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»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Trautman. »Aber wir werden einen Weg finden. Ich bin sicher, daß wir die Blockade nach Einbruch der Dunkelheit irgendwie durchbrechen können. Bis es soweit ist, werden wir die Insel aus sicherer Entfernung genau beobachten. «

Serena schien abermals widersprechen zu wollen, und sie hätte es zweifellos auch getan, hätte Trautman sie nicht so scharf und fast wütend angeblickt, daß es ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlug.

Einige Sekunden lang saß sie einfach da und starrte ihn an. Ihre Hände umschlossen die Tischkante so fest, daß das Blut aus ihren Fingern wich, dann stand sie mit einem Ruck auf, fuhr auf dem Absatz herum und rannte aus dem Salon.

»Was ist denn in die gefahren?« murmelte Ben. Mike erhob sich ebenfalls und wollte zur Tür gehen, aber Trautman sagte in diesem Moment: »Laß sie gehen. Etwas Ruhe wird ihr sicher guttun. Irgend etwas stimmt nicht mit ihr. « Wie mit uns allen, fügte Mike in Gedanken hinzu. Aber er sprach es nicht aus, sondern setzte sich wieder.

Sie waren getaucht und hatten die Inselgruppe unter Wasser umrundet, um sich ihr ungesehen von der Rückseite her zu nähern, was sich als gar nicht so einfach erwiesen hatte. Trautman, Singh, Mike und Chris waren erneut in den Turm hinaufgegangen, während Ben und Juan die Aufgabe übernommen hatten, an den Kontrollinstrumenten zu bleiben und die NAUTILUS auf ihrer Position zu halten -was sich leichter anhörte, als es war, denn durch die Vielzahl unterseeischer Riffe Und Klippen herrschte unter der trügerisch ruhigen Meeresoberfläche ein Gewirr von Unterströmungen und Sogen, das beständig versuchte, die NAUTILUS gegen eine Klippe zu drücken oder in die Tiefe hinabzuzerren.

Trautman stand auf der Leiter, die zur Turmluke hinaufführte, und hatte wieder das Fernglas angesetzt. Nur Kopf und Schultern ragten aus dem Turm, der seinerseits gerade eine Handbreit aus der Meeresoberfläche hinausragte, so daß immer wieder etwas Wasser in das Schiff eindrang. Singh, Mike und Chris standen unter ihm und blickten gebannt zu ihm hoch und warteten darauf, von ihm zu erfahren, was sich draußen abspielte.

Trautman ließ sich jedoch gehörig Zeit, bevor er endlich den Feldstecher absetzte und dann vorsichtig über die nassen Metallsprossen zu ihnen in die Tiefe kletterte.

»Also?« fragte Mike aufgeregt.

»Es ist kein Schiff zu sehen. « Trautman schüttelte ein paarmal den Kopf, um seine Worte zu bekräftigen. »Aber das bedeutet nicht, daß keine Gefahr besteht«, fuhr er fort. »Die Insel ist dicht bewaldet. Wenn jemand im Unterholz steht und das Meer beobachtet, dann wird er uns sehen, sobald wir auftauchen. « »Warum sollten sie so etwas tun?« fragte Chris. Trautman seufzte. »Weißt du, ich wollte es vorhin nicht sagen, damit Juan und Ben nicht gleich wieder aufeinander losgehen, aber ich teile Bens Ansichten durchaus. Diese drei Schiffe sind ganz bestimmt nicht zufällig hier. Sie müssen in unmittelbarer Nähe gewesen sein, um auf den Funkspruch des Frachters zu reagieren und so schnell hierher zu gelangen. Es sollte mich nicht wundern, wenn sie wissen, daß wir in der Nähe sind -oder es zumindest ahnen - und nur auf uns warten. Wenn ich der Kapitän des Schlachtschiffes wäre, würde ich jedenfalls an allen Ecken dieser Insel Wachen aufstellen, die Tag und Nacht das Meer beobachten. «

»Aber das würde ja bedeuten, daß sie wissen, daß wir hier sind«, sagte Mike kopfschüttelnd. »Das kann doch gar nicht sein. Niemand weiß von unserer Existenz. « »Vielleicht doch«, antwortete Trautman. »Vielleicht sind sie uns schon von Kairo aus gefolgt. Ich hatte ein paarmal das Gefühl, beobachtet zu werden, aber ich glaubte dann, es wären Hasim und seine Brüder gewesen. Schließlich hatten wir genug andere Dinge im Kopf. Doch wer weiß... vielleicht haben wir uns nach Winterfelds Tod einfach zu sicher gefühlt. « Er unterbrach sich, indem er sich in einer erschöpften Geste mit beiden Händen über das Gesicht fuhr und die Augen rieb. »So oder so«, fuhr er dann fort, »wir müssen auf diese Insel und uns überzeugen. Aber wir werden schwimmen müssen. Ich wage es nicht, weit genug aufzutauchen, um das Boot abzusetzen. Singh -ich bin müde, würdest du mir den Gefallen erweisen und hinuntergehen und einen Taucheranzug für mich -« »Ich gehe«, sagte Mike. Trautman blinzelte. Er widersprach nicht gleich, war aber von Mikes Vorschlag sichtlich nicht begeistert. »Es sind nur hundert oder zweihundert Meter bis zum Strand«, fuhr Mike fort. »Ich kann da sein, noch bevor Singh den Anzug geholt und Sie ihn angezogen haben. « »Das ist viel zu gefährlich«, widersprach Trautman. »Stimmt«, antwortete Mike. »Und für Sie noch viel gefährlicher als für mich. Sie haben es selbst gesagt: Sie sind müde, und... ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber ich glaube doch, daß jemand meines Alters für ein solches Abenteuer besser geeignet ist -« »-als ein alter Tattergreis wie ich?« fiel ihm Trautman ins Wort. Er gab sich Mühe, möglichst grimmig dreinzublicken, aber zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder erkannte Mike auch ein Lächeln in seinen Augen, so daß er mit einem breiten Grinsen antwortete: »Wenn Sie den Deutschen in die Hände fallen, dann wird es übel für Sie enden. Nach allem, was ich gehört habe, machen sie kurzen Prozeß mit Spionen. « »Das stimmt«, antwortete Trautman. »Aber das gilt auch für dich. «

