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»Hier«, wiederholte Samos und deutete auf die Landkarte, »hier liegt das Geheimnis, hier in der Tahari.«

Schüchtern streckte die Tanzsklavin die Hand aus und berührte mich am Fußgelenk. Doch ich kümmerte mich nicht um sie, sondern rief zwei Wächter herbei und befahl, sie wegzubringen. Sollten andere Männer das Mädchen in die richtige Stimmung bringen. Ich wollte mich später mit ihr befassen. Die andere Sklavin, Miß Priscilla Blake-Allen, wurde ebenfalls über die Tische geworfen. Einer von Samos’ Leuten bestieg sie. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als er brutal in sie eindrang.

Ibn Saran, der Salzhändler aus Kasra, rührte sich nicht von seinem Platz. Er hatte die Augen halb geschlossen und kümmerte sich nicht um die Vergewaltigung von Sklavinnen. Er schien sich ebenfalls mit der Landkarte zu beschäftigen.

»Ich reise morgen früh ab«, sagte ich.

»Darf ich das so verstehen«, warf Ibn Saran ein, »daß dich dein Weg in die Tahari führt?«

»Ja.«

»Ich habe denselben Weg«, sagte Ibn Saran. »Vielleicht können wir zusammen reisen.«

»Gut«, sagte ich.

Ibn Saran stand auf und sagte: »Mögen eure Wasserbeutel niemals leer sein. Auf daß ihr immer Wasser habt.«

Ich erwiderte den Gruß, woraufhin er sich verbeugte und den Raum verließ.

»Der Kur in deinem Verlies«, sagte ich zu Samos. »Du mußt ihn freilassen.«

»Ihn freilassen? Willst du ihm folgen?«

»Nein«, sagte ich. Nur wenige Menschen waren meiner Meinung nach in der Lage, einem erwachsenen Kur auf der Spur zu bleiben. Diese Wesen sind agil und sehr intelligent und besitzen scharfe Sinne. Früher oder später mußte das Ungeheuer auf den Verfolger aufmerksam werden, woraufhin dann aus dem Jäger der Gejagte wurde. Kurii vermögen bei Dunkelheit ausgezeichnet zu sehen.

»Weißt du, was du damit riskierst?« fragte Samos.

»Es gibt auch bei den Kurii verschiedene Interessengruppen«, sagte ich.

»Ich habe so das Gefühl, als wäre dieser Kur unser Verbündeter.«

»Du bist ja verrückt«, sagte Samos.

»Kann sein.«

»Ich werde den Kur freilassen«, sagte Samos, »und zwar zwei Tage nach deiner Abreise nach Port Kar.«

»Vielleicht treffe ich das Wesen in der Tahari wieder«, sagte ich.

»Bei der Begegnung möchte ich nicht dabei sein.«

Ich lächelte nur.

»Reist du morgen mit Ibn Saran?« fragte Samos. »Nein denn ich traue ihm nicht.« Samos nickte. »Ich auch nicht.«

2

»Wasser! Wasser!« rief der Mann.

»Wasser«, sagte ich.

Er näherte sich, beugte sich vor, ein dunkelhäutiger alter Mann, der mich angrinste, einen Beutel aus Verrhaut auf dem Rücken, ein Dutzend klappernder Messingbecher an Gürtel und Schultergurt. Seine linke Schulter war benetzt; der Beutel sonderte Flüssigkeit ab: unter dem Trageriemen wies das zerrissene Hemd Schweißflecke auf. Ohne den Beutel von der Schulter zu nehmen, füllte er mir einen Becher. Er trug einen Turban aus Reptuch ein Schutz gegen die Sonne, der zugleich eine freie Luftzirkulation zuläßt und bei Männern der unteren Klassen außerdem als Polster für den Transport von Lasten auf dem Kopf dient. Ich nahm den Becher und gab dem Mann einen Kupfertarsk. Ringsum nahm ich die Gewürzdüfte und Schweißgerüche Tors wahr. Ich trank langsam und mit Genuß. Die Sonne stand hoch am Himmel. Tor, das in der nordwestlichen Ecke der Tahari liegt, ist die wichtigste Versorgungsstätte für die verstreut lebenden Oasengemeinden dieser trockenen Leere, die man geradezu einen Kontinent aus Felsgestein, Hitze, Wind und Sand nennen könnte. Diese Gemeinden, die je nach Wasservorrat bis zu mehrere tausend Köpfe zählen, liegen oft viele hundert Pasang auseinander. Sie leben von Karawanen, die größtenteils aus Tor kommen, manchmal auch aus Kasra und sogar aus dem fernen Turia. Karawanen sind für die Versorgung der Oasen unentbehrlich. Im Gegenzug exportieren die Karawanen die Erzeugnisse der Wüste. In die Oasen werden die verschiedensten Güter gebracht zum Beispiel Reptuch, bestickte Stoffe, Teppiche, Silber, Gold, Juwelen, Spiegel, Kailiauk-Zähne, Parfüms, Felle, Federn, Edelhölzer, Werkzeuge, Nadeln, Fertigwaren aus Leder, Salz, Nüsse und Gewürze, bunte Dschungelvögel, die hier seltsamerweise besonders als Haustiere geschätzt werden, Waffen, Bauhölzer, Bleche, Bazi-Tee, Hurtwolle, Peitschen, Sklavinnen und viele andere Dinge. Der Haupt-Exportartikel der Oasen sind Datteln und gepreßte Dattelbarren. Einige Dattelpalmen werden größer als hundert Fuß. Es dauert zehn Jahre, bis ein Baum Früchte zu tragen beginnt doch wenn es einmal soweit ist, währt die Fruchtbarkeit oft ein Jahrhundert oder länger. Ein Baum bringt im Durchschnitt zwischen einer und fünf goreanischen Lasten an Früchten. Eine Last entspricht etwa zwanzig irdischen Kilogramm. Abgesehen davon gibt es in den Oasen einen intensiven Gartenbau. Diese Früchte werden allerdings kaum exportiert. Auch finden sich Kaiila und Verr in den Oasen, wenn auch nicht in großer Zahl. Diese Tiere sind in Herden in der Wüste anzutreffen, bewacht von Nomaden, die die Tiere von einem Verrgrasfeld zum nächsten, von einem Wasserloch zum nächsten treiben, nach dem Rhythmus, wie die Löcher im Sommer austrocknen. Die kleineren Quellen werden im Frühling benutzt, weil sie als erste das Wasser verlieren. Die Nomaden liefern den Oasen Fleisch, Felle und Stoffe aus Tierhaaren. Dafür tauschen die Nomaden Sa-Tarna-Korn, Bazi-Tee und andere Handelswaren ein. Sa-Tarna ist das Hauptnahrungsmittel dieser Menschen, die wenig Fleisch essen, weil es fast ausschließlich zum Verkauf bestimmt ist. Der Tee ist für die Nomaden von großer Bedeutung. Sie trinken ihn heiß und gezuckert aus kleinen Bechern oder Gläsern.

