Выбрать главу

„Danke“, antwortete Harkins. Er bückte sich, um eintreten zu können. Das Innere der Hütte war kahl und roh, und auf dem Boden lagen eine Anzahl Strohschütten regellos herum. Er wählte eine davon aus, die einigermaßen sauber schien und legte sein Jackett darauf. „Das ist meine“, sagte er.

Der andere nickte. „Und jetzt zum Kornfeld.“ Er deutete auf eine Lichtung hinter dem Dorf.

Harkins verbrachte den Rest des Nachmittags mit Feldarbeit, wobei er bewußt seine ganze Energie einsetzte und sich bemühte, so wenig wie möglich zu denken. Als die Nacht herannahte, war er völlig erschöpft. Die Männer kehrten ins Dorf zurück, wo die Frauen ein einfaches, aber sättigendes Gemeinschaftsabendessen zubereiteten.

Ein einfaches Leben, dachte Harkins. Feldarbeit, Nahrungssuche und gelegentlich Streitigkeiten zwischen den Stämmen.

Es war nicht gerade eine schwindelnde Höhe, die diese entfernten Nachkommen seiner selbst erstiegen hatten, überlegte er. Aber irgend etwas stimmte nicht an diesem Bild. Der Zusammenbruch mußte erst in allerletzter Zeit erfolgt sein, daß sie noch auf dieser tiefen Kulturstufe standen — aber die Vegetationsdichte im Urwald deutete darauf hin, daß schon viele Jahrhunderte verstrichen waren, seitdem diese Region zuletzt bevölkert gewesen war. Seine logische Kette hatte hier eine Lücke, erkannte Harkins, und er konnte sie nicht finden.

Die Nacht kam. Es war Vollmond, und er blickte sehnsüchtig zu dem pockennarbigen Gesicht des alten Begleiters der Erde hinauf. Er empfand ein seltsames Gefühl der Sehnsucht und des Heimwehs nach der überfüllten geschäftigen Welt, von der er entführt worden war.

Er sah die Dorfbewohner an, die mit vollen Bäuchen müde am Boden herumlagen. Jemand sang ein melodieloses Lied. Neben ihm war lautes Schnarchen zu hören. Jörn stand aufgerichtet da, und seine Silhouette zeichnete sich vor dem mondhellen Horizont ab. Er spähte hinaus, als erwarte er einen plötzlichen Angriff. In der Ferne war das dröhnende Geräusch eines Roboters — oder vielleicht auch eines Sternriesen — zu hören, der sich seinen Weg durch das Unterholz bahnte.

Plötzlich wandte Jörn sich um. „Zeit zum Schlafen“, herrschte er die anderen an. „In die Hütten mit euch!“

Er stieß die Schlummernden mit den Füßen an und schob die Frauen vom Feuer weg.

Er ist tatsächlich der Boss hier, dachte Harkins und betrachtete Jörns mächtige Muskelstränge mit einiger Bewunderung. Er würde gut daran tun, diesem Mann nicht in die Quere zu kommen, solange er im Dorf war, dachte er.

Später lag Harkins auf seiner Strohschütte und versuchte zu schlafen. Es erwies sich als unmöglich. Das helle Mondlicht strömte zur offenen Hüttentür herein — und außerdem war er viel zu aufgeregt, um einschlafen zu können. Er hob den Kopf etwas und sah sich um. Die sechs Männer, mit denen er die Hütte teilte, schliefen fest nach der schweren Arbeit des Tages.

Sie fühlten sich sicher, dachte er — die Sicherheit des Unwissens. Die Geräusche der Nacht von draußen störten ihn, das unterdrückte Dröhnen und Stampfen im Wald weckte seltsame Ängste in ihm. Das war keine Welt für einen nervösen Menschen.

Er schloß die Augen und legte sich wieder zurück. Das Bild des Sternriesen schwebte vor seinem geistigen Auge — zuerst der Sternriese als Baum, dann das ganze Wesen und schließlich sein eigenartig gütiges, melancholisches Gesicht.

Er fragte sich, ob der Riese, der ihn heute getragen hatte, sich wohl dessen bewußt gewesen war, daß er ein intelligentes Wesen getragen hatte — oder ob er ihn nur für irgendein zweibeiniges Waldtier gehalten hatte, das zu klein war, um irgendeines Gedankens wert zu sein.

Und dann verfolgte ihn das Bild des Roboters — jenes seltsame Wesen mit dem kugelförmigen Kopf, das, irgendeinem unerklärlichen Befehl folgend, durch den Wald gestampft war.

Und dann berührte ihn plötzlich etwas ganz sacht am Arm. Er ruckte hoch und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er geschlafen hatte.

