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„Woher kommst du, Fremder?“ knurrte er in einer Sprache, die nur noch entfernt an Englisch erinnerte.

Harkins überlegte und beschloß weiterhin nach der Annahme zu handeln, daß sie so wild waren wie sie aussahen. Er deutete auf den Wald. „Von dort.“

„Das wissen wir“, sagte der Mann. „Wir sahen, daß der Sternriese dich brachte. Aber wo ist dein Dorf?“

Harkins zuckte die Achseln. „Weit von hier — auf der anderen Seite des Meeres.“ Die Geschichte war ebensogut wie irgendeine andere, dachte er. Und er wollte erst mehr über diese Leute wissen, ehe er über sich selbst zu reden bereit war.

Eine der Frauen meldete sich zum Wort.

„Was für ein Meer?“ Sie war untersetzt und hatte ein gelbes Gesicht. Sie trug ein zerfetztes schmutziges Kleid. „Hier gibt es keine Meere in der Nähe.“ Sie schob sich näher an Harkins heran und musterte ihn durchdringend. Ihr Atem stank. „Du bist ein Spion“, sagte sie anklagend. „Du kommst aus der Tunnelstadt, nicht wahr?“

„Der Sternriese hat ihn gebracht, Elsa“, widersprach die andere Frau ruhig. Sie war hochgewachsen und sah verwegen aus, und bei ihrem langen blonden Haar hatte man den Eindruck, als sei es noch nie geschnitten worden. Sie trug zerschlissene Shorts und zwei Stoffstreifen, mit denen sie ihren Oberkörper bedeckt hatte. „Die Sternriesen sind nicht mit den Stadtbewohnern verbündet“, fügte sie dann hinzu.

„Ruhig“, herrschte sie der Mann an, der zuerst gesprochen hatte. Dann wandte er sich zu Harkins. „Wer bist du?“

„Mein Name ist Lloyd Harkins, und ich komme von weit jenseits des Meeres. Ich weiß nicht, wie ich hierhergekommen bin, aber der Sternriese“ — das würde wenigstens stimmen — „fand mich und brachte mich hierher.“ Er spreizte die Hände. „Mehr kann ich euch nicht sagen.“

„Äh. Also gut. Lloyd Harkins.“ Der Mann wandte sich zu den anderen sechs um. „Bringen wir ihn um, oder lassen wir ihn leben?“

„Seit wann interessierst du dich für unsere Meinung, Jörn?“ fragte die dicke Frau, die die andere Elsa genannt hatte. „Ich sage, wir sollten ihn umbringen. Er ist aus der Tunnelstadt. Ich weiß es.“

Jorn sah die anderen an. „Was meint ihr?“

„Lassen wir ihn leben“, antworteten zwei junge Männer wie aus einem Munde. „Uns erscheint er harmlos.“

„Mir auch“, meinte ein dritter.

„Mir auch“, erklärte der vierte. „Aber ich sage trotzdem, daß wir ihn umbringen sollten. Elsa hat sich noch selten geirrt.“

Harkins kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. Das waren zwei Stimmen für seinen Tod und drei dafür, ihn leben zu lassen. Jörn sah das mürrisch blickende Mädchen mit dem langen Haar erwartungsvoll an.

„Und deine Meinung, Katha?“

„Laß ihn leben“, sagte sie langsam.

„So sei es denn“, knurrte Jörn. „Ich stimme ebenfalls für ihn. Du kannst bei uns bleiben, Fremder. Aber meine Stimme ist die entscheidende — und wenn ich mich anders entschließe, stirbst du.“

Sie gingen hintereinander auf das Dorf zu. Jörn schritt an der Spitze, Harkins an vorletzter Stelle, gefolgt von dem Mädchen Katha. Die übrigen Dorfbewohner musterten ihn neugierig, als er in den Kreis ihrer Hütten trat.

„Das ist Lloyd Harkins“, sagte Jörn mit lauter Stimme. „Er wird bei uns wohnen.“

Harkins blickte gespannt von einem Gesicht zum anderen. Insgesamt zählte die Bevölkerung des Dorfes vielleicht siebzig Menschen — von Graubärten bis zu kleinen Kindern. Sie schienen wild und seltsamerweise doch gleichzeitig zivilisiert. Das Dorf war eine Mischung aus Primitivität und Kultur.

Die Hütten bestanden aus einer unbekannten dunkelgrünen Plastiksubstanz — ebenso wie die Kleider der Dorfbewohner. In der Mitte des kleinen freien Platzes, den die Hütten umstanden, brannte ein Lagerfeuer.

Harkins hatte von seiner Position aus einen guten Ausblick auf den Dschungel — der, seiner Dichte nach zu schließen, schon vieleJahre hier stand. Er konnte den ausgetretenen Pfad sehen, den der Sternriese hinterlassen hatte.