Ich leerte den Becher und reichte ihn dem Wasserverkäufer. Er verbeugte sich grinsend und wich zurück.

Blinzelnd sah ich mich im grellen Licht der Sonne um. Die Gebäude Tors bestehen aus Lehm und ungebrannten Ziegeln, bedeckt mit einem leicht abblätternden bunten Verputz. Doch in der Sonne und im wallenden Staub kam mir alles recht farblos vor. Ich mußte mir schleunigst passende Kleidung zulegen. In einer solchen Stadt fiel ich zu sehr auf. Ich machte mich auf den Weg zum Basar.

Ich kannte mich im Umgang mit der leichten Lanze und der schnellen, seidigen Kaiila aus das hatte ich bei den Wagenvölkern gelernt. Der Krummsäbel dagegen war mir fremd. Das kurze Schwert, das in üblicher Weise über meiner linken Schulter hing, konnte mir auf dem Kaiila-Rücken wenig nützen. Die Männer der Tahari kämpfen nicht zu Fuß. Ein Mann, der in der Wüste auf seine Beine angewiesen ist, gilt als toter Mann.

Ich blickte an den Gebäuden empor. Ich befand mich nun im Schatten und ging eine steile Straße entlang in Richtung Basar. Die Häuser Tors sind selten mehr als drei Stockwerke hoch mehr läßt sich mit Balken und Lehmziegeln nicht schaffen. Infolge des unregelmäßigen Bodens sahen viele Gebäude aber erheblich höher aus, waren sie doch auf Vorsprüngen und Absätzen und an Hängen gebaut. Diese Häuser, die äußerlich glatt und schmucklos wirken und nur da und dort ein schmales Fenster aufweisen, stoßen unmittelbar an die Straßen, die auf diese Weise wie tiefe, schmale Schächte anmuten. In der Mitte der Straße verläuft eine Gosse. Zwar regnet es selten in Tor, doch die Gosse dient auch zum Sammeln des Abfalls. Jenseits der Mauern, die die Straßen so eng erscheinen ließen, befanden sich herrliche gepflegte Gärten. Nach goreanischen Verhältnissen war Tor eine reiche Kaufmannsstadt, das Hauptquartier vieler tausend Karawanenhändler. Hier lebten außerdem zahlreiche Handwerker Zimmerleute, Tischmacher, Steinschleifer, Juweliere, Schnitzer, Teppichweber, Färber, Beizer, Schuhmacher, Gerber, Töpfer, Wagner, Waffenschmiede und viele mehr. Ein Großteil der Stadt war natürlich darauf eingerichtet, das Karawanengeschäft zu beliefern. Es gab zahlreiche durch hohe Mauern geschützte und bewachte Lagerhäuser, die ein großes Personal an Schreibern und Wächtern beschäftigten. In unzähligen primitiven Unterkünften lebten Kaiilapfleger, Treiber und ähnliche Leute. Die Karawanenführer waren im allgemeinen fest angestellt und wurden von den Karawanenkaufleuten auch zwischen den Touren bezahlt. Treiber und Pfleger dagegen wechselten oft. Dabei wurden raffinierte Systeme angewendet mit Stöckchen, Formeln oder Losen , die dafür sorgen sollten, daß Treiber und Kaiilaburschen, soweit nicht persönlich bekannt, rein zufällig zur Anstellung kamen. Dies war eine Vorsichtsmaßnahme, damit ein ahnungsloser Kaufmann nicht eine Gruppe von Männern anwarb, die sich vorher schon verabredet hatte, Wächter und Kaufleute zu töten und sich mit der Karawane in die Büsche zu schlagen. Im großen und ganzen waren Treiber und Tierpfleger jedoch ehrliche Menschen. Wenn sie nach langem Treck durch die Wüste in die Stadt zurückkehrten, waren sie allerdings ziemlich ausgehungert nach den Vergnügungen, die eine große Stadt zu bieten hat, und es gab zahlreiche Etablissements, die sich schon bei Ankunft der Karawanen um diese Kunden bemühten. Der Lohn für eine Karawanenreise, die oft Monate dauert, hält auf diese Weise nur zehn oder fünfzehn Tage vor, die allerdings sehr angenehm verbracht werden. Nach dieser Zeit, die normalerweise mit körperlichem Unbehagen zu Ende geht, kehrt der Treiber oder Wächter an die Tische der Kaufleute zurück und versucht erneut eine Anstellung zu finden.