»Und solltest du das Pech haben«, fuhr er fort, »die Salzgruben lebend zu erreichen, dann erwarten dich dort viele unangenehme Aufgaben. Die Sklaven pumpen Wasser durch unterirdische Salzlager, um das Salz zusammen mit dem Wasser an die Oberfläche zu schwemmen, und anschließend pumpen sie dasselbe Wasser noch einmal durch. Schon viele Männer sind in der Hitze an den Pumpen gestorben. Andere, die Träger in der Grube, müssen Eimer auf den Schultern tragen, in die die schlammige Salzlösung geschaufelt wird, und schleppen die Lasten aus der Grube zu den Trockentischen; wieder andere müssen das Salz einsammeln und es zu Zylindern formen.« Er lächelte. »Manchmal töten sich die Männer gegenseitig, um für eine leichtere Arbeit eingeteilt zu werden.«
Ich wich seinem Blick aus.
»Dir aber«, fuhr er fort, »der du versucht hast, den ehrenwerten Suleiman Pascha umzubringen, dir wird man natürlich keine leichten Arbeiten übertragen.«
Ich zerrte an meinen Ketten.
»Deine Fesseln bestehen aus Ar-Stahl«, sagte er spöttisch. »Du hast keine Chance Tarl Cabot.«
Ich sah ihn an.
»Es wird mir eine Freude sein, an Tarl Cabot zu denken, wie er sich in den Salzgruben zu Tode schuftet. Während ich in meinem Palast liege, in kühlen Zimmern, auf weichen Kissen, umsorgt von meinen Sklavinnen, zu denen deine hübsche Vella gehört ja, dann werde ich an dich denken, Tarl Cabot, sehr oft sogar.«
Ich rasselte hilflos mit meinen Ketten.
»Der berühmte Agent der Priesterkönige Tarl Cabot«, sagte er, »in den Salzgruben!«
Ich schwieg.
»Hervorragend!« Er lachte. »In Klima beginnt der Arbeitstag vor Sonnenaufgang und endet erst in der Dunkelheit. Auf den erhitzten Felsen kann man sich das Essen kochen. Die Salzkrusten schimmern weiß; ihr Glanz kann einen Menschen blenden. Aus Klima ist bisher noch keine Sklave entkommen. Zu den weniger angenehmen Dingen gehört auch, daß ihr dort keine Frauen habt. Aber du hast ja die Erinnerung an deine hübsche Vella!«
Meine Fäuste ballten sich. Oft hatte ich in den letzten Tagen Vellas Gesicht vor meinem inneren Auge gesehen, triumphierend und haßerfüllt verzerrt nach ihrer falschen Aussage, die mich zu den Salzgruben in Klima verdammte. Sie hatte sich gefreut ihre Rache war vollkommen. Ihre Lüge, die die falsche Aussage anderer bestätigte, besiegelte mein Schicksal. Immer wieder dachte ich an ihr häßliches Lächeln. »Wenn ich sie auf meinem Schoß habe«, fuhr Ibn Saran fort, »werde ich an dich denken.«
»Wo hast du sie gefunden?« fragte ich.
»In einer Taverne in Lydius«, sagte er. »Eine interessante Sache. Ursprünglich erwarben wir sie als einfache Sklavin daran haben wir immer Bedarf. Für uns ist es wichtig, Spitzel in gewissen Häusern zu haben, damit wir in den Besitz von Geheimnissen kommen oder Offiziere und andere wichtige Leute verführen können. Bei solchen Aufgaben sind erstklassige Sklavinnen unentbehrlich.«
»Also auch Vella.«
»Die ehemalige Miß Elizabeth Cardwell aus New York«, sagte er.
»Du scheinst viel zu wissen.«
»Die Sklavin von der Erde hat uns viel erzählt. Mit ihr hatten wir Glück.«
»Was hat sie euch erzählt?«
»Alles, was wir wissen wollten.«
»Oh, ich verstehe.«
»Wir brauchten sie gar nicht erst zu foltern«, sagte Ibn Saran. »Die Androhung einer solchen Pein genügte. Sie ist ja nur eine Frau. Wir haben sie entkleidet in einem Verlies angekettet und Urts auf sie losgelassen. Schon nach wenigen Minuten teilte sie uns mit, sie wolle bereitwillig Auskunft geben. Wir haben sie eine Nacht lang verhört. Dabei erfuhren wir alles, was sie wußte.«
»Sicher habt ihr dem Mädchen daraufhin die Freiheit geschenkt«, sagte ich lächelnd. »Nach all der Hilfe . . .«
»Soweit ich mich erinnere, hatten wir ihr so etwas versprochen«, erwiderte er, »haben es aber später wieder vergessen. Wir haben sie als Sklavin behalten. Wir wollten ihre Talente nicht brachliegen lassen.«
»Das gehört sich auch so«, sagte ich. »Was habt ihr im einzelnen von der ehemaligen Miß Cardwell erfahren?«
»Viele interessante Dinge, doch vor allem eine Tatsache die Schwäche des Nests der Priesterkönige!«
»Daraufhin werdet ihr nun angreifen?«
»Das wird gar nicht nötig sein.«
»Ein neuer Plan?«
»Vielleicht.«
»Natürlich braucht ihre Aussage nicht zu stimmen«, sagte ich.
