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Er ging weiter und traf nach einigen Augenblicken auf Singh, der soeben den reglosen Eingeborenen zu Boden sinken ließ. Während er versuchte, ihn wachzurütteln, fragte er: »Verfolgen sie uns?«

Mike schüttelte den Kopf: »Nein. Anscheinend wollten sie uns nur in die Flucht schlagen. Was waren das für Männer?«

»Keine Ahnung«, gestand Singh. »Und ich glaube fast, ich will es auch gar nicht wissen. Sie waren... unheimlich. «

»Die Männer, die von den Eingeborenen niedergeschlagen wurden«, fügte Mike hinzu, »sind nicht tot, weißt du? Ich konnte sehen, daß sie wieder aufstehen. « Er beugte sich herab und zog nachdenklich einen der winzigen gefiederten Pfeile aus dem kleinen Köcher, den der Bewußtlose am Gürtel trug. »Ich dachte immer, diese Dinger wären gefährlicher. «

»Das sind sie auch«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Die Spitzen sind in Curare getaucht, das tödlichste Gift der Welt. «

Mike und Singh fuhren im gleichen Moment herum und sahen sich einem mittelgroßen, sehr schlanken Mann gegenüber, der vollkommen lautlos aus dem Dickicht herausgetreten war. Er ähnelte ein wenig den Gestalten, auf die sie am Strand getroffen waren; auch er hatte dunkles Haar und ein scharf geschnittenes Gesicht und vor allem die gleichen dunklen und großen Augen. Aber der Mann gehörte nicht zu den Fremden am Strand. Er trug die dunkelblaue Uniform der deutschen Handelsmarine, die schon ein bißchen mitgenommen aussah. Das mußte wohl der Offizier sein, von dem sie im Logbuch des untergegangenen Schiffes gelesen hatten.

Mit einer raschen Bewegung trat er näher, nahm Mike sehr behutsam den Pfeil aus der Hand und fuhr fort: »Schon ein winziger Kratzer, und du bist tot, bevor du auch nur deinen Namen buchstabieren kannst. Also sei besser vorsichtig damit. «

Mike trat einen Schritt zurück und sah erschrocken auf seine Hände herab, während der Offizier den Pfeil wieder in den Köcher zurückschob. Dann begann er den bewußtlosen Eingeborenen zu untersuchen: Er hob seine Lider an, tastete nach seinem Puls und befühlte seine Stirn. Obwohl seine Bewegungen sehr schnell waren, hatte Mike das Gefühl, daß er ganz genau wußte, was er da tat. »Kommt er wieder in Ordnung?« fragte er.

»Ich denke schon«, antwortete der Fremde. »Er hat ganz schön was abgekriegt, aber diese Eingeborenen sind recht zäh. « Er stand auf und streckte Mike die Hand entgegen, und nach kurzem Zögern griff dieser auch danach. »Vielen Dank, daß ihr ihm geholfen habt. Mein Name ist Weisser. Stefan Weisser. Ihr seid von dem Tauchboot, das draußen vor der Insel kreuzt?« Mike starrte Weisser aus aufgerissenen Augen an. »Woher... wissen Sie das?«

Der dunkelhaarige Mann mit den sonderbaren Augen lächelte. »Hier passiert nicht viel, wovon ich nichts weiß«, antwortete er geheimnisvoll. »Es ist eine kleine Insel.

Aber nun kommt, wir müssen fort, ehe sie doch noch auf die Idee kommen, nach uns zu suchen, oder kurzerhand den ganzen Wald niederbrennen. « Auf ein Zeichen Weissers hin erschien wie aus dem Boden gewachsen ein halbes Dutzend weiterer Eingeborener im Unterholz. Zwei von ihnen hoben ihren bewußtlosen Kameraden hoch, während die anderen eine Art Eskorte bildeten, die wohl zu ihrem Schutz dienen sollte. Zumindest versuchte sich Mike dies einzureden.

