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In dem anschließenden Saal erblickten wir auf einem Podest mehrere Männer, die eine Gestalt umringten. Nach Art der Char waren die Männer verschleiert. Sklavinnen bedienten die Gruppe. Ein Mädchen kam aus dem Saal und senkte sofort den Blick. Gefesselt wurden Hassan und ich in den riesigen Thronsaal geführt. Die anwesenden Männer blickten auf.

Wir wurden vor die Plattform gestoßen. »Kniet nieder und küßt den Boden vor den Füßen eures Herrn!« sagte der Mann. Hassan und ich knieten nieder. Krummsäbel waren blank gezogen. Wir küßten die Kacheln und richteten uns wieder auf. In einer solchen Situation mußte Ungehorsam die sofortige Enthauptung zur Folge haben.

Der Mann, der mit untergeschlagenen Beinen auf der Plattform saß, musterte uns.

Wir schwiegen.

Er hob den Finger.

»Ihr dürft euren Respekt noch einmal bekunden«, befahl der Mann hinter uns.

Und wieder berührten wir den Boden mit den Lippen und richteten uns auf.

»Ich hatte nicht angenommen, daß die Frau euch gefangenhalten könnte«, sagte der Mann auf der Plattform lächelnd.

Wir antworteten nicht.

»Ich rechne damit, daß ich in diesem Punkt besser abschneide«, fuhr der Mann fort. Er war verschleiert, wie es bei den Char üblich ist. Er nahm eine Weintraube aus einer kleinen Schale neben sich, zog den Schleier von seinem Gesicht fort, steckte die Frucht in den Mund und biß hinein. Die Traube war bereits entkernt.

Ich sah mich unauffällig in dem Raum um ein herrlicher, weiträumiger Saal mit hoher Decke, ausgekachelt, herrlich geschmückt. Ein Wesir, ein Pascha, ein Kalif hätte in einem solchen Saal seine Audienzen abhalten können.

»Sie ist ein ausgezeichnetes Werkzeug«, sagte der Mann auf der Plattform, schluckte die Frucht hinunter, säuberte seine rechte Hand in einer kleinen Schale mit Veminiumwasser und trocknete sie an einem Tuch zu seiner Rechten ab. »Doch in letzter Konsequenz ist sie nur eine Frau. Ich hatte nicht angenommen, daß sie euch lange in ihrer Kasbah halten konnte. Ihr wart kaum mehr als zwanzig Ahn in ihrer Gewalt.«

»Und dann sind wir dir in die Hände gefallen«, sagte Hassan. Der Mann zuckte unmerklich die Achseln, wie es in der Tahari üblich ist.

»Mir ist nicht klar«, fuhr Hassan fort, »warum ein einfacher Dattelhändler wie mein Freund Hakim aus Tor und ich, ein unbedeutender Bandit, für einen Mann deines hohen Ranges von Bedeutung sind.«

Der Mann sah Hassan an. »Du hast mir einmal etwas fortgenommen«, sagte er, »etwas, für das ich mich sehr interessierte.«

»Ich bin Bandit«, sagte Hassan ungerührt. »Das ist mein Geschäft. Vielleicht könnte ich dir den Gegenstand zurückgeben, wenn du noch ernsthaft daran interessiert bist.«

»Ich habe mir den Gegenstand längst besorgt«, lautete die Antwort.

»Dann habe ich dir wohl kaum etwas zu bieten«, räumte Hassan ein.

»Worum handelt es sich?«

»Eine Kleinigkeit«, sagte der Mann.

»Vielleicht war ein anderer Bandit daran schuld«, meinte Hassan. »Mit dem Schleier sehen wir uns sehr ähnlich.«

»Ich war Zeuge des Diebstahls«, sagte Abdul. »Und du hieltest es nicht für erforderlich, deine Züge zu verhüllen.«

»Das mag unklug gewesen sein«, sagte Hassan. Seine Neugier schien geweckt zu sein. »Dabei erinnere ich mich nicht, einen meiner Coups durchgeführt zu haben, während du in der Nähe warst. In der Tat bin ich heute zum erstenmal in deiner Kasbah.«

»Du hast mich nicht erkannt«, sagte der Mann.

»Ich wollte nicht unhöflich sein.«

»Du warst damals verständlicherweise in Eile.«

»Bei meinen Geschäften kommt es oft auf Eile an«, sagte Hassan. »Was habe ich dir denn gestohlen?«

»Eine Kleinigkeit.«

»Ich hoffe, daß du mir verzeihst«, sagte Hassan. »Außerdem hast du das Verlorene ja zurück, was immer es sein mag, und ich hoffe, daß du bereit bist, die Vergangenheit ruhen und mich und meinen Freund abreisen zu lassen wobei du uns nach Möglichkeit unsere Kaiila, unsere Kleidung und sonstigen persönlichen Dinge zurückgeben und uns vielleicht mit Wasser und Vorräten ausrüsten solltest. Wir könnten auf diese Weise Weiterreisen, uns überall an den Lagerfeuern positiv über deine Großzügigkeit und Gastfreundschaft äußern und brauchten dir nicht länger zur Last zu fallen.«

»Leider ist das nicht möglich«, sagte der Mann.