Er wandte sich zu Jörn. „Ich bin ein Fremder in diesem Land. Ich weiß nichts von eurer Art zu leben.“

„Du brauchst nur zu wissen, daß ich hier die Befehle gebe“, sagte Jörn. „Höre auf mich, und du wirst keine Schwierigkeiten bekommen.“

„Und wo werde ich bleiben?“

„Hier ist eine Hütte für Unverheiratete“, sagte Jörn. „Sie ist nicht sehr bequem, aber etwas Besseres haben wir nicht.“ Jörns tiefliegende Augen verengten sich. „In diesem Dorf sind übrigens keine ledigen Frauen. Es sei denn, du willst Elsa haben.“ Er warf den Kopf in den Nacken und lachte brüllend.

„Elsa hat ein Auge auf einen der Sternriesen“, sagte jemand spöttisch.

„Was?“ Die dicke Frau, die Harkins inzwischen als Elsa kannte, warf sich mit derartiger Wucht auf den Spötter, daß dieser unter dem unerwarteten Angriff zu Boden ging. Elsa stieg auf seine Brust und begann, seinen Kopf auf den Boden zu schlagen. Jorn zog sie mit einer lässigen Bewegung weg.

„Schone deine Energie, Elsa. Wir werden dich und deine Zaubersprüche brauchen, wenn die Leute aus der Tunnelstadt kommen.“

Harkins runzelte die Stirn. „Diese Tunnelstadt — wo ist sie? Wer lebt dort?“

Jörn drehte sich langsam um. „Entweder bist du ein Dummkopf, oder du bist wirklich neu hier. Die Tunnelstadt ist einer der alten Orte. Unsere Feinde wohnen dort in den Ruinen. Sie machen Krieg gegen uns — und die Sternriesen sehen zu. Das macht ihnen Spaß.“

„Diese Leute aus der Tunnelstadt — sind das Männer wie wir? Ich meine — keine Riesen?“

„Sie sind wie wir. Deshalb kämpfen sie auch gegen uns. Die anderen haben kein Interesse daran.“

„Die anderen …?“

„Das wirst du schon noch sehen. Hör’ jetzt mit deinen Fragen auf! Es muß Essen besorgt werden.“ Jörn wandte sich zu einem Dorfbewohner mit flachsgelbem Haar. „Zeige Harkins, wo er bleiben soll — und dann zeigst du ihm die Arbeit im Kornfeld.“

Ein Wust von Gedanken und Überlegungen kreiste in Harkins Kopf, als der junge Mann ihn wegführte. Langsam begannen sich die Schleier des Geheimnisses zu lüften.

Die Dorfbewohner sprachen eine Art von Englisch, die nicht ganz zu Harkins’ Theorie paßte, daß er irgendwie in die Vergangenheit zurückversetzt worden war. Die andere Möglichkeit, so schwer es auch fiel, sich mit ihr abzufinden, war ganz eindeutig: er befand sich in der Zukunft, in einer seltsam veränderten Welt.

Die Sternriesen — woher stammten sie? Jörn hatte gesagt, die sähen zu, wenn die beiden Dorfgemeinschaften gegeneinander kämpften. Das machte ihnen Spaß, hatte er gesagt. Das deutete darauf hin, daß die Riesen die herrschende Macht in der Welt waren. Waren es Menschen? Oder Eindringlinge von einem anderen Planeten …?

Diese Fragen würden noch auf die Antwort warten müssen, Jörn kannte diese Antwort entweder nicht oder wollte zumindest nicht, daß Harkins sie erfuhr.

Der Roboter im Wald blieb ebenfalls unerklärlich. Der Sternriese hatte ihm freilich durchaus gesunden Respekt erwiesen.

Der Stamm hier — Jörn führte das Kommando, und jedermann schien sich seiner Autorität zu beugen. Eine recht primitive Sozialordnung, dachte Harkins. Das deutete auf einen ziemlich vollständigen Zusammenbruch der Zivilisation zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit. Die einzelnen Bruchstücke fügten sich aneinander, aber es gab noch Lücken.

Die Tunnelstadt war die Heimat des verhaßten Feindes. ,Einer der alten Orte’, hatte Jörn gesagt. Die Feinde wohnten in den Ruinen. Das war ganz klar. Aber welche Rolle spielten diese ,anderen’ …?

Harkins schüttelte den Kopf. Es war eine seltsame und verwirrende Welt, und vermutlich würde er um so gefahrloser leben, je weniger Fragen er stellte.

„Hier ist unsere Hütte“, sagte der Dorfbewohner. Er deutete auf ein langes niedriges Bauwerk. „Hier wohnen die ledigen Männer. Du kannst dir jedes Bett nehmen, auf dem keine Kleider liegen.“