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»Die Kriegsboten sind bereits unterwegs«, fuhr der Händler fort. Die Männer in den zahlreichen Oasen und Nomadenbezirken und Kasbahs wurden damit zu den Waffen gerufen. Der Wüstenkrieg stand bevor.

Ein Brunnen war vernichtet worden.

»Aber die Geschäfte müssen weitergehen«, sagte der Kaufmann. Er blickte zu Hassan empor. Seine Hand berührte Zinas Körper.

»Seid ihr sicher, daß die Angreifer Aretai waren?« fragte ich den Händler.

»Ja«, sagte er. »Sie haben sich keine Mühe gegeben, diese Tatsache zu verbergen.«

»Worauf gründet sich eure Feststellung?« wollte ich wissen.

»Aus welchem Stamm kommst du denn?« fragte er.

»Dieser Mann ist Hakim aus Tor«, sagte Hassan. »Ich bürge für ihn.«

»Die Agalschnur wies die Männer als Aretai aus«, sagte der Kaufmann.

»Ebenso die Markierungen an ihren Sätteln. Und bei dem Angriff haben sie gebrüllt: »›Für Neun Brunnen und Suleiman!‹«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Wenn die Aretai den Krieg wollen bis zur Vernichtung des Wassers dann sollen sie ihn bekommen«, sagte der Kaufmann entschlossen.

»Ich möchte noch vor dem Morgengrauen weiterreiten«, bemerkte Hassan.

»Natürlich«, sagte der Händler. »Was haben wir denn hier?« fragte er und betrachtete Zina. Dann wandte er sich an zwei seiner Männer.

»Bringt die Packkaiila in meinen Hof und breitet die Waren aus.«

Hastig führten sie seinen Befehl aus.

»Das Brandzeichen des Mädchens ist frisch«, sagte der Händler lächelnd.

»Das ist wahr«, sagte Hassan.

»Zweifellos hast du ihr selbst das Eisen aufgedrückt.«

»Ja«, sagte Hassan.

»Ausgezeichnete Arbeit«, fuhr der Händler fort. »Du hast eine sichere Hand.«

Das Mädchen wimmerte.

»Ich habe schon viele Frauen gebrandet.«

Die Hände des Kaufmanns machten sich geschickt an dem Mädchen zu schaffen und erkundeten ihre körperlichen Qualitäten. Auf ähnliche Weise beschäftigte er sich mit Tafa, der anderen Gefangenen.

»Bringt sie ins Haus«, sagte er schließlich zu Hassan. »Ich werde die beiden schätzen und mache dir ein Angebot.«

»Mehr, ihr Herren?« fragte das Mädchen, das neben dem niedrigen Tisch kniete. Die Platte war kunstvoll mit Temholz eingelegt. Die Sklavin trug eine lange rote Seidenweste, die vorn von einem einzigen Haken zusammengehalten wurde; dazu einen durchsichtigen rotseidenen Chalwar, der ihr tief auf der Hüfte saß.

»Nein, Yiza, du kannst dich zurückziehen«, sagte der Kaufmann.

»Jawohl, Herr«, sagte sie leise.

Sie senkte den Blick, ergriff das Tablett mit dem schwarzen Wein und den Zuckersorten, erhob sich anmutig, machte einige Schritte rückwärts, drehte sich um und verließ den Raum.

»Die Zerstörung eines Brunnens«, sagte der Kaufmann, »ist ein geradezu unvorstellbares Verbrechen.«

Keiner von uns antwortete ihm, ebensowenig wie Hassan. Er hatte recht. Vorhin, nachdem wir die Verhandlungen abgeschlossen hatten und Hassan seine Beute Sklavinnen und andere Dinge günstig losgeworden war, hatten wir uns von ihm zu dem zerstörten Brunnen führen lassen, obwohl das zuerst nicht in unserer Absicht gelegen hatte. Im Fackelschein schufteten dort die Männer. Mit Ledereimern an langen Seilen bemühten sie sich, Steine und Sand aus dem Schacht zu holen. Bei diesem Anblick hatte Hassan die Fäuste geballt. Anschließend hatten wir uns in das Haus des Kaufmanns zurückgezogen, um schwarzen Wein zu trinken. Es waren noch zwei Ahn bis zum Morgengrauen.

