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»Ich brauche Wasser«, sagte ich zu dem Kur.

Der Kur hielt acht Finger in die Höhe und deutete auf die Sonne. Ich begriff nicht, was er wollte.

Unser Marsch ging weiter. Eine Ahn später wurde der Kur unruhig; seine Nüstern bebten, und er schien am Boden zu schnüffeln. Er deutete auf den Sand und sah mich an, als müßte ich ihn verstehen. Natürlich begriff ich nichts. Er schaute zur Sonne empor und dann auf mich, als überlege er, wie er handeln solle. Dann entfernte er sich mit schnellen Schritten von unserem ursprünglichen Weg. Dann erkannte ich, daß er einer Spur folgte, deren Witterung meine abgestumpfte Nase nicht zu erfassen vermochte. Vor einem Tümpel mit übelriechendem Wasser legten wir uns auf den Boden, tranken gierig und füllten erneut unseren Beutel. Am Wasserloch lag ein halbverzehrter Tabuk. Der Kur roch an dem Kadaver und verhinderte, daß ich bestimmte Fleischstücke aß. Er wies auf Stellen, die genießbar waren. Er selbst brach sich eine Keule ab und riß mit spitzen Zahnen das Fleisch vom Knochen.

Dann führte mich der Kur weiter. Mit vollem Magen folgte ich ihm, obwohl bei meiner Erschöpfung jeder Schritt zur Qual wurde. Er kehrte zum ursprünglichen Weg zurück.

Am nächsten Morgen deutete er auf die Sonne und hielt mir sieben Finger entgegen. Dennoch ließ er es zu, daß ich mich im Schutze eines Felsens niederlegte, und wachte über mich. Am Abend setzten wir den anstrengenden Marsch fort. Die Rast hatte mir gut getan. Am nächsten Morgen deutete er zur Sonne und hielt sechs Finger hoch. Seine Mission, worum es sich auch handeln mochte, mußte anscheinend in sechs Tagen erledigt sein. Aus diesem Grund trieb er uns beide zur Eile an.

Der Kur wurde allmählich langsamer und trank mehr. Vermutlich machten sich seine Wunden unangenehm bemerkbar. Er schien es nicht mehr riskieren zu wollen, unseren Weg zu verlassen, um Wasser zu finden. Das Wesen schien sich immer mehr in die Enge getrieben zu fühlen. Vielleicht fürchtete es, sein Ziel zu verpassen oder es zu spät zu erreichen. Mit der eigenen Schwäche hatte es nicht gerechnet. Die Lederstreifen um meine Füße waren zerfetzt; doch nicht meine Fußstapfen waren blutig, sondern die des Kurs. Unaufhaltsam schritt er aus.

Und dann war das Wasser aufgebraucht. Am Morgen hatte der Kur zur Sonne gedeutet und mir fünf Finger gezeigt. Wir brachten den Tag ohne Wasser hinter uns.

Am nächsten Tag fanden wir eine Stelle, über der Fliegen schwirrten. Mit seinen gewaltigen Klauen begann der Kur zu graben. Gut vier Fuß unter der Erde stießen wir auf feuchten Boden. Wir drückten die Masse durch das Stoffstück, das ich um mein Handgelenk gebunden hatte, und sammelten das Wasser in seinen zusammengelegten Handflächen. Der Kur überließ mir den größten Teil davon und leckte nur die Überreste aus seinen feuchten Handflächen. Am Abend stießen wir an einer anderen Stelle auf einen schmalen Streifen eingetrockneten Schlamms das Bett eines ausgetrockneten Bachs. Wir folgten ihm, bis wir einen flachen trockenen Teich erreichten. Wir fanden Schnecken im Sand, knackten die Schneckenhäuser auf und saugten die stinkende, unappetitliche Flüssigkeit aus. Ich mußte mich zuerst übergeben, doch dann war mein Hunger stärker. Wieder überließ mir der Kur den größten Teil.

Wir kehrten an die Stelle zurück, an der wir von unserem Weg abgebogen waren, und marschierten weiter.

Am nächsten Morgen reckte der Kur nur noch drei Finger empor. Ich wollte ausruhen, er drängte zur Eile. Wie betäubt folgte ich seinen blutigen Spuren.

Mir war elend. Ich hatte kein Interesse mehr am Essen und fühlte mich seltsam heiß. Meine Stirn war trocken und unnatürlich warm. Einmal stürzte ich, und der Kur wartete geduldig, bis ich mich wieder aufgerappelt hatte. »Mir ist schwindlig!« rief ich ihm zu.

»Warte!« Ich blieb stehen und wartete darauf, daß der Schwindelanfall nachließ. Kopfschmerzen überfielen mich. Ich stellte einen Fuß vor den anderen, folgte der Gestalt des Kur. Es fühlte sich seltsam an, keinen Speichel mehr im Mund zu haben. Meine Augen waren trocken. Zwischen Augen und Lidern schienen sich Sandkörner zu befinden; ebenso in meiner Mundhöhle. Meine Lippen wurden wund und begannen zu schmerzen. Die Zunge fühlte sich riesig an; ihre Haut schien sich abzupellen. Krämpfe machten sich bemerkbar im Magen wie auch in Armen und Beinen. Ich blickte mich um und sah Wasser schimmern doch ich wußte, daß das nur Halluzinationen waren.

