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„Dann bist du der Schachspieler!“ sagte Harkins mit anklagender Stimme.

„Nur einer von ihnen“, meinte der Mutant. „Und der unwichtigste von allen.“ Er entfaltete seine jämmerlichen Arme. „Ich habe dich aus keinem anderen Grunde zu mir geholt als um der Abwechslung willen — und jetzt langweilst du mich. Es ist Zeit für dich zu gehen.“

„Wohin?“

„Das Nervenzentrum der ganzen Situation ist in Tunnelstadt“, sagte der Wächter. „Du mußt auf deinem Weg nach Hause dort durchkommen. Laß mich jetzt allein.“

Ohne auf einen zweiten Befehl zu warten, erhob sich Harkins und ging weg. Nach vielleicht zehn Schritten blieb er stehen und sah sich um. Der Wächter hielt seine Arme wieder über der Brust verschränkt.

„Geh’ nur weiter“, sagte der Mutant. „Du hast deinen Zweck erfüllt.“

Harkins nickte und ging weiter. Ich bin immer noch eine Schachfigur, dachte er bitter. Aber wessen Figur?

4.

Nachdem er eine ziemliche Strecke zwischen sich und den Wächter gebracht hatte, blieb Harkins neben einem mächtigen Baum stehen und versuchte, die neuen Tatsachen in sich aufzunehmen.

Es ging also um ein Spiel zwischen Mächten, die so ungeheuer waren, daß sie sein Vorstellungsvermögen überstiegen. Aus ihm unbekannten Gründen war er in dieses Spiel hineingezogen worden, und der einzige Ausweg für ihn führte — wenn der Wächter die Wahrheit gesagt hatte — durch die Tunnelstadt.

Er hatte keine Ahnung, wo diese Stadt war, noch wußte er, was er dort finden sollte. Du kannst nach Hause zurück, wenn es dir gelingt, die Roboter unter deine Kontrolle zu bringen, hatte der Wächter gesagt. Und dann hatte der seltsame Mutant angedeutet, daß die Tunnelstadt das Kontrollzentrum der Roboter war. Aber gleichzeitig hatte er auch gesagt, daß niemand den Robotern etwas befehlen könnte.

Harkins lächelte. Es mußte einen Weg für ihn geben, dort hinzukommen. Jetzt war die Zeit für ihn gekommen, seinerseits etwas Aktivität zu entwickeln. Er war lange genug eine Marionette gewesen, von jetzt an würde er selbst an den Fäden ziehen.

Er blickte auf. Die Schatten des späten Nachmittags begannen zu fallen, und der Himmel hatte sich verdunkelt. Er würde sich beeilen müssen, wenn er noch vor Einbruch der Nacht hinkommen wollte. Er begann seine eigenen Spuren zurückzuverfolgen und wieder den ausgetretenen Pfad zu Jörns Dorf zurückzugehen.

Er kam ziemlich schnell von der Stelle und legte seinen Weg teilweise laufend zurück. Hin und wieder sah er den kahlen Schädel eines Sternriesen zwischen den Baumwipfeln aufragen, aber die Fremden achteten nicht auf ihn. Einmal hörte er das Stampfen eines Roboters im Unterholz.

Seltsame Mächte waren hier am Spiel. Die Sternriesen — wer waren sie? Was wollten sie auf der Erde — und welche Rolle spielten sie in dem Drama, das sich jetzt entfaltete? Sie schienen losgelöst von allem menschlichen Streben, ebensowenig am Gang der irdischen Dinge interessiert wie die Roboter, die sich sinnlos durch den Wald bewegten. Und doch wußte Harkins, daß das nicht stimmte.

Die Roboter interessierten ihn vom rein philosophischen Standpunkt aus. Sie repräsentierten Kraft — unaufhaltsame, unkontrollierbare Kraft, gebunden an ein schon lange vergessenes, vor Generationen aufgestelltes Programm.

Warum aber hatte der Roboter ihn vor der Bestie gerettet? fragte sich Harkins.

Und dann tauchte das Dorf vor ihm auf — ein dunkler, an den Boden geduckter Klumpen von Hütten, die man durch das dichte Blattwerk der Bäume kaum erkennen könnte. Harkins verlangsamte seine Schritte, als er näher trat.

Es war noch ziemlich früh am Abend, und die Dorfbewohner hatten ihr gemeinsames Mahl noch nicht zu sich genommen. Harkins blieb am Waldrand stehen und überlegte, wie er sich wohl dem Dorf am besten unbemerkt nähern konnte.

