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»Ich kann wieder gehen«, sagte ich. »Du brauchst mich nicht zu tragen. Ich komme mit, so weit ich kann.«

Doch das Ungeheuer machte mir ein Zeichen, daß ich mich ausruhen sollte. Dann stellte es sich zwischen mich und die Sonne, und ich legte mich in seinem Schatten schlafen.

Ich träumte von dem Ring, den er am zweiten Finger der linken Hand trug.

Als die Monde hoch am Himmel standen, erwachte ich. Unser Marsch ging weiter. Langsam humpelte der Kur vor mir her. Sein ausgetrockneter Körper schien dem Ende nahe zu sein.

Ich kannte seine Motive nicht, doch bewunderte ich seine Ausdauer. In seiner Gegenwart spürte ich etwas von der Willenskraft und Erhabenheit des Kur. Diese Wesen waren wirklich hervorragende Gegner der Priesterkönige und der Menschen. Unwillkürlich stellte ich mir die Frage, ob die Priesterkönige und die Menschen dieses Feindes überhaupt würdig waren.

Das Wesen sank während der Nacht oft zu Boden. Seine Kräfte ließen spürbar nach. Immer wieder mußte ich darauf warten, daß es auf die Füße kam.

Gegen Morgen legten wir eine Rast ein. Nach einer Ahn versuchte sich der Kur aufzurichten, doch seine Kräfte versagten. Er blickte zur Sonne empor und zeichnete eine einzelne kurze Linie in den Sand. Hoffnungslos ballte er die Faust und verwischte das Zeichen damit. Dann sank er zusammen.

Ich nahm schon an, daß er sterben würde aber das war ein Irrtum. Ab und zu legte ich ihm das Ohr auf die Brust und glaubte das große Herz schlagen zu hören schwach und unregelmäßig, wie das Ballen einer schwachen Faust.

In der Nacht traf ich meine Vorbereitungen, den Kur zu begraben. Ich hob mit letzter Kraft eine Grube aus und wartete darauf, daß er starb. Ich fand es schade, daß ich keinen würdigen Grabstein für ihn hatte. Als die Monde am Himmel standen, neigte er den Kopf zurück und entblößte die Fangzähne. Zu meinem Entsetzen kam er von neuem taumelnd hoch. Er schüttelte den Sand von seinem Körper und wanderte weiter. Ehrfurchtsvoll folgte ich ihm.

Am Morgen machte er keine Anstalten, eine Pause einzulegen. Vielmehr deutete er von neuem auf die Sonne, diesmal mit geschlossener Faust. Ich verstand nicht, was er meinte. Doch plötzlich sträubten sich meine Nackenhaare. Er hatte mir einen Eindruck von der verstreichenden Zeit geben wollen er hatte auf die Sonne gedeutet und mit den erhobenen Fingern Tage angezeigt. Entsetzt machte ich mir klar, was die geschlossene Faust bedeuten mußte: wir hatten keine Tage mehr übrig. Dies war der letzte Tag. Dies war der letzte Tag dieser Welt. ›Gebt Gor auf‹, das war die Botschaft der Kuriischiffe an das Sardargebirge gewesen, ein Ultimatum. Die Priesterkönige hatten ratlos darauf reagiert und zurückgefragt. In ihrem vernunftbetonten Denken waren sie nicht auf den rücksichtslosen Plan gekommen, der hinter den Aktionen der Kurii steckte. Ich ahnte, daß es auch im Volk der Kurii verschiedene politische Gruppen gab. Nach dem Mißlingen des Vorstoßes in Torvaldsland war vielleicht eine Partei oder ein Stamm entmachtet worden. Ein frischer Wind schien zu wehen bei den Feinden des Sardargebirges ein neues Denken schien sich dort durchzusetzen, eine Interessengruppe, die sich nichts daraus machte, im Notfall eine ganze Welt zu opfern, um eine zweite zu erringen.

Die Sklavenflüge hatten aufgehört. Zweifellos hatte man alle wichtigen Leute von Gor evakuiert, besonders solche, die die irdischen Sprachen beherrschten. Andere, die keine Ahnung hatten von der schrecklichen Strategie des interplanetarischen Krieges, mußten zurück bleiben. Selbst der brillante Ibn Saran zählte nicht zu den Aufgeklärten, so wichtig er auch sonst für die Kurii sein mochte. Ich begann zu ahnen, daß Gor vernichtet werden sollte. Eine ganze Welt sollte untergehen, damit eine zweite Welt, die Erde, den Angriffen der Raumschiffflotten ungeschützt ausgesetzt war. Besser eine Welt als keine.

Obwohl inzwischen die Hitze des Taharimittags brütete, legte das Ungeheuer keine Rast ein. Am späten Nachmittag stieß das Wesen einen Wutschrei aus.

