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»Das ist wirklich nicht nötig«, sagte Serena. »Geh lieber wieder ins Bett und schlaf ein bißchen. Morgen früh erreichen wir die Insel, und es wird bestimmt ein anstrengender Tag. « »Bestimmt«, sagte Mike.

Serena schien noch etwas anmerken zu wollen, aber dann sah sie wohl selbst ein, daß sie sich sowieso nur mit jedem Wort tiefer in Widersprüche verwickelte, und beließ es bei einem Achselzucken. Ohne ein weiteres Wort ging sie an ihm vorbei und wandte sich nach links, zum Salon hin.

Einen Moment überlegte Mike ganz ernsthaft, ihr nachzugehen -natürlich nicht, weil er glaubte, daß sie tatsächlich etwas mit Trautman zu besprechen hatte, das war nichts als eine Ausrede gewesen und nicht einmal eine besonders kluge, sondern einfach, um zu sehen, wie sie sich aus der Situation herauswand. Aber dann drehte er sich statt dessen in die entgegengesetzte Richtung und ging in seine eigene Kabine zurück. Er tat tatsächlich, was Serena ihm geraten hatte, und ging wieder zu Bett.

»Was ist passiert?« Mike fuhr sich verschlafen mit den Fingerknöcheln über die Augen und versuchte vergeblich, ein Gähnen zu unterdrücken. Er hatte nicht besonders gut geschlafen, und was ihn schließlich so früh wieder geweckt hatte, das war keine Störung gewesen, sondern etwas, was nicht mehr da war: das Geräusch der Motoren, die die NAUTILUS während der letzten anderthalb Tage mit voller Kraft vorwärtsgetrieben hatten.

Er war wohl auch nicht der einzige, dem dies aufgefallen war: Auf dem Weg in den Salon kamen ihm Ben und Juan entgegen, und als er den großen Raum betrat, stieß er um ein Haar mit Serena zusammen, die im letzten Moment erschrocken beiseite trat. Ihr Anblick erinnerte ihn wieder an den kurzen Zwischenfall vom vergangenen Abend und sie wohl auch, denn sie senkte hastig den Blick und wandte sich um, so daß ihm gar keine Gelegenheit blieb, noch einmal die Sprache darauf zu bringen. Er hatte es ohnehin nicht vorgehabt. »Trautman hat mir befohlen, das Schiff anzuhalten«, antwortete Singh, der hinter den Kontrollinstrumenten stand. »Er ist oben im Turm, aber er -« Den Rest des Satzes hörte Mike schon gar nicht mehr. Er war auf der Stelle herumgefahren und lief auf die metallene Wendeltreppe zu, die nach oben führte. Singh rief ihm nach, er solle dableiben, aber das ignorierte er. Immer noch ein bißchen schlaftrunken, trotzdem aber so schnell er konnte, lief er die Metallstufen zum Turm der NAUTILUS hinauf. Er fand Trautman genau dort, wo Singh gesagt hatte: hoch aufgerichtet hinter einem der großen, runden Bullaugen, die den Turm an beiden Seiten flankierten und nicht zuletzt mit dazu beigetragen hatten, daß das Unterseeboot dort, wo immer es auftauchte, Legenden von Seeungeheuern und glotzäugigen Monstern hervorrief.

Trautman hatte ein Fernglas an die Augen gesetzt und blickte angestrengt hinaus. Mike sah in dieselbe Richtung, kniff jedoch sofort geblendet die Augen zusammen, denn die Sonne war gerade erst aufgegangen und stand als grellweißer, schier unerträglich heller Ball am Horizont, so daß Mike sich fragte, wie Trautman überhaupt in der Lage war, etwas zu sehen. Er mußte Mike bemerkt haben, denn er hatte sich keinerlei Mühe gegeben, leise heraufzukommen, wandte sich jedoch nicht zu ihm um und setzte auch den Feldstecher nicht ab. Trotzdem konnte Mike den besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht deutlich erkennen und auch die angespannte Haltung, in der er dastand und nach Osten blickte. »Was ist los?« fragte er. Trautman setzte nun doch den Feldstecher ab, aber nur für einen ganz kurzen Moment, um hastig den Kopf in seine Richtung zu drehen und dann wieder aus dem Fenster zu blicken. »Ihr solltet unten auf mich warten«, sagte er in ungewohnt ungeduldigem, tadelndem Ton. Mike war jedoch viel zu aufgeregt, um das überhaupt richtig zu registrieren. Unaufgefordert trat er an dem großen Steuerruder in der Mitte des runden Raumes vorbei, stellte sich direkt neben Trautman und versuchte erneut, draußen mehr als blendende Helligkeit und spiegelndes Wasser zu erkennen. Nach einigen Augenblicken gelang es ihm sogar. Vor dem Horizont zeichneten sich zwei oder drei, vielleicht auch noch mehr verschwommene dunkle Umrisse ab; das mußte die Inselgruppe sein, die ihr Ziel war. Dies allein beantwortete jedoch nicht die Frage, warum Trautman so sichtlich beunruhigt war. »Was ist passiert?« fragte Mike noch einmal. Trautman setzte nach einem Augenblick das Fernglas ab, fuhr sich mit der Hand über das Kinn und reichte ihm den Feldstecher. »Sieh selbst«, sagte er.

