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»Hier!« rief ich. »Das Floß ist hier!« Ich kniete auf dem Floß. Ich wußte nicht, ob ich allein war oder nicht. »Hier!« rief ich. »Hier! Hier!«

»Hilfe!« riefen einige Stimmen. Ich hörte zwei Männer auf das Floß klettern. Einer begann haltlos zu schluchzen. Ein dritter Mann zog sich an Bord und begann, sinnlos hin und her zu wandern. »Hock dich hin!«

rief ich.

»Wir müssen uns retten!« gab er zurück und sprang ins Wasser.

»Komm zurück!« brüllte ich ihm nach. Vermutlich hatte er die Absicht, zum Dock zu schwimmen, das immerhin vier Pasang entfernt war. Doch er kam nicht zurück, auch als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß er die falsche Richtung eingeschlagen hatte.

»Armer Tor«, sagte eine Stimme neben mir.

»Hassan!« rief ich.

»Ja«, antwortete er leise.

»Hilfe!« rief jemand. Ich tastete nach einer Stange, fand sie und hielt sie in die Richtung der Stimme. Gleich darauf zog ich den Mann an Bord. Ich versuchte, einen zweiten Leidensgenossen auf ähnliche Weise zu retten, doch der Alte zog ihn mir im letzten Augenblick von der Stange. Ich sah Lichter auf dem Wasser, ein zweites Floß, das langsam näher kam. An seinem Bug stand T’Zshal mit erhobener Lanze.

Die beiden Flöße stießen aneinander, und wir stiegen um.

»Irgendwo schwimmt noch ein Mann herum«, sagte ich zu T’Zshal. »Er ist in diese Richtung geschwommen.«

»Dummkopf!« sagte T’Zshal und sah uns an. »Der Alte«, sagte er dann. Es war keine Frage.

Der Steuermann nickte. Er hatte den Zwischenfall überlebt.

»Wir sollten umkehren«, forderte einer der Stakenmänner auf T’Zshals Floß.

T’Zshal sah sich um. Ich und Hassan hatten überlebt, außerdem der Steuermann und der Kerl, den ich gerettet hatte.

Ich wußte nicht, ob der Schwimmer noch lebte oder nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß seine Chancen allzu gut standen.

»Wir sollten zum Dock zurückkehren«, sagte einer der Männer auf T’Zshals Floß.

T’Zshal starrte auf das dunkle Wasser. »Der Alte ist wieder da«, sagte er. »Und er hat seine alten Tricks nicht vergessen. Wir fahren in diese Richtung. Dort schwimmt noch einer von uns.«

Seine Bootsleute murrten, doch sie gehorchten.

Eine Ahn später fanden wir den Mann.

»Sei gegrüßt«, sagte der Schwimmer.

»Sei gegrüßt«, erwiderte T’Zshal und zog ihn aus dem Wasser.

»Ich bin geschwommen«, sagte der Mann.

T’Zshal bettete ihn auf die Planken des Floßes. Der Schwimmer schien den Alten völlig vergessen zu haben. Er schlief sofort ein.

»Zurück zum Dock!« befahl T’Zshal.

Das schwere Floß wurde gewendet und bewegte sich langsam auf die Docks zu. Hassan und ich sahen uns an. Wir hatten in dem Moment beschlossen, T’Zshal am Leben zu lassen.

»Morgen«, sagte T’Zshal, »kehre ich in diese Höhle zurück.«

»Ich werde dich begleiten«, sagte ich.

»Ich ebenfalls«, versicherte Hassan.

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15

An jenem Tag gab es wohl kein Besatzungsmitglied der Flöße, das nicht mindestens einen Kameraden an den Alten verloren hatte.

»Wir werden den Alten jagen«, hatte T’Zshal verkündet. Es bereitete ihm keine Mühe, Freiwillige zu finden.

»Weckt mich«, hatte T’Zshal gesagt, »wenn die Lelts fort sind.«

In der Tiefe der Höhle, weit entfernt von den Salzdocks, verlangsamten wir die Fahrt des Floßes und hielten es mit den langen Pfählen an Ort und Stelle fest. Der Mann, der schon während des Angriffs das Steuer geführt hatte, lenkte auch diese schwerfällige offene Plattform, die unser einziger Schutz war. Außer ihm waren nur Hassan und ich von der gestrigen Mannschaft dabei. An den Ecken des Floßes brannten vier Lampen auf Pfählen. Fackeln lagen bereit, sie konnten notfalls an den Lampen entzündet und über das Wasser gehalten werden.

»Weckt mich, wenn die Lelts verschwunden sind«, hatte T’Zshal gesagt.

»Ich schlafe jetzt ein bißchen.« Daraufhin hatte er sich hingelegt, hinter den Rahmen, in dem die Salzfässer gelagert werden. Neben ihm ruhte die lange etwa neun Fuß lange Lanze.

»Willst du die Spitze nicht vergiften?« hatte ein Mann auf dem Salzdock gefragt.

»Nein«, sagte T’Zshal.

