»Jesses, Kind, was gibt’s?« fragte sie.
»In der Küche!« rief Katharina und ging wieder zurück zum Herd, von dem sich der seltsam ätzende Geruch nach verbranntem Salz verbreitete.
Seufzend nahmen die beiden Frauen die Beseitigung des Unglücks in die Hand, das Grosi entfernte die Glasreste vom Herd und wischte mit Besen und Schaufel das Salz von der Platte, wobei sich der Geruch von angesengtem Pferdehaar mit dem Salzbrand mischte, die Base hob das Katzenschüsselchen auf, das ebenfalls in zwei Teile zerbrochen war, und legte diese auf den Tisch. Die Brotbrocken mußte Katharina in einen Teller sammeln und in den Schweinekübel werfen, der im Vorraum stand. Die Milch nahm die Base mit einem Bodenlappen auf, den sie nachher über der Kartoffelfenzpfanne auswand.
Das ging alles so schnell, als hätten sie es zusammen eingeübt, und erst als alles wieder sauber war, fragte die Großmutter, warum um Gottes heiligen Willen sie denn das Glas mit dem Salz auf den Herd gestellt habe. Katharina erzählte, den Tränen nahe, das vom Sanden und Salzen, und natürlich hatte sie nicht daran gedacht, daß die Herdplatte noch warm war.
»Du Tötschli«, sagte die Base und zog sie zur Strafe so heftig am Ohr, daß Katharina aufschrie, worauf die Großmutter sagte, es sei schon gut, und hinzufügte: »Glück und Glas, wie leicht bricht das.«
Kaspar blickte auf die zwei Hälften des Katzenschüsselchens und sagte: »Kaputt.«
Das wisse sie auch, sagte Katharina trotzig, und er solle verschwinden zu seinem Puppenhaus.
Das könne man vielleicht noch leimen, sagte die Großmutter, Johannes solle das dann heute abend versuchen, der sei geschickt in solchen Dingen. Dann fragte sie Katharina, ob sie nicht doch mit den drei Männern in die Kirche wolle und von da aus zurück nach Hause, aber das wollte Katharina auf keinen Fall, selbst wenn sie noch das Geschirr vom Mittag abwaschen müßte. Sie bürste gleich noch die Kartoffelpfanne fertig aus, sagte sie und beeilte sich, das Taburett wieder vor den Spültrog zu schieben.
Nein, sagte das Grosi, es sei gut, sie hätte ja schon das ganze Geschirr abgewaschen und sei eine Fleißige gewesen, und das Bäsi könne das auch fertigmachen, vielleicht sei es eben doch ein bißchen zu schwer für so ein kleines Kathrinli.
Die Base warf Katharina einen verärgerten Blick zu, als sie jetzt die Bürste in die Hand nahm, und Katharina ärgerte sich über diesen Blick und über das kleine Kathrinli, und als die Großmutter sagte, sie gingen dann am Nachmittag zusammen in die »Meur«, fragte sie: »Warum?«
Einen Moment war es still in der Küche. Auf dem Hausdach tschilpten die Spatzen, als gälte es, gemeinsam einen großen Feind zu vertreiben. Die Base ließ die Bürste sinken und drehte sich zu Katharina, und verwundert fragte die Großmutter zurück: »Warum nicht?«
16
»Chumm, Bibi!« rief Kaspar und warf den beiden Hühnern im Vorgarten aus einem Schüsselchen eine Handvoll Brosamen zu. Katharina hielt ihn etwas in die Höhe, damit er über den Zaun reichte. Hinter ihnen stand die Base, die sehen wollte, wie es den zugelaufenen Tieren ging.
Diese kamen, zögernd zuerst, unter den Rhabarberblättern hervor und näherten sich über den kleinen Pfad zwischen dem Beet mit den roten und dem mit den gelben Blumen den hingeworfenen Brotkrümeln, denen Kaspar sogleich noch einen zweiten Wurf folgen ließ.
Katharina ließ den Bruder wieder zu Boden gleiten, und zusammen schauten sie zu, wie die Tiere mit zunehmender Hast das Brot aufpickten.
Sie seien jedenfalls weder verhungert noch vom Fuchs geholt worden, sagte die Base, und irgendeinmal werde sich wohl jemand melden, dem sie weggekommen seien. Vielleicht hätten die Männer in der Kirche heute etwas gehört. Sonst, sagte sie und lachte dazu, sonst hätten sie wenigstens schon ihr Sonntagsessen von nächster Woche, das gebe es ja auch nicht alle Tage, daß einem der Braten von selbst ins Haus spaziere.
»Fast wie im Elsaß, gell«, sagte Katharina und war stolz, daß sie einen kleinen Witz machen konnte.
»Wieso meinst?« fragte die Base.
Katharina war enttäuscht. Die Base hatte sie nicht begriffen, obwohl sie doch erwachsen war.
