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»Erinnerst du dich an dieses Mädchen?« wandte sich der Verschleierte an Hassan.

»Ja.«

»Von diesem Geschöpf habe ich vorhin gesprochen. Sie ist die Kleinigkeit, an der ich Interesse hatte - ehe du sie mir nahmst. Ich habe sie wieder an mich gebracht.«

Alyena erbebte unter Hassans Blick.

»Man hat mich in der Nähe des Roten Felsens eingefangen«, sagte sie. Tränen standen ihr in den Augen.

»Sie war in Begleitung mehrerer Männer«, sagte der Mann auf der Plattform. »Sie alle haben gut gekämpft und vermochten in die Wüste zu entkommen.«

Wie konnte es dann sein, fragte ich mich, daß die liebliche Alyena hier vor uns stand?

»Seltsamerweise«, fuhr der Mann fort, »drehte dieses Mädchen plötzlich ihre Kaiila herum, obwohl sie bereits so gut wie in Sicherheit war, und galoppierte zur Oase zurück.«

Die Oase der Schlacht am Roten Felsen mußte in diesen Minuten bereits in Flammen gestanden haben.

»Natürlich wurde sie sofort gefangengenommen«, erklärte der Mann.

»Sie rief immer wieder den Namen Hassan.«

Es war zu sehen, daß Hassan sich ganz und gar nicht darüber freute. Sie hatte seinem Befehl zuwider gehandelt, ganz zu schweigen von dem Umstand, daß sie als Sklavin seinen Namen nicht hätte aussprechen dürfen.

»Ich liebe dich, Herr!« rief das Mädchen jetzt. »Ich wollte bei dir sein!«

»Du bist eine entflohene Sklavin«, erwiderte er.

Sie begann zu weinen. »Verzeih mir, Herr!« rief sie. »Ich liebe dich!« Sie hatte ihr Leben riskiert, um zu Hassan zurückzukehren. Sie liebte ihn; trotzdem schuldete sie ihrem Herrn absoluten Gehorsam. Sie hatte in zwei Punkten seine Anweisungen mißachtet, und ich nahm nicht an, daß er sie großzügig behandeln würde. Die Liebe gestattet einer Sklavin keine Freiheiten.

»Herr, was soll ich tun?« flehte Alyena. Wie schön sie war. Die Blicke aller Anwesenden waren auf sie gerichtet. Außer dem Schmuck, den Glocken, dem Kragen und den Kosmetika trug sie sechs seidene Stoffbahnen, die von ihrem Kragen ausgingen; sie bot einen herrlichen Anblick.

Der Mann auf der Plattform hob den Finger.

»Tanze für uns, Sklavin«, sagte Hassan.

Langsam senkte sich der Finger des Verschleierten, und die Musiker begannen zu spielen. Alyena setzte sich in Bewegung. Sie war eine höchst attraktive Kleinigkeit.

Das Fest zog sich bis in die späten Abendstunden hin; dabei bereiteten uns die schönen Mädchen des Salz-Ubar viel Freude.

Schließlich sagte er: »Es ist spät. Ihr solltet euch zurückziehen, denn ihr müßt vor dem Morgengrauen wieder hoch.«

»Du verschleierst dich wie ein Char«, sagte ich, »doch ich glaube nicht, daß du diesem Stamm angehörst.«

»Nein«, erwiderte der Mann auf der Plattform.

»Ich hatte nicht gewußt, daß du der Salz-Ubar bist«, sagte ich.

»Das ist vielen unbekannt.«

»Warum bist du verschleiert?«

»Es ist Sitte bei den Angehörigen der Wache der Dünen, sich zu verschleiern. Ihre Loyalität gehört nicht einem einzelnen Stamm, sondern dem Schutz des Salzes. Die Anonymität ist ein Schutz für sie. Auf diese Weise können sie sich ohne Schleier ungehindert bewegen; niemand weiß, daß sie von mir bezahlt werden. Wenn sie den Schleier tragen, vermag man ihre Handlungen nicht auf eine Einzelperson zurückverfolgen, sondern nur auf eine Institution, nämlich mein Ubarat.«

»Du hältst offenbar viel von deinem Amt«, sagte ich.

»Nur wenige kennen die Männer des Salz-Ubar«, erwiderte er. »Ihre Schleier sind überall gefürchtet.«

»Ich fürchte sie nicht«, schaltete sich Hassan ein. »Nimm mir die Fesseln ab, gib mir einen Krummsäbel, dann wollen wir die Angelegenheit prüfen.«

»Sind noch andere hier, die ich kenne?« wollte ich wissen.

»Vielleicht«, sagte der Mann und wandte sich an seinen Hofstaat. »Legt die Schleier ab«, befahl er.

Die Männer zogen die scharlachroten Schleier von den Gesichtern.

»Hamid«, sagte ich, »Leutnant Shakars, des Hauptmanns der Aretai.«

Ich nickte.

Der Mann sah mich haßerfüllt an. Seine Hand ruhte auf dem Dolchgriff.

