»Na und?«
»Der Krummsäbel der Kavars«, erklärte er, »deutet nach außen, weg vom Körper, zum Gegner.«
Ich sah ihn an.
Lächelnd hob Hassan seinen linken Ärmel. Verblüfft sah ich das Zeichen auf seinem linken Unterarm.
»Dies«, sagte Hassan lächelnd, »ist der Krummsäbel der Kavars.«
Wie er gesagt hatte, deutete die Spitze vom Körper weg.
»Du bist ein Kavar«, sagte ich.
»Natürlich«, sagte Hassan.
Wir fuhren herum. Wir hatten ein leises Geräusch vernommen. Wir standen im Zentrum eines Ringes aus purpurgekleideten Kaiilareitern. Lanzen waren auf uns gerichtet, drängten uns zur großen Mauer. Pfeile zielten auf unsere Herzen.
»Da sind sie«, sagte der Mann, mit dem wir vorhin in der Gasse gekämpft hatten.
»Sollen wir sie umbringen?« fragte der Mann.
»Hebt die Köpfe«, sagte das Mädchen.
Wir gehorchten.
»Tarna?« fragte er.
»Nein«, sagte sie. »Die beiden sehen ansprechend aus und sind kräftig. Sie sind nicht uninteressant. Macht sie zu Sklaven.«
»Jawohl, Tarna«, sagte der Mann.
»Der da«, sagte das Mädchen und sah mich gelassen an. »Entkleidet ihn und fesselt ihn an meinen Steigbügel.«
10
Prustend ließ ich mich auf den Rücken rollen.
Ich fühlte mich wohl. Die Wassertemperatur war vielleicht ein wenig hoch, außerdem war das Wasser parfümiert. Doch ich hatte nichts dagegen. Seit meinem letzten Bad waren Wochen vergangen. Ich wußte die Gastfreundschaft zu schätzen im männlichen Serail in der Kasbah Tarnas, der Banditenführerin der Tahari.
»Beeil dich, Sklave«, sagte das große dunkelhaarige Mädchen in dem knöchellangen weißen Gewand. »Die Herrin erwartet dich bald.« Sie hielt mir vier schneeweiße Handtücher hin. Auf der anderen Seite sortierte ein zweites Mädchen Badeöle in ein Gestell. Sie hatte mich von oben bis unten damit eingerieben, ehe ich mich im zweiten und tieferen Becken abspülen durfte. Es war sehr angenehm im Wasser. Ich wollte noch nicht wieder hinaus.
Hassan, der ein kurzes weißseidenes Kleidungsstück trug, saß mit untergeschlagenen Beinen in der Nähe. »Dir scheint es ja wieder ganz gut zu gehen«, sagte er zu mir.
»Ist deine Herrin hübsch?« fragte ich das dunkelhaarige Mädchen.
»Komm heraus und trockne dich ab«, sagte sie.
Vor vier Tagen, bei Morgengrauen, verließ Tarna an der Spitze ihrer Männer die Oase der Schlacht am Roten Felsen. Nur die Zitadelle, die Kasbah, hatte dem Angriff widerstanden. Sämtliche Palmenhaine waren verwüstet worden, die Gärten vernichtet, vier der fünf öffentlichen Brunnen zugeschüttet. Den letzten Brunnen hatten die Oasenbewohner allerdings zu energisch verteidigt. Die Streitmacht der Angreifer hatte aus vier bis fünfhundert Reitern bestanden. Als sie den Roten Felsen verließen, waren ihre Kaiila mit Beute schwer beladen. Etwa vierzig Sklavinnen wurden mitgenommen, außerdem zwei männliche Sklaven Hassan und ich. Als Tarna die Oase der Schlacht am Roten Felsen verließ, hoch aufgerichtet im Sattel, ohne sich umzusehen, war ich nackt neben ihr hergetrabt; eine Kette führte von meinem Hals zu ihrem Steigbügel. Hassan taumelte ähnlich angebunden neben dem Tier eines Offiziers her. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, und der Sand war noch nicht allzu heiß, als wir die Beutewagen der Angreifer erreichten, die in der Wüste stehengeblieben waren. Hassan und ich wurden gefesselt und mit einer Sklavenhaube versehen in ein Gefährt verladen. Die Sklavinnen bekamen ebenfalls eine Kapuze übergestreift. Tarna, die Banditenführerin der Tahari, wollte den Standort ihrer Kasbah geheimhalten. Heute früh, kurz nach Beginn des Morgengrauens, waren wir vor der Kasbah eingetroffen. Daraufhin hatte man mich und die anderen Gefangenen wieder aus den Wagen geholt. Man nahm uns die Hauben ab und kettete uns wieder an den Steigbügeln fest. So sollten wir in die Stadt einmarschieren, damit die Bewohner und Soldaten der Kasbah sich die Beute aus der Nähe anschauen konnten. Zugleich wurden die Planen der Wagen zurückgeschlagen, damit die erbeuteten Schätze sichtbar waren.