»Im Lied, weißt du, das ihr gestern gesungen habt, da war doch auch alles verkehrt«, sagte sie und wartete darauf, daß die Base über ihren Witz lachte, jetzt, wo sie ihn ihr erklärt hatte.
Aber die Base nickte nur kurz und sagte: »Ach, das meinst.«
Vom Plattenberg herüber knatterte es, als würden Geschütze abgefeuert. Die Hühner hielten einen Augenblick inne, um dann weiterzufressen, die Base und Katharina drehten sich um und versuchten die Abbruchsteile zu sehen, fanden sie aber nicht.
»Will hinein«, sagte Kaspar.
»Mußt keine Angst haben«, sagte Katharina, »wir sind ja beim Grosi.«
Aus dem Wäldchen ertönte ein Jodelruf.
Die Base jodelte zurück.
»Der Paul kommt«, sagte sie, und ihre Augen blitzten fröhlich.
Katharina dachte, wie schön es war, groß zu sein. Da machte man sich Sorgen, und dann jodelte einfach ein Paul aus dem Wäldchen herauf und kam nach Hause, und alles war gut.
Sie freute sich mit der Base, als deren Mann jetzt auf dem Fußweg zwischen den Bäumen erschien. Neben ihm her ging Fridolin, und beide trugen dunkle Hüte auf dem Kopf. Ob Johannes nicht kam? Doch, jetzt war auch er zu sehen, auch er mit einem Hut, aber da folgten noch zwei Menschen hinterher, hutlos beide, und zwar ein Mann und eine Frau. Katharina erkannte sie beide, der Mann war der Hans-Kaspar aus der hinteren »Bleiggen«, und die Frau war ihre ältere Schwester Anna.
»Die Anna kommt!« rief Katharina und sprang vom Vorgarten zum Weg hinunter, den Ankommenden entgegen.
»Didi, wie geht’s?« fragte Anna und gab ihr die Hand. Katharina glaubte gesehen zu haben, wie ihre Schwester Hans-Kaspars Hand losließ, der dicht neben ihr ging.
»Gut«, sagte sie. Sie gab Annas Hand frei, drehte sich um und ergriff sie gleich wieder, um neben ihr her zum Haus hinaufzugehen.
»Und dem Chäpp?«
»Auch wieder gut«, antwortete Katharina.
»Wieso wieder?« fragte Anna.
»Er mußte gestern kotzen«, sagte Katharina. Ins Puppenhaus, wollte sie hinzufügen, erinnerte sich aber noch rechtzeitig an den gestrigen Verweis und ließ es bleiben.
Jetzt kam ihnen auch Kaspar entgegen, der hinter Katharina hergerannt war, aber bevor er seine älteste Schwester begrüßen konnte, fing ihn Paul ab und lupfte ihn zu sich hinauf. »Da haben wir ihn!« rief er und hielt ihn hoch über seinen Kopf.
Kaspar wehrte sich strampelnd und krähend, da drehte sich Paul um und stellte ihn Anna vor die Füsse. »Es will noch jemand zu dir«, sagte er, und sofort schob sich Kaspar zwischen sie und ihren Begleiter und suchte ihre freie Hand, die ihm Anna bereitwillig gab.
Nun war auch Margret auf dem Fußweg angekommen und sagte lächelnd zu Paul, ob er sie nicht auch in die Luft heben wolle.
»Aber sicher«, gab Paul zurück, packte sie mit beiden Händen an den Hüften und stemmte sie so schnell und locker in die Höhe, als wäre sie ein Bündel Heu. Margret schrie erschrocken, er solle sie herunterlassen, doch Paul sagte, wer in die Luft wolle, müsse nachher auch oben bleiben.
Kaspar gluckste vor Vergnügen. »Bäsi fliegt«, sagte er zu Anna und Katharina und zu sich selbst.
»Ja«, rief Paul, »Bäsi fliegt bis zum Haus!« Und während sein Kopf rot anlief, trug er seine kreischende und zappelnde Frau den steilen Pfad zum Vorgarten hinauf.
Katharina kam es vor, als flattere ein riesiger Vogel über Pauls Hut, etwa so hatte Noah vielleicht seine Lämmergeier eingefangen.
Fridolin und Johannes feuerten ihren Bruder an. »Zu den Hühnern!« rief Fridolin.
»Wo die Weiber hingehören!« schrie ihm Johannes nach.
»Und wohin gehört ihr?« rief Anna dazwischen.
»Zu den Schweinen!« lachte Fridolin.
»Da sind wir!« Prustend stellte Paul seine Frau ins Gras vor den Zaun. »Das hättest du nicht gedacht, gell?« sagte er und gab ihr einen Kuß auf die Wange, »daß du einen so starken Cheib zum Mann hast.«