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»Reite nach Norden«, riet mir Ibn Saran.

»Vielen Dank«, sagte ich und bohrte dem Tier die Hacken in die Flanken. Sand spritzte unter den Hufen auf, und ich lenkte die Kaiila nach Norden.

Kaum war ich außer Hörweite der beiden Männer und in Dekkung zwischen den Mauern der Oasengebäude, als ich die Zügel anzog. Ich blickte zurück und bemerkte hoch über mir im Mondlicht einen Pfeil mit einem Silberschweif. Das Geschoß stieg in den Himmel empor, wurde immer langsamer, schien schließlich zu verharren und stürzte in anmutigem Bogen zur Erde zurück. Das Mondlicht spiegelte sich funkelnd auf dem silbrigen Streifen.

Ich kontrollierte die Pfoten der Kaiila und fand das Gesuchte an der rechten Vorderpfote. Ich entfernte den winzigen abgerundeten Wachsball, der von Schnüren an Ort und Stelle gehalten wurde. Innerhalb des Wachses, das sich beim Reiten durch die Körpertemperatur des Tiers bald aufgelöst hätte, fand ich eine Nadel. Ich roch daran; die Spitze war mit Kanda eingeschmiert, einem gefährlichen Gift, das aus den Bodenwurzeln des Kandabusches gewonnen wird. Ich wischte die Nadel ab, säuberte sie mit einem Stück Tuch und warf Nadel und Tuch in einen Abfallhaufen.

Dann kostete ich von dem Wasser. Wie erwartet gesalzen. Das Wasser war nicht genießbar.

Ich zog den Krummsäbel aus der Scheide. Die Waffe hatte ich noch nie gesehen. Ich untersuchte sie und fand die sorgfältig eingefeilte Stelle dicht unter dem Griff. Ich ließ die Waffe leicht in den Sand fallen; die Klinge brach am Griff ab. Ich versteckte Griff und Klinge in dem Abfallhaufen. Dann zog ich die Kaiila in den Schatten.

Zwei Männer ritten vorbei Ibn Saran und Hamid.

Ich schüttete das Salzwasser in den Sand. Es war spät. Ich beschloß, mir für die Nacht eine Schänke zu suchen.

7

In dieser Nacht schlief ich nicht so gut, wie ich es mir gewünscht hätte, denn von Zeit zu Zeit galoppierten Reitergruppen mit Bögen und Lanzen durch die Straßen der Oase der Neun Brunnen. Offensichtlich wurde das umliegende Gebiet bis auf eine Entfernung von fünfzig Pasang immer wieder durchgekämmt, ohne daß man etwas fand.

Gegen Morgen jedoch vermochte ich einige Stunden lang ungestört zu schlafen, als der größte Teil der Suchgruppen in die Oase zurückkehrte erschöpft, durstig, schlaff in den Sätteln sitzend.

Ich hatte mich für ein kleines und ziemlich unscheinbares Gasthaus entschieden, dessen Wirt meiner Auffassung nach bessere Dinge zu tun hatte, als an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Zum Glück erwies sich diese Vermutung als zutreffend. Allerdings kannte er die neuesten Gerüchte. »Der Mörder ist gestern nacht in die Wüste geflohen«, vertraute er mir an.

»Geflohen!«

»Unglaublich«, sagte ich. Meine Antwort war durchaus zutreffend, denn ich für mein Teil glaubte nicht an den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung.

Ich war um die neunte Ahn aufgestanden, die auf Gor der Stunde vor der Mittagszeit entspricht.

Ich begab mich in den Stall und fütterte meine Kaiila, die in einer rückwärtigen Box stand. Anschließend gab ich dem Tier ausreichend Wasser.

Während ich frühstückte, erledigte ein Stalljunge einige kleine Besorgungen für mich. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück. Eine halbe Ahn später war ich umgekleidet: ich trug einen gelben Burnus mit einem purpurfarbenen Saum eine ziemlich auffällige Färbung, die jedoch zu einem Kaufmann paßte, der Kunden auf sich aufmerksam machen wollte. Dreist machte ich mich auf den Weg und tätigte verschiedene Einkäufe. Ich erstand einen neuen Krummsäbel, außerdem einen Satz Kaiilaglocken und zwei Säcke mit gepreßten Dattelbarren. Hierbei handelt es sich um lange, rechteckige Brocken, die etwa eine Last schwer sind nach irdischen Maßen ungefähr zwanzig Kilogramm.

Später füllte ich meine Wasserbeutel am öffentlichen Brunnen in der Nähe des Gerichtsgebäudes. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich den neuesten Klatsch.

»Aus dem Weg!« knurrte ein Soldat und bückte sich, um sein Gesicht mit Wasser zu benetzen. Ich machte ihm Platz, wie es dem Verhalten eines einfachen Dattelhändlers entsprach. Außerdem hatte der Mann eine unangenehme Nacht in der Wüste hinter sich.

»Habt ihr den Mörder schon gefunden?« fragte ich.

»Nein«, knurrte er.