Der Wind hatte sich erneut nach Osten gedreht. Der Himmel verdüsterte sich. Innerhalb weniger Sekunden setzte der Sturm ein. Der Kur schritt durch den tobenden Sand. Ich hielt mich am Fell seines Armes fest und versuchte auf den Beinen zu bleiben. Plötzlich blieb der Kur stehen und stemmte sich gegen den Wind.

Ich öffnete die Augen und sah einen Stahlzylinder vor mir, kaum dreißig Meter entfernt, sofort wieder verhüllt von den Staubwolken. Das Gebilde war halb im Sand vergraben. Der Durchmesser war etwa drei Meter, die freiliegende Länge mochte zwölf Meter betragen; am oberen Ende sah ich ein Bündel Schubkammern. Ein Raumschiff, das hier abgestürzt war! Ich spürte, wie sich die Hand des Kur um meinen Arm schloß. Was ich nun beobachten konnte, ist schwierig zu beschreiben. Der Kur neben mir ließ meinen Arm los. Mit der linken Hand zog er den Ring von seiner Rechten und drehte die Silberplatte daran nach innen. Darunter befand sich ein Knopf, den er hineindrückte. Eine Sekunde lang schien das Wesen im Sand zu flimmern im nächsten Augenblick sah ich nur noch den Sand, der erbarmungslos vor dem Sturm hergepeitscht wurde. Ich war allein.

Ich erkannte, daß das Wesen sich in der Nähe des Turms auf die Jagd begeben hatte. Auf Händen und Knien kroch ich in die Richtung des Schiffes. Wieder sah ich es einige Sekunden lang. Es schien sich um eine recht primitive Konstruktion zu handeln. Die Schubkammern wiesen auf einen chemischen Antrieb hin. Das Schiff war nicht scheibenförmig. Vielleicht handelte es sich um einen alten Kahn, der hier nur dazu diente, eine Vernichtungsmaschine zu beherbergen.

Ich begann zu zittern, als ich an die Kräfte dachte, die in jenem Stahlzylinder schlummern mochten.

Ich wollte in den Sturm hinauslaufen, fort von dem Ding, doch ich wußte, daß es nirgendwo auf Gor Schutz vor diesem Schiff gab. ›Vorsicht vor dem Stahlturm‹, das hatte auf dem Felsen gestanden. Der Zylinder war eine Waffe, gegen die Schläfe einer Welt gedrückt, darauf eingestellt, bei Beginn der Dunkelheit zu detonieren.

Ich glaubte im Toben des Windes das Schreien von Männern zu hören, doch ich konnte mich auch täuschen. Dann vernahm ich das Heulen eines Kur und vier heftige Explosionen.

Schließlich war nur noch der Wind zu hören.

Ich wartete gut eine ViertelAhn lang. Dann spürte ich das Wesen in meiner Nähe. Die Luft begann zu flimmern. Der Kur taumelte. Seine Klauen waren rot; im linken Bein hatte er ein Loch, in der Brust drei faustgroße Löcher. Er stöhnte, dann wandte er mir den Rücken zu, und ich sah, daß die Löcher durch den ganzen Körper gingen. Es roch nach verbranntem Fleisch. Der Kur sank in den Sand. Ich kniete über ihm. Das Geschöpf öffnete die Augen.

»Ist die Arbeit getan?« fragte ich. »Hast du dein Ziel erreicht?«

Mit der blutigen Pfote zog das Wesen den Ring vom Finger und hielt ihn mir hin. Das Schmuckstück war blutbedeckt vermutlich vom Blut der Männer, die der Kur getötet hatte. Dieser Ring war nicht für menschliche Finger gedacht; er war viel zu groß. Der Kur drückte mir das Schmuckstück in die Hand. Mit einem Stück Lederschnur, die ich von meiner Fußbekleidung löste, befestigte ich ihn um meinen Hals. Das Ungeheuer lag im Sand und verblutete. Wahrscheinlich hatte es nicht mehr viel Blut. Die Geschosse, die seinen Körper durchschlugen, hatten die Wundränder verbrannt. Der Sand unter dem Tier färbte sich rot. Ich löste meinen Fußschutz, um die Wunden damit abzudecken, doch der Kur stieß mich fort. Er hob einen Arm in die Richtung, in der sich die Sonne befinden mußte.

Unsicher stand ich neben dem sterbenden Wesen. Dann marschierte ich durch den Sturm auf das Schiff zu.

Neben dem Stahlturm fand ich die Überreste eines Unterstandes aus Steinen und Leinenplanen. Einige Männer lagen im Sand; sie lebten nicht mehr. Ich erstarrte, als ich im wirbelnden Sand einen zweiten Kur entdeckte. Er war bewaffnet. In der rechten Hand hielt er ein kleines Gerät. Das Wesen hatte sich hingekauert und starrte angestrengt in den Sturm.