»Sie kriegen mich nicht«, sagte Mike zuversichtlich. »Und wenn doch, dann spiele ich das arme, verstörte

Kind, das seine ganze Familie bei einem Schiffbruch verloren hat und sich gar nicht so richtig erinnert, wie es hierher kommt. «

Trautman blickte ihn immer noch zweifelnd an, aber es war ihm zugleich auch deutlich anzusehen, wie sehr ihn der Gedanke erleichterte, nicht zu der Insel hinüberschwimmen zu müssen. »Also gut«, sagte er schließlich. »Aber du gehst nicht allem. Singh begleitet dich. Versucht herauszufinden, wie viele Soldaten sich auf der Insel aufhalten, wo sie sind und was sie tun. Aber nähert euch auf gar keinen Fall dem Sternenschiff. Ist das klar?«

»Ich bin doch nicht verrückt«, antwortete Mike. »Und auch nicht lebensmüde. «

»Das will ich hoffen«, erwiderte Trautman ernst. »Das ist nicht der richtige Moment für Heldentaten oder Abenteuer. Schaut euch um, und dann kommt wieder zurück. Redet mit niemandem und rührt nichts an, auch wenn die Gelegenheit vielleicht noch so verlockend erscheint. Wir werden wieder tauchen, um nicht zufällig entdeckt zu werden, aber jeweils genau zur vollen Stunde hierher zurückkehren. « Mike überlegte einen Moment, ob es nicht eine gute Idee wäre, Astaroth mitzunehmen. Der Kater mit seinen telepathischen Fähigkeiten wäre ihnen sicherlich eine unschätzbare Hilfe auf der Insel, aber er hatte ihn den ganzen Tag über noch nicht gesehen. Doch Mike zweifelte nicht daran, daß Astaroth in diesem Moment seine Gedanken und die Trautmans las und so ganz genau wußte, was vorging. Wenn er sie hätte begleiten wollen, dann wäre er längst hier. Stimmt! sagte eine wohlbekannte Stimme in seinen Gedanken. Sonst nichts.

Mike seufzte leise, trat an Trautman vorbei und begann, die Leiter hinaufzuklettern. Das Metall war glitschig vor Nässe, und als er oben angekommen war, verhielt er noch ein paar Sekunden und tat ein paar tiefe Atemzüge. Dann zog er sich mit einer entschlossenen Bewegung über den Rand der Turmluke und stieß sich von der oberen Leitersprosse ab. Die Strömung ergriff ihn sofort und trug ihn mit erstaunlicher Kraft von der NAUTILUS weg. Mike war ein geschickter Schwimmer, aber jetzt mußte er sich ganz darauf konzentrieren, die Richtung zur Insel einzuhalten. So verschwendete er keine Energie darauf, sich nach Singh herumzudrehen, sondern griff kräftig aus. Als Mike die Insel endlich erreichte und auf den schmalen Sandstreifen hinaufkroch, der das Meer vom Dschungel trennte, fühlte er sich sehr erschöpft. Unmittelbar hinter ihm richtete sich Singh in der Brandung auf und trat neben ihn. Der Dschungel war an dieser Stelle bis auf knappe zwei Meter ans Meer herangewachsen und trotz der Nähe des Salzwassers so dicht, daß man nur wenige Schritte weit in ihn hineinblicken konnte. Die Schatten zwischen den fünfzehn Meter hohen Palmen wirkten fast schwarz, vor allem, da Mikes Augen an das grelle Sonnenlicht gewöhnt waren und ein wenig vom Salzwasser brannten. Wenn irgendwo dort drin jemand stand und sie beobachtete, dann würde er ihn wahrscheinlich nicht einmal bemerken. SinghsÜberlegungen schienen wohl in dieselbe Richtung zu gehen, denn er ließ Mike keine Zeit, sich auszuruhen, sondern zog ihn unsanft auf die Füße und hinter sich her, in den Wald hinein. Mike protestierte schwach und versuchte, Singhs Hand abzustreifen, aber der Inder achtete nicht auf ihn. Er zerrte Mike noch ein gutes Stück weiter hinter sich her, obwohl sie bereits im Schutz des Unterholzes angelangt waren. »He!« protestierte Mike. »Nicht so schnell!« »Jemand beobachtet uns«, sagte Singh leise. Mike fuhr erschrocken zusammen und drehte den Kopf nach rechts und links, aber alles, was er sah, waren nachtschwarze Schatten und grüne Dunkelheit. Er hörte eine Vielzahl von Geräuschen, die jedoch in einem Dschungel durchaus normal waren. »Bist du sicher?« fragte er. Instinktiv hatte er die Stimme zu einem Flüstern gesenkt, bevor ihm klar wurde, wie lächerlich das war. Wenn sie tatsächlich beobachtet wurden, dann war es auch nicht mehr nötig, zu flüstern. Singh nickte zögernd. »Ich glaube, ja«, sagte er. »Aber jetzt... « Er schüttelte den Kopf, drehte sich einmal im Kreis und sah dabei aus zusammengekniffenen Augen in den Wald hinein. Schließlich deutete er ein Achselzucken an. »Jedenfalls glaubte ich, sicher zu sein«, fuhr er nach einigen Sekunden fort.