»Ihre Angaben entsprechen denen anderer Leute, die vor langer Zeit aus dem Sardargebirge geflohen sind.«
Dabei handelte es sich wahrscheinlich um die ehemaligen menschlichen Nestbewohner, die sich nach dem Nestkrieg dafür entschieden hatten, an die Oberfläche Gors zurückzukehren.
»Aber sind diese Berichte denn wirklich wahr?« fragte ich. »Oder nimmt man nur in ehrlicher Überzeugung an, daß sie wahr sind?«
»Natürlich könnte es sich um eingepflanzte Erinnerungen handeln«, räumte Ibn Saran ein. »Vielleicht ist das Ganze ein Trick, der uns zu einem Angriff auf die Priesterkönige verleiten soll.«
Ich schwieg.
»Wir beziehen eine solche Möglichkeit durchaus in unsere Pläne ein«, sagte er. »Entsprechend behutsam sind wir vorgegangen.«
»Aber jetzt kommt es vielleicht nicht mehr so darauf an?« fragte ich.
»Jetzt kommt es überhaupt nicht mehr darauf an. Wir brauchen nicht mehr atemlos dem Geplapper von Sklavinnen zu lauschen.«
»Ihr habt eine neue Strategie?« fragte ich.
»Kann sein«, erwiderte er lächelnd.
»Vielleicht kannst du dein Geheimnis einem Manne anvertrauen, dessen Zukunft in den Salzgruben von Klima liegt . . .«
Er lachte. »Du könntest mit Wächtern darüber sprechen.«
»Du könntest mir die Zunge herausschneiden lassen.«
»Und sollte ich dir auch die Hände abhacken lassen?« Er lachte. »Was könntest du uns in den Gruben dann noch nutzen?«
»Woher weißt du, daß Vella früher einmal Elizabeth Cardwell hieß?«
wollte ich wissen.
»Das verrieten uns ihre Fingerabdrücke«, erwiderte er. »Ihr Akzent und gewisse andere Eigenarten ließen darauf schließen, daß sie von der Erde stammte. Ihre Abdrücke stimmten mit denen in unseren Unterlagen überein sie war Miß Elizabeth Cardwell, nach Gor verschleppt und versklavt, um einen Briefkragen zu den Tuchuks zu bringen.«
Ich erinnerte mich an den Kragen. Als ich sie auf den Ebenen der Wagenvölker zum erstenmal erblickte, zerlumpt, eine Gefangene der Tuchuks, hatte sie diesen Kragen getragen. Damals verstand sie kaum etwas von den Dingen, die um sie herum vorgingen. Ganz so unschuldig war das Mädchen heute nicht mehr.
»Der Briefkragen«, fuhr Ibn Saran fort, »führte leider nicht zu deinem Tod, zur Unterbrechung deiner Suche nach dem letzten Ei der Priesterkönige.« Er lächelte. »Im Gegenteil das Mädchen wurde sogar deine Sklavin.«
»Ich habe sie befreit.«
»Weichherziger Dummkopf!« sagte er. »Jedenfalls kümmerten wir uns näher um sie, wußten wir doch, daß sie dich mit dem letzten Ei der Priesterkönige ins Sardargebirge begleitet hatte. Wir suchten weitere Verbindungen. Sehr bald wurde uns klar, daß sie deine Verbündete gewesen war, deine Helferin beim Sturz des Hauses von Cernus, eines unserer fähigsten Agenten.«
»Wie seid ihr nur darauf gestoßen?«
»Ein Mann, der das Haus Cernus kannte, wurde in meinen Palast gebracht. Zum Entsetzen des Mädchens hat er sie sofort erkannt. Wir entkleideten sie und steckten sie zu den Urts in das Verlies.«
»Und daraufhin verriet sie die Priesterkönige?« fragte ich.
»Absolut.«
»Und jetzt dient sie den Kurii?«
»Sie dient uns gut«, sagte er. »Und ihr Körper ist eine Wonne. Sie scheint dich zu hassen sie hat mir größter Freude gegen dich ausgesagt.«
»Ich verstehe«, sagte ich.
»Die Rache einer Frau ist ernst zu nehmen.«
»Da magst du recht haben.«
»Ein Punkt hat ihr Sorgen gemacht«, fuhr Ibn Saran fort. »Sie hatte Angst, daß du aus Klima fliehen könntest.«
»Oh?«
»Aber ich versicherte ihr, daß eine Flucht von dort ganz unmöglich sei.«