle befanden. Wir kamen an verriegelten und bewachten Türen vorbei. Losungsworte, die sich je nach Stockwerk und Gebäudeteil unterschieden, wurden ausgesprochen und bestätigt. Die Losungen wurden täglich neu ausgegeben. Auf unserem Wege zu dem mir unbekannten Ziel kamen wir an Sklavengehegen vorbei, von denen einige recht bequem angelegt waren, während andere, für einfache Sklaven bestimmt, keinerlei Komfort aufwiesen. Wir kamen durch zwei Schulungsräume, von einem Korridor ging es in eine Krankenabteilung ab, dann ein Übungszimmer und die Brandkammer, in der erhitzte Brandeisen qualmten. Es stank nach verbranntem Fleisch.
Männliche Sklaven starrten uns düster nach, die Sklavinnen wichen gewöhnlich zurück. Ein Mädchen streckte die Arme zwischen den Gitterstäben hindurch. »Ich möchte an einen Mann verkauft werden!«
flehte sie. »Verkauft mich!« Ein Wächter schlug mit einer Lederpeitsche gegen das Gitter, mit einem Aufschrei zog sie die Arme in die Zelle zurück.
»Sie ist noch nicht heiß genug für den Block«, sagte ich. Samos gab mir recht.
Hätte sie sich mit ganzer Kraft gegen die Stäbe gestemmt, bereit, die Peitschenhiebe auf sich zu nehmen, nur um den Körper eines Wächters zu berühren, dann wäre sie vielleicht bereit gewesen. Oft werden die Mädchen bebend vor Leidenschaft in die Auktion geschickt. Ich habe sie bei solchen Gelegenheiten unter der leisesten Berührung durch den Auktionator erschaudern sehen. Oft werden sie hinter dem Block noch stark sexuell erregt, doch nicht befriedigt, so daß sie in einem Zustand grausamster Frustration zum Verkauf kommen. Ihre Versuche, die Käufer auf sich aufmerksam zu machen, sind dann zuweilen phantastisch. Ich habe Mädchen erlebt, die der Auktionator förmlich mit der Peitsche von sich abwehren mußte, um sie richtig zur Schau zu stellen. Bei diesen Mädchen handelt es sich in den meisten Fällen um Sklavinnen, die bereits einen Herrn und über einen längeren Zeitraum Verkehr gehabt hatten. Andere, die zum erstenmal zur Versteigerung kommen, haben meistens noch keinen Begriff von ihrer Sexualität - etwas, das sie nur erfahren können, wenn sie hilflos in der Gewalt ihres Sklavenherrn leben müssen und seinen Launen und Gelüsten ausgeliefert sind.