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»Dieses Geschöpf ist intelligent«, sagte ich. »Und es braucht Hilfe.«

»Hör mit diesem Wahnsinn auf!« drängte Hassan.

Ich hob den pelzigen Kopf, der gut einen Fuß durchmaß. Zwischen die scharfen Fangzähne schob ich die Tülle meines Wasserbeutels. Die Klauen des Wesens hoben sich langsam und legten sich um den Wasserbeutel. Ich sah, wie sie Druck auf das Material ausübten; die mächtigen Klauen waren insgesamt mehr als fünfzehn Zoll breit. Das Wesen besaß sechs kurze Finger. Weich schimmerte der goldene Ring, der in der Mitte ein winziges Silberviereck aufwies. »Heute früh«, sagte ich, »vor Anbrach des Tages, hätte uns der Kur mühelos töten und uns das Wasser abnehmen können. Aber er hat es nicht getan.« Hassan antwortete nicht.

Langsam richtete der Kur sich auf. Ich schloß den Beutel, in dem nicht mehr viel Wasser verblieben war. Für einen Menschen reichte es gerade noch einen Tag.

Hassan trat einen Schritt zurück.

Der Kur wandte sich von uns ab. Langsam hob er den Kopf, als spüre er das Wasser durch seinen Körper rieseln. Es war ein erschreckender Anblick, vermittelte er uns doch das Gefühl, das Wesen erwache jetzt zum Leben. Und ein Kur im Vollbesitz seiner Kräfte ist schrecklich.

»Du bist wahnsinnig!« flüsterte Hassan. »Die Wüste hätte das Geschöpf für dich getötet.«

»Es hat uns nicht getötet, als es dazu in der Lage war. Es hat uns nicht das Wasser abgenommen.«

»Die Wüste, der Sturm das hat ihm den Geist verwirrt«, sagte Hassan.

»Aber jetzt reagiert es bestimmt normal.«

Ich beobachtete den Kur, der auf alle viere niederging, ehe er sich in eine halb geduckte Position erhob, leicht auf die Knöchel seiner Hände gestützt. Das Geschöpf ließ sich plötzlich durch den Sand rollen und stand wieder auf. Es streckte uns eine Tatze entgegen; darin baumelte ein ausgerissener Busch mit langen Wurzeln.

Der Kur schleuderte die Pflanze von sich, sprang in den Sand und hieb mit der rechten Faust in den Sand. Dann fuhr er die mächtigen Krallen aus und schaufelte damit durch den Sand, den er hinter sich schleuderte. Dann richtete er sich auf, heulte, ging wieder auf alle viere nieder und drehte sich in unsere Richtung. Seine Augen wirkten nun grellgelb. An der Schnauze zeigte sich eine Schweißschicht. Die Zunge fuhr über die Lippen, die wieder feucht waren.

Wenige Fuß vor uns hielt der Kur inne. Ich wußte, daß er zwei unbewaffnete Männer mühelos töten konnte.

Doch er griff nicht an. Statt dessen sah er mich an und deutete auf das Dünenland.

Dann richtete er sich auf; vielleicht wollte er mehr wie ein Mensch aussehen. Dabei fiel mir auf, daß das Geschöpf an mehreren Stellen verwundet worden war. Da und dort wies das Fell Narben und Schnitte auf wie von Krummsäbeln, erst halb verheilt. Das Wesen schien einmal viel Blut verloren zu haben.

»Ich kenne diesen Kur«, sagte ich und betrachtete das Wesen.

»Verstehst du mich?«

Das Geschöpf ließ sich nicht anmerken, ob es mich verstanden hatte.

»Dieses Wesen habe ich aus einem Verlies in Port Kar befreien lassen«, sagte ich zu Hassan. »In einem Hof in Tor hatten sich mehrere Männer auf die Lauer gelegt, um mich umzubringen. Doch sie wurden auf eine Weise vernichtet, wie es nur ein Kur vermag. Später saß ich in der Oase der Neun Brunnen im Gefängnis da kam mir ein Kur zu Hilfe, den ich aber seltsamerweise nicht sehen konnte. Er hätte mich mühelos umbringen können, da ich hilflos angekettet war. Doch er tötete mich nicht. Vielleicht hatte er die Absicht, mich zu befreien. Doch Ibn Saran und seine Männer stürmten in die Zelle. Das Geschöpf saß in der Falle und wurde schwer verwundet. Ibn Saran sagte mir hinterher, er hätte das Ungeheuer umgebracht. Aber das stimmte nicht, denn dies ist derselbe Kur. Ich kenne ihn, Hassan. Er ist mein Verbündeter vielleicht nur im Augenblick, doch steht er eindeutig auf meiner Seite. So seltsam sich das auch anhören mag, Hassan, ich glaube, daß wir im Augenblick ein gemeinsames Ziel haben.«

»Ein Mensch und ein Kur!« sagte Hassan. »Unmöglich!«

Der Kur deutete auf das Dünenland.