Ich fragte mich, ob er früher einmal der Kriegerkaste angehört hatte. Ich beobachtete T’Zshal beim Schlafen; der bärtige Kopf lag auf einem Arm. Ich überlegte, warum niemand diesen Mann tötete, um sich selbst zum Hüttenmeister aufzuschwingen. Wie konnte es sein, daß er als absoluter Herrscher über unsere Hütte sich inmitten der Sklaven schlafen legte, die ihm Kaffiyeh und Agal abgewinnen konnten, indem sie ihm einfach den Dolch abnahmen und sich damit ans Werk machten? Wie konnte es ein Mann seines Amtes wagen, den wilden, neidischen Sleen, in deren Mitte er mit seiner Peitsche wütete, den Rücken zu kehren? Sein Wille, sein Wort sind Gesetz in unserer Hüttengemeinschaft. Er hat die absolute Macht.

Ich blickte ins Wasser und zählte die Köpfe der Lelts, die da und dort im dunklen Wasser schimmerten. Sie begleiteten das Floß nun schon gut eine Ahn lang.

T’Zshal schlief. Neben ihm lag die Lanze. In seiner roten Schärpe steckte der Dolch seines Amtes.

»Die Lelts sind fort!« sagte einer der Männer in meiner Nähe. Das Wasser war dunkel, anscheinend leer. Die Lelts und die kleinen Salamander waren plötzlich verschwunden.

»Wach auf, T’Zshal«, sagte der Mann.

Plötzlich begriff ich die Stellung des Hüttenmeisters, die vagen Gesetze, die diesen Posten regeln, die in Klima eine gewisse Ordnung schaffen.

»Die Lelts sind fort«, flüsterte ein Mann.

Ich hatte mich gefragt, warum T’Zshal und die anderen Hüttenmeister relativ sicher waren, warum die gesellschaftliche Ordnung einigermaßen stabil wirkte. Plötzlich glaubte ich die Wahrheit zu kennen. Niemand fand sich bereit, T’Zshal zu töten, weil der Täter anschließend Hüttenmeister werden mußte. Er war der Mann, auf dem sodann die gefürchtete Verantwortung lastete er mußte dann seine Autorität festigen. Man muß sich vorsichtig äußern, wenn die eigenen Worte Gesetz sind. Es ist nicht einfach, in Klima Sklavenmeister zu sein; es kann sogar gefährlich sein ein hoher Preis für die Gewalt über die Peitsche. Man muß sorgfältig überlegen, ehe man einen Hüttenmeister erschlägt; die Gründe, die für die Tat ausschlaggebend sein mögen, bestehen ja weiter und können sich auch gegen denjenigen richten, der nun das Amt übernimmt. Sowohl die Sklaven als auch der Sklavenmeister stehen in diesem Punkt unter einem Zwang. Die Männer wissen, daß jeder, der den Hüttenmeister tötet, das Amt seines Opfers übernehmen muß, mit allen Risiken und Problemen. Der Sklavenmeister steht unter der Kontrolle seiner Männer angesichts des schnell auflodernden Zorns seiner hoffnungslosen Untergebenen. Wenn er sein Amt nicht geschickt verwaltet, wenn er nicht Gerechtigkeit walten läßt, fordert er zu Widerspenstigkeiten auf, die sich im Kreis der verzweifelten Sklaven von Klima früher oder später in Gewalt äußern müssen. Andererseits darf er die Männer nicht großzügig behandeln, untersteht er doch im übrigen der Kontrolle seiner Vorgesetzten, vor allem im Zusammenhang mit den Salzmengen, die seine Hüttengemeinschaft liefern muß. Nur wenige Männer wollen Hüttenmeister sein. Trotzdem irgendein Mann mußte die Führung haben. Seine Autorität und seine Peitsche verhindern die Katastrophe, verhindern ein Gemetzel, jeder gegen jeden unter den Verdammten. Wer hat schon die Kühnheit und die Großzügigkeit, ein solches Amt auf sich zu nehmen?

Ich legte dem Schlafenden die Hand auf die Schulter. »Wach auf, T’Zshal«, sagte ich. »Die Lelts sind fort.«

T’Zshal öffnete die Augen und richtete sich auf. Mit den Fingern und einem Schwall frischen Wassers, den er aus einer Wasserhaut spritzen ließ, rieb er sich die Augen. Dann trank er einen Schluck, reckte sich und stand auf. Aufmerksam musterte er die Wasseroberfläche. Dann zog er Hemd und Stiefel aus.

T’Zshal trug nur noch Kaffiyeh und Agal. Er war barfuß. In seiner Schärpe steckte der Dolch. Er prüfte die lange Klinge der Lanze mit dem Finger. Vier Metallbänder hielten die Spitze am Lanzenschaft fest. Er zog ein langes Stück Leder aus der Schärpe, das er fest um den unteren Teil der Lanze wickelte. Dann nahm er frisches Wasser aus dem Gefäß und durchtränkte das Leder damit. Schließlich legte er die Lanze oben auf zwei Salzfässer.