Mike griff zögernd nach dem Glas, setzte es an und blinzelte in Erwartung des sicherlich noch grellerenSonnenlichtes. Überrascht stellte er fest, daß er nicht im mindesten geblendet wurde. Offenbar handelte es sich bei dem Feldstecher um ein weiteres Wunderwerk aus den schier unergründlichen Lagern der NAUTILUS, das jedem herkömmlichen Gerät um Jahrzehnte voraus war. So nahe, daß man glaubte, nur den Arm ausstrecken zu brauchen, sah er den weißen Sandstrand einer bewaldeten kleinen Insel vor sich. Und er entdeckte fast auf Anhieb das, weshalb sie hergekommen waren: Wie ein umgedrehter silberfarbener Teller lag das fremde Schiff auf diesem Strand, nur noch zu einem Drittel von der Brandung umspült. Aber er sah auch noch mehr. Und das jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken.

Das Schiff war nicht allein auf dem Strand. Mindestens zwei, wenn nicht gar drei oder mehr Dutzend Menschen umstanden die Flugscheibe, und nicht wenige, selbst durch das starke Fernglas betrachtet winzige Gestalten krochen wie emsige Ameisen über seinen Rumpf, machten sich hier und da zu schaffen oder schienen gar in seinem Inneren zu verschwinden.

»Großer Gott!« flüsterte Mike entsetzt. »Sieh nach links«, sagte Trautman. Mike sah unsicher zu ihm hoch, setzte den Feldstecher dann wieder an und tat, wie Trautman ihn geheißen hatte. Im nächsten Moment machte sein Herz einen erschrockenen Sprung und schien direkt in seiner Kehle weiterzuklopfen, denn er gewahrte etwas, was ihn noch viel mehr erschreckte als der Anblick der menschlichen Gestalten, die über das Sternenschiff krochen: Ungefähr eine Meile vor der Küste der kleinen Insel lag ein gewaltiges Schlachtschiff, dessen Kanonen drohend auf das Meer hinaus gerichtet waren und scheinbar direkt auf Mike zu deuten schienen. Und es war nicht allein. Neben dem riesigen grauen Stahlkoloß ankerten zwei weitere Kriegsschiffe. »Aber wie... wie ist das nur möglich?« murmelte Mike.

»Wir sind zu spät gekommen«, antwortete Trautman. Seine Stimme klang bitter.

Langsam ließ Mike den Feldstecher sinken. »Aber das ist doch gar nicht möglich«, murmelte er kopfschüttelnd. »Ich meine... niemand hat gewußt, daß... « »Das Logbuch war anscheinend nicht vollständig«, unterbrach ihn Trautman. »Oder ich habe es nicht aufmerksam genug gelesen. Einige Seiten waren herausgerissen, einige sind unleserlich vom Wasser geworden. Sie müssen einen Funkspruch abgesetzt haben, ehe sie sanken. «

»Aber das... das darf nicht sein«, stammelte Mike. Plötzlich stieg hilfloser Zorn in ihm auf. »Es wird eine Katastrophe geben. Wir müssen irgend etwas tun!« Trautman antwortete nicht, aber es war gerade dieses Schweigen, das Mike noch mehr erschreckte. Hilflos drehte er sich vom Fenster weg, hob dann noch einmal den Feldstecher, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. Es war so, wie Trautman sagte: Sie waren zu spät gekommen. Die Katastrophe ließ sich nun nicht mehr aufhalten.

Nach einer Weile seufzte Trautman tief, drehte sich herum und ging mit hängenden Schultern auf die Treppe zu. Er sagte nichts, sondern forderte Mike nur mit einer entsprechenden Handbewegung auf, ihm zu folgen, und er wirkte mit einem Mal sehr müde und zehn Jahre älter.

Als er die Hand nach dem Treppengeländer ausstrecken wollte, rief Mike ihn noch einmal zurück. »Trautman?«

»Jetzt nicht«, sagte Trautman, aber Mike folgte ihm mit zwei schnellen Schritten und ergriff ihn am Arm, um ihn zurückzuhalten. Trautman tat etwas völlig Unerwartetes: Er blieb tatsächlich stehen, fuhr jedoch mit einer blitzschnellen Bewegung herum und riß seinen Arm los in einer Art und Weise, die zweifellos der Ansatz dazu war, Mike von sich zu stoßen oder ihm eine schallende Ohrfeige zu versetzen. Im allerletzten Moment hielt er sich zurück, und auf seinem Gesicht erschien ein erschrockener, ja beinahe entsetzter Ausdruck. Eine Sekunde lang starrte er seine eigene Hand an, als wäre sie ein Fremdkörper oder als könne er einfach nicht glauben, was sie gerade fast im Begriff gewesen war, zu tun. Dann senkte er hastig den Arm, und auch Mike trat verlegen ein kleines Stück zurück.