Ich wandte mich an Hassan. »Ich wünsche dir alles Gute«, sagte ich.

»Es ist Wahnsinn, ins Dünenland zurückzukehren«, sagte er. »Wir haben fast kein Wasser mehr.«

»Versuche die Vier Palmen zu erreichen«, sagte ich. »Deine Loyalität gehört dem Stamm. Es wird bald Krieg geben in der Tahari. Wenn die Kavars in den Kampf reiten, mußt du bei ihnen sein.«

»Du stellst mich vor eine schwere Wahl«, sagte Hassan. »Vor die Wahl zwischen meinem Bruder und meinem Stamm.« Nach kurzem Schweigen sagte er: »Ich bin ein Mann der Tahari. Ich muß meinen Bruder wählen.«

»Das Wasser entscheidet diese Frage«, sagte ich. »Dein Stamm wartet auf dich.«

Hassan blickte auf den Kur und schließlich auf mich. Dann sah er mich an. »Ich wünsche dir alles Gute, mein Bruder«, sagte er und lächelte. »Mögen deine Wasserbeutel niemals leer sein. Auf daß du immer Wasser hast.«

»Mögen deine Wasserbeutel niemals leer sein«, erwiderte ich. »Auf daß du immer Wasser hast.«

Hassan wandte sich ab. Meine besten Wünsche begleiteten ihn. Ich hoffte, daß er die Oase der Vier Palmen erreichte.

Der Kur hatte sich bereits in Bewegung gesetzt; mit mächtigen trabenden Schritten zog er los, näherte er sich der langen ungleichmäßigen Kette der Dünen, die sich zu unserer Linken erstreckte. Ich folgte ihm.

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19

Der Kur war ein unglaubliches Tier. Ohne seine Hilfe hätte ich nicht überlebt. Unser Wasservorrat war am nächsten Tag erschöpft. Der Kur hatte zwar auf das Dünenland gedeutet, doch zu meiner Überraschung führte er mich parallel zu den Dünen dahin, durch ganz normales Taharigebiet. Ich erkannte schnell, daß er auf sein unbekanntes Ziel gedeutet hatte, das im Dünenland lag, als wüßte ich, worum es sich dabei handelte; klugerweise wählte er jedoch einen Weg, der parallel zum Dünengebiet verlief, bis wir einen bestimmten Punkt erreichten, an dem wir abbiegen und in die gefährliche Region vordringen konnten.

»Das Wasser ist alle«, sagte ich zu ihm und hielt den schlaffen Beutel empor, um ihm zu zeigen, daß keine Flüssigkeit mehr darin war. Nach der ersten Labsal am Graben hatte er kein Wasser mehr bekommen. Der Kur beobachtete eine Gruppe von Vögeln. Er folgte ihnen einen Tag lang und fand schließlich ihr Wasser. Es war ziemlich trübe; dennoch tranken wir durstig davon. Ich füllte den Wasserbeutel, den ich mitgebracht hatte. Wir töteten vier Vögel und aßen sie roh. Der Kur fing einige kleine Felsentharlarion, die uns ebenfalls als Nahrung dienten. Dann setzten wir unsere Reise fort. Ich trank viel, denn der Kur schien es eilig zu haben. Eigentlich mußte er wissen, daß man nur in der Nacht wandern durfte; dennoch schien das Wesen niemals zu ermüden und drängte ständig weiter, als brauchte ich nicht zu essen oder müßte gar nicht schlafen. Wußte es nicht, daß ich kein Kur war? Sein Fell schützte ihn ganz gut vor der Sonne. Er schritt Tag und Nacht aus, was jedoch über meine Kräfte ging. Ungeduldig hockte er neben mir, wenn ich in den Sand sank, um zu schlafen. Schon nach einer Ahn weckte er mich wieder und deutete auf die Sonne, als wollte er mich darauf hinweisen, wie schnell die Zeit verging. Er schien es wirklich eilig zu haben. Auch bei einem Wesen seiner Statur mußte sich die Hitze, die Sonne, der Wasser und Nahrungsmangel schlimm auswirken. Seine Wunden schmerzten bestimmt. Zweimal sah ich, daß er die Krusten der frischen Narben beleckte. Doch dabei schritt er langsam weiter aus, als liege ein ungeheurer Zwang auf ihm. Ich war sicher, daß er uns beide umbringen würde. Die Wüste darf man nicht herausfordern. Sie ist hart und unerbittlich, wie ein Stein oder ein heißer Ofen.