Plötzlich knackte ein Zweig hinter ihm. Er wandte sich um.

„Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du dürftest nie mehr nach hier zurückkehren, Harkins? Was willst du hier?“

„Ich bin zurückgekehrt, um mit dir zu sprechen, Jörn.“

Der Häuptling trug nur ein Lendentuch, und sein sehniger, von der Sonne gebräunter Körper sah aus, als warte er förmlich auf den Kampf. Ein Muskel zuckte an Jörns Wange.

„Worüber willst du sprechen?“

„Die Tunnelstadt“, erklärte Harkins.

„Davon will ich nichts hören“, knurrte Jörn. „Ich habe gesagt, daß ich dich töten würde, wenn du zurückkommst, und das war mein voller Ernst. Ich will nicht, daß du dich mit Katha einläßt.“

„Das habe ich nicht getan. Sie hat sich mir an den Hals geworfen.“

„Das ist dasselbe“, sagte Jörn. „In den Augen des Stammes bin ich betrogen worden, und das darf nicht sein, Harkins.“ Die dröhnende Stimme des Häuptlings klang beinahe verzweifelt.

„Würdest du Katha wirklich brauchen“, fragte Harkins, „wenn ich dich zum Herrn der ganzen Welt machte?“

„Was meinst du damit?“ fragte Jörn argwöhnisch, konnte jedoch sein einmal erwachtes Interesse nicht verbergen.

„Ich habe mit dem Wächter gesprochen“, sagte Harkins. Der bloße Name rief eine sofortige Reaktion hervor. Jörn wurde bleich, fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, und seine Augen huschten unstet herum.

„Du — hast mit dem Wächter gesprochen?“

Harkins nickte. „Er hat mir gesagt, wie ich die Tunnelstadt erobern kann. Du kannst die Welt besiegen, Jörn, wenn du mich anhörst.“

„Das mußt du mir erklären.“ Das war ein Befehl.

„Du weißt, was unter der Tunnelstadt ist?“

Wieder wurde Jorn bleich. „Ja“, sagte er heiser. „Wir gehen nicht dorthin. Das ist schlecht.“

„Ich kann hingehen. Ich fürchte mich nicht davor.“ Harkins grinste triumphierend. „Jörn, ich kann hingehen und die Roboter zwingen, für mich zu arbeiten. Und wenn sie auf unserer Seite stehen, können wir die Welt gewinnen. Wir …“

Und im gleichen Augenblick wußte er, daß er einen Fehler gemacht hatte. Das eine Wort war es gewesen — wir. Er sah, wie Jörn zusammengezuckt war, und wie seine Muskeln sich verräterisch spannten.

„Wir werden nichts dergleichen tun“, erklärte Jörn kühl.

Harkins versuchte, den Fehler ungeschehen zu machen. „Ich meine — ich werde die Roboter zum Arbeiten bringen, und du kannst sie lenken. Du wirst der Anführer sein, und ich …“

„Das glaube ich nicht, Harkins. Du wirst versuchen, mir die Macht wegzunehmen, sobald du die Roboter hast. Leugne es nicht ab.“

„Ich leugne es nicht. Verdammt. Möchtest du denn nicht lieber die halbe Welt regieren als dieses ganze Dreckdorf hier?“

Das war wieder ein Fehler — ein größerer noch als der erste. Das traf Jörn an seiner empfindlichsten Stelle.

„Ich bringe dich um!“ schrie Jörn und griff an.

Harkins trat einen Schritt zurück und bereitete sich auf den Ansturm des Hünen vor. Jörns Faust traf ihn an der Kinnspitze, ließ ihn taumeln, und da war der andere schon über ihm.

Harkins spürte, wie eine kraftvolle Hand nach seiner Kehle tastete. Verzweifelt griff er nach Jörns Handgelenken und schob sie von sich. Der Hüne bewegte sich mit der Grazie einer großen Raubkatze und wälzte sich mit Harkins am Boden, während die Vögel in den Bäumen wie wild kreischten.

Harkins fühlte, wie ein wahrer Schlaghagel auf ihn herunterprasselte. Jörn saß jetzt rittlings auf ihm. Seine Kehle konnte er nicht erreichen, aber er war sichtlich bestrebt, trotzdem so viel wie möglich Schaden anzurichten. Schon halbbetäubt, brachte Harkins es fertig, sich unter Jörn herauszuwinden und keuchend aufzustehen. Ein dünner Blutfaden rann ihm aus dem Mundwinkel.