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Mike sah ihn verwirrt an. Normalerweise konnte man sich auf Singhs scharfes Gehör und seine noch schärferen Augen unbedingt verlassen; ebenso, wie er eigentlich niemals etwas aussprach, wenn er sich seiner Sache nicht vollkommen sicher war. Auch Singh benahm sich ungewöhnlich -wie sie alle. Mikeverscheuchte den Gedanken. »Kommt weiter, Herr«, sagte er -ein Überbleibsel aus der Anfangszeit ihrer Bekanntschaft, als er tatsächlich Mikes Diener gewesen war. Mike hatte ihm schon tausendmal gesagt, daß er diese Anrede nicht mochte, und Singh hatte es ebensooft ignoriert. »Wir müssen auf die andere Seite der Insel. Und wir brauchen bestimmt eine Stunde dazu. « Die Insel war zwar mehrere Meilen lang, aber nicht besonders breit. Dafür jedoch sehr gebirgig, und der Dschungel, der schon am Ufer dicht gewesen war, erwies sich als nahezu undurchdringlich, je tiefer sie ins Landesinnere vorstießen. Dazu kam, daß Singh immer wieder stehenblieb und sich nervös umsah und seine Nervosität natürlich auch Mike ansteckte. Sie brauchten so nicht eine, sondern mehr als zwei Stunden, bis sie den Strand auf der gegenüberliegenden Seite der Insel sahen.

Das Gelände lag hier etwas höher als drüben, und der Strand war sehr viel breiter, so daß sie ihn aus demSchutz des Unterholzes heraus gut überblicken konnten. Übervorsichtig, wie er nun einmal war, hatte Singh Mike befohlen, ein Stück zurückzubleiben, und war allein zum Waldrand gegangen. Er blieb sehr lange fort. Mike konnte ihn als dunklen Umriß am Waldrand erkennen, und er beobachtete ihn sicher zwei, drei Minuten lang, wie er einfach reglos dastand und auf das Meer hinausstarrte.

Schließlich hielt er die Untätigkeit nicht mehr aus, beschloß, Singhs Warnung in den Wind zu schlagen, und trat mit vorsichtigen Schritten neben ihn. Singh wandte nur flüchtig den Kopf und blickte dann weiter konzentriert auf den Strand und das Meer hinaus, doch obwohl Mike nur einen kurzen Blick auf sein Gesicht erhaschte, sah er sofort, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Singh wirkte sehr angespannt, ja, alarmiert. »Was ist los?« fragte Mike.

Singh hob die linke Hand und deutete auf den Strand hinunter. »Seht selbst!«

Mike gehorchte -was er sah, das ließ ihn erschrocken die Luft anhalten. Singhs Orientierungssinn mußte noch besser sein, als er bisher geglaubt hatte, denn sie waren tatsächlich beinahe unmittelbar über dem fremden Schiff herausgekommen und allerhöchstens noch zwanzig oder dreißig Schritte davon entfernt. Er konnte eine Anzahl dunkel gekleideter Gestalten erkennen, die sich an der silbernen Scheibe zu schaffen machten, sowie eine doppelte Reihe kniehoher Stäbe, die im Kreis rings um das Schiff in den Sand gesteckt und mit dünnen Drähten verbunden waren. Aber das war es nicht, was Singh gemeint hatte.

Es war auf dem Meer. Unweit des Strandes dümpelte ein schwerer, grauschwarz gestrichener Dampfer auf den Wellen, der am Morgen, als sie die Insel vom Meer aus beobachtet hatten, noch nicht dagewesen war. Dafür waren das deutsche Schlachtschiff und die beiden Zerstörer verschwunden. »Wo sind die Schiffe?« murmelte er. Singh zuckte mit den Schultern. Die drei deutschen Kriegsschiffe waren nicht mehr da, und an ihrer Stelle ankerte dieses sonderbare schwarze Dampfschiff vor der Insel. Es hatte keinerlei Flagge oder sonstige Nationalitätskennzeichen, und irgend etwas daran war... unheimlich. Mike konnte das Gefühl nicht in Worte kleiden, aber es war sehr deutlich. Mühsam löste er seinen Blick von den rostzerfressenen Flanken des schwarzen Frachters und konzentrierte sich wieder auf die Männer, die sich an dem Sternenschiff zu schaffen machten. »Was tun sie da?« murmelte er.

Wieder bestand Singhs Antwort nur in einem Achselzucken. Aber sein Gesichtsausdruck wurde noch besorgter. Obwohl sie nicht sehr weit von der silbernen Scheibe entfernt waren, konnten sie nicht genau erkennen, was die Männer dort eigentlich taten. Nach einer Weile sagte Singh: »Wir müssen näher heran. « Er überlegte einen weiteren Moment, dann drehte er sich herum und deutete mit einer entschlossenen Bewegung wieder in den Wald hinein. »Ihr bleibt hier, Herr. Ich werde versuchen, näher heranzukommen. « »Aber -« begann Mike, wurde aber sofort wieder von Singh unterbrochen.

»Mit ein bißchen Glück schaffe ich es. Es sind so viele, daß ein Mann mehr vielleicht gar nicht auffällt, und meine Kleider ähneln den ihren. Und ich gehe bestimmt kein Risiko ein. Keine Sorge. «»Meinetwegen«, murmelte Mike ohne rechte Überzeugung. Er bedauerte es mittlerweile zutiefst, nicht darauf bestanden zu haben, daß Astaroth sie begleitete. Der Kater mit seinen Fähigkeiten, die Gedanken der Menschen zu lesen, wäre in diesem Moment eine unschätzbare Hilfe gewesen.

Sie wichen wieder ein kleines Stück in den Wald zurück und bewegten sich ein Dutzend Schritte weit nach rechts, so daß sich Singh dem Schiff auf die kürzest mögliche Distanz nähern konnte. Mike suchte sich ein Versteck in einem gut mannshohen Farngestrüpp und sah mit klopfendem Herzen zu, wie der Inder auf den Strand hinaustrat und mit raschen, aber trotzdem sehr ruhigen Schritten auf das Sternenschiff zuging; ein Mann, der es eilig hatte, aber ganz genau wußte, was er tat und nicht im geringsten unsicher war. Dieses sichere Auftreten würde vielleicht dafür sorgen, daß keiner der Männer wirklich Notiz von Singh nahm. Mike sah, wie der Inder das Schiff halb umrundete und sich dann ganz selbstverständlich einer kleinen Gruppe von Männern anschloß, die auf eine Lücke in dem niedrigen Zaun zusteuerte. Einen Moment später waren sie und mit ihnen auch sein Freund und Leibwächter hinter der Scheibe und somit seinen Blicken entschwunden.