Während der nächsten halben Stunde kamen sie kaum dazu, etwas über ihren sonderbaren neuen Freund zu erfahren oder gar mit ihm zu reden, denn die Eingeborenen legten ein solches Tempo vor, daß sie ihre Mühe hatten, mit ihnen Schritt zu halten. Und Weisser ging auch jeder Möglichkeit, ihn etwa in ein Gespräch zu verwickeln, sehr geschickt aus dem Weg. Nach einer guten halben Stunde erreichten sie das Dorf der Eingeborenen, das auf einer Lichtung mitten im Dschungel lag. Knapp zwei Dutzend Hütten, in denen kaum mehr als hundert Menschen leben konnten. Die Eingeborenen kamen ihnen mit großem Hallo und aufgeregtem Geschnatter entgegen, von dem Mike und Singh natürlich kein Wort verstanden. Weisser jedoch antwortete zu Mikes nicht geringem Erstaunen in der gleichen Sprache darauf und das, wie es schien, sogar fließend. Wenn man bedachte, daß er erst seit einigen Tagen auf dieser Insel war, dann war das eigentlich unmöglich. Doch an dieser Insel -und vor allem an diesem Dorf -war sowieso einiges sonderbar. Mike fiel auf, daß einige der Hütten leerzustehen schienen und sich in ihrer Farbe von den anderen unterschieden. Außerdem machten die Eingeborenen einen großen Bogen um sie, denn obwohl auf dem Dorfplatz ein ziemliches Gedränge herrschte, kam doch niemand auch nur in die Nähe der betreffenden Gebäude. Mike wollte schon eine entsprechende Frage stellen, aber Weisser ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, sondern deutete auf eine Hütte auf der anderen Seite des Platzes und sagte: »Wartet dort drüben auf mich. Ich komme so rasch zu euch, wie es mir möglich ist. « »Aber « begann Singh, doch Weisser unterbrach ihn mit einer befehlenden Geste:

»Sie haben wirklich nichts zu befürchten. Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen tausend Fragen auf der Zunge brennen, Herr Singh, aber im Moment habe ich leider ein paar sehr wichtige Dinge zu erledigen.

Unaufschiebbare Dinge. Ich verspreche Ihnen aber, bald zu Ihnen zu kommen. «

Singh sagte nichts, aber er wurde blaß, was vielleicht auch daran lag, daß bei Weissers Worten zwei Eingeborene hinter ihn traten und sich in ganz eindeutig drohender Haltung rechts und links von ihm aufbauten. »Sind wir Ihre Gefangenen?« fragte Mike. Weisser schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht«, antwortete er. »Aber die armen Leute hier haben in den letzten Tagen ziemlich schlechte Erfahrungen mit Fremden gemacht. Es ist nur zu eurem eigenen Schutz, wenn ihr die Hütte nicht verlaßt. Ich rede mit dem Häuptling, aber bis es soweit ist, lauft bitte nicht auf eigene Faust herum. Euch könnte etwas zustoßen. « Das ist deutlich, fand Mike. Sie waren Gefangene. Ohne ein weiteres Wort drehten Singh und er sich herum und folgten den beiden Eingeborenen zu der Hütte, die Weisser ihnen zugewiesen hatte. Sie war fast vollkommen leer. Es gab nur einige Bastmatten auf dem Boden sowie einen großen Holzkrug mit Wasser. Kein Fenster und vor allem keine weiteren Ausgänge. Ihre Begleiter folgten ihnen nicht in die Hütte hinein, sondern nahmen rechts und links vom Eingang Aufstellung. »Ich bin gar nicht mehr so sicher, daß wir einen guten Tausch gemacht haben«, sagte Mike. Singh antwortete nicht darauf, aber nach einer Weile sagte er: »Dieser Mann ist nicht das, was zu sein er scheint. « »Stell dir vor, das habe ich auch schon gemerkt«, sagte Mike spitz.

»Er hat mich mit meinem Namen angesprochen«, fuhr Singh fort. »Und?«

»Ich habe ihn nicht genannt«, erklärte Singh. »Und Ihr auch nicht. Nicht in seiner Gegenwart. « Mike starrte Singh einige Sekunden lang betroffen an, während er angestrengt nachdachte. Aber Singh hatte recht: Keiner von ihnen hatte seinen Namen genannt, als sie sich vorstellten, nur Weisser. »Und er wußte von der NAUTILUS«, fügte Singh nachdenklich hinzu.