„Leise“, sagte eine weiche Stimme an seinem Ohr.

Katha.

Sie kauerte neben seiner Strohschütte und blickte auf ihn hinab. Er fragte sich, wielange sie schon hiergewesen war. Ihr langes Haar strömte ihr über die Schultern, und ihre Nüstern bebten erregt, als Harkins sie fragend ansah.

„Was tust du hier?“

„Komm’ hinaus“, sagte sie. „Wir wollen die anderen nicht aufwecken.“

Harkins ließ sich von ihr hinausführen. Das Mondlicht erhellte das ganze Dorf. Drüben vom Wald her drangen die Geräusche einer wilden Natur herüber.

„Jörn ist mit Neila zusammen“, sagte Katha verbittert. „Sonst bin ich Jörns Mädchen — aber heute hat er sich gar nicht um mich gekümmert.“

Harkins runzelte die Stirn. So müde er war, wußte er doch sofort, worauf diese Situation abzielte, und sie gefiel ihm ganz und gar nicht. Katha wollte ihn dazu benutzen, sich an Jörn zu rächen.

Sie schob sich näher an ihn und schmiegte sich an ihn. Unwillkürlich legte sich seine Hand auf ihre Schulter — dann zog er sie zurück. Ganz gleich, was auch Kathas Motiv sein mochte, Jörn würde ihn vermutlich auf der Stelle töten, wenn er von diesem Besuch erfuhr. Und Harkins war auf Jörns guten Willen angewiesen. Er schob Katha sachte von sich.

„Nein“, sagte er. „Du gehörst Jorn.“

Ihre Nüstern weiteten sich. „Ich gehöre niemand!“ flüsterte sie. Sie kam wieder näher. Jetzt war in einer Hütte in der Nähe ein Geräusch zu hören.

„Geh’ schlafen“, sagte Harkins ängstlich. „Wenn Jörn uns findet, tötet er uns beide.“

„Jörn ist mit Neila zusammen — aber er würde mich außerdem auch nicht umbringen. Hast du Angst vor Jörn, Fremder?“

„Nein“, log Harkins. „Ich …“

„Du redest wie ein Feigling.“ Wieder tastete ihre Hand nach ihm, und diesmal schob er sie unsanft von sich. Sie schlug ihm ins Gesicht. Dann legte sie die Hand an den Mund und schrie: „Hilfe!“

Auf ihren Schrei hin schob Harkins sich an ihr vorbei und versuchte seine Hütte wieder zu erreichen, aber es war schon zu spät. Das ganze Dorf schien im selben Augenblick zu erwachen, und ehe ihm voll bewußt wurde, was geschah, spürte er einen harten Griff im Nacken.

„Ihr anderen geht wieder schlafen.“ Es war Jörns Stimme, laut und befehlsgewohnt, und im nächsten Augenblick war der Platz wieder leer — mit Ausnahme von Katha, Harkins und Jörn.

Der ‚Häuptling’ hielt Harkins mit einer Hand am Hals und eine wild um sich schlagende Katha in der anderen.

„Er hat mich angegriffen“, beschuldigte ihn Katha.

„Das ist gelogen.“

„Ruhe, ihr beiden!“ Jörns Stimme peitschte wie ein Schuß. Er ließ Katha los und warf sie auf den Boden, wo sie demütig liegenblieb. Sein Griff an Harkins’ Hals wurde stärker.

„Was war los?“ wollte Jörn wissen.

„Soll sie es doch sagen“, antwortete Harkins.

„Was sie sagt, interessiert mich nicht. Ich will die Wahrheit hören.“

„Er kam in meine Hütte und griff mich an“, rief Katha.

Jörn brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Sie ist zu dir gekommen, nicht wahr, Harkins?“

Harkins nickte. „Ja.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Ich habe es sogar erwartet. Das ist nicht das erste Mal.“ Er ließ Harkins los und gab Katha durch eine Handbewegung zu verstehen, daß sie aufstehen sollte. „Du wirst weggehen müssen“, erklärte Jörn.

„Aber …“

„Es ist nicht deine Schuld“, sagte Jörn. „Aber du mußt gehen. Katha würde sonst keine Ruhe geben. Gehe jetzt — und wenn du dich wieder hier sehen läßt, werde ich dich toten müssen.“

Jörns Worte trafen Harkins wie ein Schock. Nichts fürchtete er so sehr, als aus der einen Zuflucht, die er bis jetzt in dieser fremdartigen und unfreundlichen Welt gefunden hatte, wieder ausgestoßen zu werden. Er sah Katha an, die ihn haßvoll musterte. Er begann, sich über die Ungerechtigkeit des anderen zu ärgern.