Aus der Kolonne der Kaiilareiter wurde mit Spiegeln ein Signal gegeben. Daraufhin stieg über der Kasbah ein Siegeswimpel empor. Das Tor schwang auf. Plötzlich gab Tarna ihrer Kaiila die Sporen. Die Kette versetzte mir einen schmerzhaften Ruck. Ich wurde von den Füßen gerissen und durch Unterholz und Staub geschleift, wobei ich mich immer wieder im Kreise drehte. Etwa hundert Meter weit ritt die Banditenführerin, ehe sie ihre Kaiila zügelte. »Hast du Kräfte? Kannst du laufen?« fragte sie.
Ich sah sie an hustend, staubbedeckt, zerkratzt.
»Hoch mit dir!« sagte sie, und ihre Augen blitzten über dem purpurnen Schleier. »Ich werde dich das Kriechen lehren.« Mühsam rappelte ich mich wieder auf. Langsam ritt sie an, ließ die Kaiila im großen Bogen im Schritt gehen und erhöhte langsam das Tempo.
»Ausgezeichnet!« rief sie.
Ich war immerhin ein Angehöriger der Kriegerkaste. Und unter Kriegern hatte ich als wendig und kräftig gegolten. Sie erhöhte das Tempo. Mein Herz klopfte; ich rang nach Atem. Mehr als einen Pasang weit ließ sie mich durch die Wüste laufen.
»Unglaublich!« lachte sie und spornte ihre Kaiila noch mehr an, so daß ich erneut von den Füßen gerissen und hinter dem Tier hergeschleift wurde. Nach einem ViertelPasang ließ sie mich wieder auf die Beine kommen. Erschöpft, zittrig, blutig, mit brennendem Hals, torkelte ich das letzte Stück hinter ihr her; sie ritt zur Spitze der Kolonne zurück. Schließlich sank ich neben ihrem Steigbügel in die Knie; es wurde mir schwarz vor Augen.
»Sieh mich an, Sklave!« befahl sie. Ich gehorchte. »Steh auf!«
Ich stand auf. Sie schien überrascht zu sein. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, daß ich überhaupt noch stehen konnte.
»Du bist stark«, sagte sie schließlich. Ich spürte die Spitze ihres Krummsäbels unter dem Kinn; sie zwang mich, den Kopf zu heben.
»Es gefällt mir, Männer neben meinem Steigbügel herlaufen zu lassen«, sagte sie. »Du bist stark. Es wird mir Spaß machen, dich zu zähmen.«
Sie drehte sich im Sattel um und deutete auf die ferne Kasbah. »Weiter!«
brüllte sie, und die Kolonne bewegte sich auf das große Tor ihrer Wüstenfestung zu. Voller Interesse stellte ich fest, daß eine zweite Kasbah ganz in der Nähe lag. Etwa zwei Pasang östlich erhob sich eine viel größere Wüstenfestung. Ich wußte nicht, wem dieses imposante Bauwerk gehörte.
Nach kurzer Zeit erreichte Tarna mit ihren Männern, ihrer Beute und ihren Sklaven das große Tor. Sie hob Arme und Krummsäbel und genoß den ausbrechenden Jubel.
»Beeil dich, Sklave«, sagte das große dunkelhaarige Mädchen. »Die Herrin erwartet dich bald.«
»Ist deine Herrin hübsch?« fragte ich. Ich hatte Tarnas Gesicht unter dem Sandschleier nicht deutlich sehen können. Ich bezweifelte nicht, daß die Anführerin der Banditen eine stolze Frau von ungewöhnlicher Schönheit war. Allerdings hatte sich unter dem weiten Burnus ihre Figur bisher nur andeutungsweise abgezeichnet. Die Schönheit einer Frau läßt sich nur dann richtig beurteilen, wenn sie nackt ist - nackt wie die Sklavin, die zum Verkauf kommt.
»Sie ist häßlich wie ein Sand-Sleen!« sagte das dunkelhaarige Mädchen.
»Beeil dich!«
»Wir haben unsere Herrin noch nie unbekleidet gesehen«, sagte das zweite Mädchen, das für die Badeöle zuständig war.
»Beeil dich, Sklave«, wiederholte das erste Mädchen. »Sonst rufen wir die Wächter und lassen dich auspeitschen.« Sie sah sich nervös um. Ich nahm an, daß man sie dafür verantwortlich machen würde, wenn ich nicht rechtzeitig fertig war.
Ich aalte mich im Wasser. Ich hatte gut zu essen bekommen. Ich hatte seit dem Morgen gut geschlafen. Ich fühlte mich ausgeruht. Und heute nacht stand mir ein langer Kaiilaritt bevor.
»Was wird aus den Sklavinnen, die am Roten Felsen gefangengenommen wurden?« fragte ich.
»Sie werden mit dem Wagen zu den Sklavenmärkten von Tor gebracht.«