»Manchmal fürchte ich um meine Sicherheit«, meinte ich.

»Mach dir keine Sorgen, Bürger«, erwiderte er und wandte sich ab. Ich erfuhr, daß die Suche nach dem Flüchtling erst am nächsten Morgen weitergehen sollte. Das mochte mir einen Vorsprung von etwa fünfzehn goreanischen Stunden verschaffen. Mehr brauchte ich gar nicht. Gegen Mittag verließ ich die Oase gemächlich ritt ich in meinem gelbpurpurnen Burnus dahin, flankiert von Wasserbeuteln und Säcken mit gepreßten Datteln, mit klimpernden Kaiilaglokken und laut rufend, um vielleicht noch einen letzten Kunden zu finden. Kaum hatte ich die hohen Palmbäume hinter mir gelassen, als ich mein Tier zur Seite ziehen mußte, um nicht von der letzten zurückkehrenden Suchgruppe niedergeritten zu werden.

Zwei Tage nach Verlassen der Oase, gut zweihundert Pasang nordöstlich von Neun Brunnen, zügelte ich meine Kaiila auf einem steinigen Hügel.

Unter mir wurde in einem Tal zwischen kahlen Felshügeln eine kleine Karawane überfallen. Zwei Kurdah wurden von Reitern an den Rahmen gepackt und geschüttelt. Die Insassen, zwei freie Mädchen, stürzten mit wirbelnden Röcken zu Boden.

Treiber und Kaufleute wurden mit Lanzen zu einer Gruppe zusammengetrieben. Ein Wächter, der sich die rechte Schulter hielt, wurde zu ihnen eskortiert.

Die Angreifer ritten die Reihe der Kaiila ab und ritzten die Säcke an, um festzustellen, was sich darin befand. Einige Kaiila wurden an den Zügeln zur Seite geführt; diese Tiere wurden mit zusätzlichen Säcken beladen. Die freien Mädchen wurden gefesselt an ein Seil gebunden, das einer der Räuber um seinen Sattelknopf wand. Ein Mann versuchte zu fliehen. Ein Reiter galoppierte ihm nach und stieß ihm den Lanzenschaft in den Nacken. Bewußtlos sank er zu Boden.

Ein Wasserbeutel wurde aufgeschlitzt; dunkel strömte die Flüssigkeit an der Flanke der Kaiila herab, die sich unruhig hin und her bewegte, und versickerte im Boden.

Andere Beutel wurden in den Sand geworfen und geöffnet; sie enthielten Waren, für die sich die Räuber nicht interessierten. Die restlichen Kaiila, von Geschirr und Zügeln befreit, wurden anschließend in die Wüste hinausgetrieben.

Die beiden Mädchen standen nun nackt im Staub. Ein Mädchen weinte, das andere schimpfte wütend. Sie betrachtete ihre gefesselten Hände, als könnte sie nicht fassen, was mit ihr geschah. Sie hatte den Kopf stolz erhoben. Ihr Haar war lang und dunkel.

Der Anführer der Räuber stieg auf seine Kaiila und stellte sich in den Steigbügeln auf. Er brüllte seinen Männern Anweisungen zu. Daraufhin zogen die Räuber ihre Kaiila herum und trabten davon. Zwei Männer hielten die Zügel zweier Packkaiila, die mit den wertvollsten Gütern beladen waren. Der Anführer hatte seinen Säbel quer über den Sattel gelegt und übernahm die Spitze. Sein Burnus bewegte sich sanft im Wind. Neben seinem Tier stolperten die beiden hübschen Gefangenen. Die Überfallenen begannen zu brüllen. Einige wagten es sogar, die Fäuste zu schütteln. Andere gingen zu den Wasserbeuteln. Ihnen blieb gerade genug Wasser, daß sie zu Fuß die Oase der Lahmen Kaiila erreichen konnten, wo man ihnen zweifellos mit Mitleid begegnen würde. Militärische Hilfe konnten sie allerdings nicht erwarten. Diese Oase lag in der entgegengesetzten Richtung zur Oase der Neun Brunnen, wo man am ehesten Bewaffnete finden konnte. Wenn der Überfall dort bekannt wurde, mochten die Räuber schon viele tausend Pasang entfernt sein.

Ich drehte meine Kaiila herum und verschwand hinter der Hügelkuppe. Ich hatte das Lager der Räuber schon gestern nacht ausfindig gemacht. Dort wollte ich sie erwarten.

Ich hatte etwas mit ihrem Anführer zu besprechen.

»Du arbeitest gut«, sagte ich zu der Sklavin. Außer ihr befand sich niemand im Lager.

Sie stieß einen Schrei aus. Der schwere abgerundete Stampfer, der etwa fünf Fuß hoch und am unteren Ende gut fünf Zoll breit war, fiel zu Boden. Er wog ungefähr dreißig Pfund. Als er den Sand berührte, kippte die schwere Holzschale um. Sa-Tarna ergoß sich über den Boden. Ich hielt das Mädchen von hinten an den Armen fest.