Die verschiedenen Beutestücke erbrachten insgesamt elf Tarnscheiben aus Ar und vier aus Turia. Seinen neun Männern hatte Hassan jeweils eine Tarnscheibe aus Ar zugeworfen und den Rest für sich behalten. Eine goldene Tarnscheibe ist mehr als der Jahreslohn manches einfachen Arbeiters. Viele Goreaner niedriger Kaste haben eine solche Münze noch nie in der Hand gehalten. Hassans Männer warteten vor dem Gebäude, die Zügel ihrer Kaiila in der Hand. »Das Seltsamste ist aber«, sagte der Kaufmann und sah uns etwas ratlos an, »daß die niederträchtigen Aretai von einer Frau angeführt wurden!«

»Eine Frau?« fragte Hassan.

»Ja«, sagte der Kaufmann.

»Und die Kriegsboten sind bereits ausgeschickt worden?« wollte Hassan wissen.

»Zu allen Oasen der Kavars und ihrer verbündeten Stämme«, sagte der Händler.

»Ist vielleicht die Rede gewesen von Waffenstillstand, von Verhandlungen?« fragte Hassan.

»Mit Männern, die Brunnen zerstören?« fragte der Kaufmann. »Natürlich nicht!«

»Und was meint Haroun, der hohe Pascha der Kavars, zu der ganzen Sache?« erkundigte sich Hassan.

»Wer weiß schon, wo Haroun steckt?« fragte der Händler und breitete die Hände aus.

»Und sein Wesir Baram, Scheich von Bezhad?«

»Die Kriegsboten sind unterwegs«, sagte der Mann.

»Ich verstehe.«

»Die Stämme kommen zusammen«, fuhr der Kaufmann fort. »Es wird Krieg geben in der Wüste.«

»Ich bin müde«, sagte Hassan, »und ich halte es nicht für klug, mich bei Tageslicht in der Oase der Zwei Krummsäbel sehen zu lassen.«

»Hasaad Pasha, unser Herr, weiß, daß Räuber in die Oase der Zwei Krummsäbel kommen«, sagte der Händler lächelnd. »Das ist nur gut für unsere Wirtschaft. Wir liegen abseits der wichtigen Handelsrouten.«

»Offiziell weiß er nichts«, entgegnete Hassan. »Und ich möchte nicht, daß er hundert Soldaten auf die Suche nach mir schicken muß, nur um der Bitte aufgeregter Bürger nachzukommen. Mir und meinen Männern ist im Augenblick nicht nach einem anstrengenden Ritt zumute. Und wenn wir uns tatsächlich über den Weg liefen, wäre das für beide Gruppen ziemlich peinlich. Was sollten wir dann wohl tun?«

»Vielleicht könntet ihr aneinander vorbeireiten und dabei laut brüllen?«

schlug der Kaufmann vor.

»Das wäre eine Möglichkeit«, sagte Hassan lächelnd.

»Wahrscheinlich müßtet ihr euch gegenseitig umbringen«, sagte der Kaufmann. »Möglich.«

»In der Nacht«, sagte der Kaufmann, »bist du mit deinen Männern in der Oase der Zwei Krummsäbel stets willkommen.«

»Willkommen bei Nacht, verfolgt bei Tage«, bemerkte Hassan. »Ich glaube, das Denken ehrlicher Männer wird mir immer ein Rätsel bleiben.«

»Wir sind wirklich kompliziert«, räumte der Kaufmann ein.

»Ich wünschte, die Bewohner anderer Oasen wären ebenso kompliziert«, sagte Hassan. »Mancherorts ist nämlich eine hohe Belohnung auf meinen Kopf ausgesetzt.«

»Wir Bewohner der Oase der Zwei Krummsäbel«, sagte der Kaufmann,

»sind natürlich nicht verantwortlich für den Mangel an Einsicht bei solchen primitiven Burschen.«

»Aber an wen verkaufst du die Waren, die ich dir bringe?« fragte Hassan.

»An eben diese primitiven Burschen«, sagte der Kaufmann.

»Ich verstehe. Na ja, es wird bald hell. Ich muß weiter.«

Er richtete sich nicht ohne Mühe auf, hatte er doch mehrere Stunden lang mit untergeschlagenen Beinen dagesessen. Ich stand ebenfalls auf.

»Mögen eure Wasserbeutel niemals leer sein. Auf daß ihr immer Wasser habt«, sagte der Händler.

»Mögen deine Wasserbeutel niemals leer sein«, gaben wir zurück. »Auf daß du immer Wasser hast.«

Es war kurz vor Beginn der Morgendämmerung. Tau befeuchtete die Steine ringsum. Hassan und seine Männer stellten die Füße in die Steigbügel und hoben sich in die Sättel ihrer Kaiila. Ich folgte ihrem Beispiel.

»Hassan«, sagte ich.

»Ja?«

»Der Händler hat uns erzählt, vor sechs Tagen hätten Aretai von den Neun Brunnen die Oase des Sand-Sleen überfallen.«

»Ja.«