»Ich möchte ihn umbringen«, sagte er.

»Vielleicht fängst du es diesmal geschickter an als bei Suleiman Pascha«, sagte ich.

Hamid stieß einen Wutschrei aus.

Der Anführer, der Salz-Ubar, hob einen Finger, und der Mann verstummte mit blitzenden Augen.

»Es ist ein zweiter Mann im Saal, den ich kenne«, sagte ich und deutete mit einem Kopfnicken auf eine kleine Gestalt neben dem Salz-Ubar.

»Allerdings ist er jetzt kostbarer gekleidet als bei unserer letzten Begegnung.«

»Er ist mein Agent in Tor«, sagte der Salz-Ubar.

»Abdul der Wasserverkäufer«, sagte ich. »Ich habe dich einmal für einen anderen gehalten.«

»Oh?«

»Darauf kommt es jetzt nicht mehr an.« Ich lächelte vor mich hin. Ich hatte in ihm den ›Abdul‹ der Warnung gesehen, die in die Kopfhaut des Botenmädchens Veema tätowiert worden war. Ich hatte noch immer keine Ahnung, wer uns diese Nachricht geschickt hatte. Wie mir inzwischen klar war, bezog sich die Warnung auf Abdul, den Salz-Ubar. Der Unbekannte, der uns die Botschaft übermittelt hatte, stammte zweifellos aus der Tahari. Dementsprechend hatte er sich nicht vorstellen können, daß wir die Worte mißverstehen würden. Im historischen Sinne, im planetarischen Sinne wäre zu dieser Zeit in der Tahari nur ein ›Abdul‹ in Frage gekommen, nämlich der mächtige, gefürchtete Wächter der Dünen, der Salz-Ubar. Er war ein kampfstarker Gefolgsmann der Kurii. Samos und ich hatten zwar schon von dem Salz-Ubar gehört, kannten aber seinen Namen nicht, der selbst in der Tahari nicht oft ausgesprochen wird. Es ist schwierig festzustellen, wer zu seinen Spionen gehört und wer nicht. Seine Kämpfer kommen aus den verschiedensten Stämmen. Wäre mir der Name des Salz-Ubar von vornherein bekannt gewesen, hätte ich mich vielleicht anders verhalten. Ich fragte mich, wer uns die Warnung geschickt hatte: ›Vorsicht vor Abdul‹. Wie selbstgefällig war ich doch gewesen, wie gewiß, dieses Rätsel gelöst zu haben!

»Darf ich ihm die Kehle durchschneiden?« fragte der Wasserverkäufer.

»Mit unserem Freund haben wir andere Pläne«, sagte der Salz-Ubar. Er hatte seinen Schleier bisher noch nicht abgenommen.

»Bist du schon lange als Abdul bekannt?« fragte ich den Salz-Ubar.

»Seit etwa fünf Jahren«, erwiderte er. »Seitdem ich diese Kasbah unterwandern und meinen Vorgänger absetzen konnte.«

»Du dienst den Kurii«, stellte ich fest.

Der Mann zuckte die Achseln. »Und du dienst den Priesterkönigen«, erwiderte er. »Wir haben beide viel gemein, wir sind beide Söldner. Nur bist du nicht so klug wie ich, denn du dienst nicht der Seite, welche das Salz des Sieges kosten wird.«

»Die Priesterkönige sind ernstzunehmende Gegner«, sagte ich.

»Aber nicht so sehr wie die Kurii«, erwiderte er. »Der Kur ist hartnäckig, zielstrebig, wild. Er setzt sich durch. Die Priesterkönige werden fallen. Sie sind degeneriert, haben sich überlebt. Sie werden ihr Ziel nicht erreichen.«

Seine Worte entsprachen vermutlich der Wahrheit. Der Kur ist ein entschlossenes, aggressives, gnadenloses Geschöpf. Er ist hochintelligent, besitzt einen natürlichen Blutdurst und hat keine Skrupel, einen Gegner zu töten, um seinen Hunger zu stillen oder Besitzansprüche durchzusetzen. Die Priesterkönige dagegen sind relativ sanftmütige Wesen, anfällig, anmutig. Sie interessieren sich im Grunde nicht für Konflikte; in militärischer Hinsicht reagieren sie fast immer defensiv, und es liegt ihnen mehr daran, in Ruhe gelassen zu werden. Ich wußte nicht, ob die Priesterkönige bei all ihrer geistigen Brillanz und ihrem umfassenden Wissen das Drüsen und Nervensystem hatten, um die natürliche Motivation der Kurii zu verstehen. Die wahre Beschaffenheit der Kurii blieb ihnen vielleicht verschlossen, ähnlich wie eine drohende Farbe, die ihre Augen nicht erfassen konnten, oder ein schreckliches Geräusch, auf das ihre Sinnesorgane nicht ansprachen.

»Deine Worte dürften stimmen«, sagte ich.

»Ich werde dich nicht bitten, den Kurii zu dienen.«