»Ich kann nicht mehr!« sagte ich.

Der Kur musterte mich, duckte sich nieder. Er deutete nun nach rechts - zum erstenmal. Er deutete direkt nach Osten auf die Dünen zu. Offenbar hatten wir die Stelle erreicht, da wir das Dünenland betreten sollten.

Ich starrte auf die Dünen, über denen die Hitze flimmerte. Wahnsinn, sich in dieses Gebiet zu wagen.

»Ich kann nicht mehr«, wiederholte ich.

Der Kur kam auf mich zu. Ich sah ihn an. Er packte meine Arme und warf mich vor sich in den Sand. Ich hörte, wie er den Wasserbeutel nahm und in Streifen riß. Gleich darauf zerrte er mir die Hände auf den Rücken und fesselte sie. Das gleiche passierte mit meinen Fußgelenken. Mit anderen Resten des Wasserbeutels umwickelte der Kur seine Füße, um sie vor dem Sand zu schützen. Aus den Resten drehte er eine Art Schnur, die er mir um den Hals legte. Dann zerrte er mich hoch, wobei ich fast erwürgt wurde. Der Kur wandte sich den Dünen zu und zerrte mich als seinen Gefangenen mit.

»Du bist ja verrückt!« wollte ich ihm zuschreien. Doch ich konnte nur noch flüstern und vermochte kaum noch meine eigene Stimme zu hören. Der Wind peitschte über den Sand.

Ich bin nach Klima marschiert, sagte ich mir. Nun marschiere ich von neuem nach Klima. Doch auf dem Marsch nach Klima hatte ich Wasser und Salz bekommen.

Irgendwann am Spätnachmittag muß ich das Bewußtsein verloren haben. Ich träumte von den Bädern in Ar und Turia.

Ich erwachte in der Nacht. Meine Fesseln waren verschwunden. Ich lag in den Armen des Kur, der sich zwischen den silbrig schimmernden Dünen bewegte. Er schritt langsam aus; auf dem rechten Fuß schien er zu lahmen. Ich wurde gegen die Wunden an seiner Brust gedrückt. Sie hatten sich wieder geöffnet, doch sie bluteten nicht. Ich schlief von neuem ein. Als ich das nächstemal erwachte, stand die Morgendämmerung bevor. Der Kur lag in meiner Nähe, halb mit Sand bedeckt; er schlief. Unsicher erhob ich mich und sank von neuem in den Sand. Ich konnte nicht mehr stehen!

Schließlich hockte ich im Sand, mit dem Rücken an einen Hang gelehnt. Ich beobachtete den Kur ein bewundernswert kraftvolles Ungeheuer, das hier in der Wüste an seinen Wunden elend zugrundeging. Es war schwach, erschöpft. Das Fell hing schlaff an dem mächtigen Knochengerüst. Der Kur war nur noch ein Schatten seiner früheren mächtigen Erscheinung. Ich fragte mich, von welchem Zwang dieses Wesen angetrieben wurde. Es hatte den Mut, sich gegen die Wüste aufzulehnen. Sein Fell war verfilzt und glanzlos, die Schnauze wirkte ausgetrocknet und seltsam grau, Maul und Lippen waren aufgesprungen und mit Sand bedeckt, ebenso wie Nüstern und Augen. Das Geschöpf lag zusammengekrümmt am Boden und wandte dem Wind den Rücken zu, wie etwas Fortgeworfenes, das nicht mehr gebraucht wird. Das stolze Geschöpf hatte sich gegen die Wüste aufgelehnt und stand im Begriff, den Kampf zu verlieren. Welcher Preis lohnte dieses Risiko? Die Sonne stieg am Himmel empor.

Das Ungeheuer kam schwerfällig auf die Füße und schüttelte den Sand aus dem Fell. Schwankend stand es vor mir.

»Geh ohne mich weiter«, sagte ich. »Ich kann nicht mehr. Und du kannst mich nicht mehr tragen.«

Der Kur hob seinen langen Arm und deutete auf die Sonne. Dann hob er zwei Finger. Er musterte mich lange. Schließlich drehte er sich um und beugte seinen Kopf über die zusammengelegten Hände. Als er sich wieder zu mir umwandte, erblickte ich in der Schale der zusammengelegten Hände eine übelriechende Flüssigkeit. Ich zwängte den Kopf gegen die Hände und trank mit zitternden Händen. Viermal wiederholte das Ungeheuer den Vorgang. Es war Wasser aus dem letzten großen Wasserloch, neben dem der halb aufgefressene Tabuk gelegen hatte. Das Monstrum hatte diese Flüssigkeit in einem Vorratsmagen aufbewahrt. Auf diese Weise spendete es mir Wasser aus dem eigenen Körper, damit ich nicht starb. Ein fünftes Mal versuchte mir der Kur Wasser zu geben, doch es kam nichts mehr.