»Eigentlich hatte ich nichts anderes erwartet«, stellte Hassan fest.

»Du bist Bandit«, sagte der Mann auf der Plattform.

»Zweifellos hat jeder von uns seinen Beruf«, sagte Hassan. »Ich bin nun mal Bandit. Sicher möchtest du mir meinen Beruf nicht vorwerfen.«

»Nein«, sagte der Mann, »doch auch ich habe meine Pflichten, und zu diesen Pflichten zählt die Verfolgung und Bestrafung von Banditen. Sicher willst du mir meine Pflichten nicht vorwerfen.«

»Natürlich nicht«, sagte Hassan. »Das wäre nicht nur unvernünftig, sondern auch unhöflich.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf mich.

»Ich bin allerdings mit diesem Burschen zusammen gereist, einem ungeschickten, wenn auch gutmütigen Dummkopf, einem langweiligen Dattelhändler, Hakim aus Tor geheißen. Der Mann ist nicht besonders klug, doch sonst ganz in Ordnung. Wir sind zufällig aneinander geraten. Wenn du ihn befreist, würde man an den Lagerfeuern sicher positiv von deiner Großzügigkeit und Gastfreundschaft sprechen.«

»Man wird sich an den Lagerfeuern ein anderes Thema suchen müssen«, sagte der Mann.

Mehrere Männer saßen mit ihm auf der Plattform; dazwischen niedrige Tische mit Nüssen, Früchten, geröstetem Verr, verschiedene Brotsorten. Mehrere Sklavinnen knieten am Rand der Plattform und warteten darauf, die Männer zu bedienen. Einige trugen hohe Kragen. Im Gegensatz zu den Männern waren die Mädchen nicht verschleiert.

»Ich habe lange darauf gewartet, dich vor mir knien zu sehen«, sagte der Mann und hob die Finger. Vier Mädchen hasteten mit klirrenden Sklavenglöckchen zu Hassan und mir. Sie blickten zu der Gestalt auf der Plattform. »Seid ihnen zu Gefallen«, befahl er. Wir wehrten uns. Mit Lippen, Zungen und zärtlichen Fingern machten sich die Mädchen daran, uns Freude zu bereiten. Die Fesseln schnitten uns in die Handgelenke. Die Seile um unsere Hälse engten uns ein. Wir vermochten uns nicht zu befreien. Die Anwesenden sahen belustigt zu und weideten sich genüßlich an der Hilflosigkeit, in der wir die handfesten Zärtlichkeiten über uns ergehen lassen mußten. Wieder hob der Verschleierte einen Finger. Andere Mädchen eilten mit leckeren Bissen herbei, die sie uns in den Mund steckten. Ein Mädchen hielt uns den Kopf; andere schütteten uns Wein in den Mund - turischen Wein, süß und schwer, Ta-Wein aus den berühmten Ta-Trauben von den Hängen Cos’, Kalana-Wein, herb und trocken, aus dem fernen Ar. Uns schwirrten die Köpfe. Wir vernahmen Musik. Musiker hatten den Raum betreten. »Feiert«, sagte der Mann auf der Plattform und klatschte in die Hände. Wir schüttelten die Köpfe, versuchten den Einfluß des Weins loszuwerden. Wir wehrten uns. Ich versuchte, mich den übereifrigen Lippen und Händen der Sklavinnen zu entziehen. »Tafa liebt dich«, flüsterte eine. Mein Wächter hielt mich am Haar fest. Ich schloß die Augen. Ihre Lippen berührten mich am linken Ohr. »Tafa liebt dich, Herr«, flüsterte sie. Ich war verblüfft. Plötzlich wurde mir klar, daß ich das Mädchen schon einmal gesehen hatte sie war eine von den beiden Mädchen, die Hassan in der Wüste erbeutet hatte, ehe wir uns kennenlernten. Wir hatten sie zusammen mit Zina in der Oase der Zwei Krummsäbel verkauft.

Ich versuchte, mich von ihr zu lösen, wurde aber festgehalten. »Tafa möchte dir Freude machen«, flüsterte sie. Ich spürte die Lippen eines zweiten Mädchens an Bein und Hüfte, am Glied.

Die verschleierten Männer beobachteten mich lächelnd, schweigend. Wieder klatschte der Herr der Kasbah in die Hände. Vor uns erschien ein Mädchen auf den Kacheln; sie trug Ketten.

Hassans Augen waren ausdruckslos.

Es war Alyena.