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Stimmte das? Er wußte es nicht — aber es war immerhin den Versuch wert. In seiner Erregung ließ er das Mädchen los.

Sie hatte ihre Rache nicht vergessen. Im nächsten Augenblick war sie über ihm und stieß ihn zu Boden. Im gleichen Augenblick strich ein riesiger Schatten über sie hinweg.

„Da“, sagte Harkins leise.

Sie blickten in die Höhe. Ein Sternriese stand über ihnen, und sein maskenhaftes Gesicht musterte sie besorgt.

„Er beobachtet uns“, sagte sie.

„Verstehst du jetzt? Er beobachtet — versucht herauszubekommen, was das für seltsame Wesen auf dem Boden sind.“ Einen Augenblick fragte er sich, ob diese ganze Dreiecksszene — Harkins gegen Jörn und dann Harkins gegen Katha — nicht nur für dieses monströse Wesen arrangiert worden war. Er kam sich vor wie unter dem Objektiv eines riesigen Mikroskops.

Katha wandte sich zu Harkins um. „Ich hasse sie“, sagte sie. „Wir werden sie gemeinsam töten.“ Mit der Sprunghaftigkeit der Wilden hatte sie ihren ganzen Groll vergessen.

„Frieden?“

Sie grinste und zeigte dabei ihre blitzendweißen Zähne. Dann ließ sie ihn los. „Waffenstillstand“, sagte sie.

5.

Als er ins Dorf zurückkehrte, erwarteten ihn argwöhnische Blicke und peinliches Schweigen.

„Jörn ist tot“, verkündete Katha. „Harkins und Jörn haben am Waldrand gekämpft.“

„Und jetzt ist Jörn tot“, kicherte die häßliche Frau, die Harkins als Elsa kannte. „Ich habe es kommen sehen, Brüder. Ihr wißt, daß ich ihn oft gewarnt habe.“

„Harkins ist jetzt unser Führer“, erklärte Katha mit fester Stimme. „Und ich bin seine Frau.“

Der Dorfbewohner mit den schläfrigen Augen, der einmal für Harkins Leben gestimmt hatte, fragte: „Wer hat ihn gewählt?“

„Ich, Dujar“, erklärte Harkins. Er ballte die Fäuste. In einer Gesellschaftsordnung wie dieser mußte man auch für eine solche Behauptung einstehen. „Hast du etwas dagegen?“

Dujar sah hilflos die Hexendoktorin Elsa an. „Ist das gut?“

Sie zuckte die Achseln. „Ja und nein. Das mußt du selbst entscheiden.“

Der Mann runzelte nachdenklich die Stirn, schwieg aber. Harkins musterte die Dorfbewohner der Reihe nach. „Ist hier irgend jemand, dem es nicht paßt, daß ich jetzt den Stamm führe?“

„Wir wissen nicht einmal, wer du bist“, sagte ein dicker Mann. „Woher wissen wir denn, ob du nicht ein Spion der Tunnel-Leute bist? Elsa, ist er das?“

„Ich nahm es einmal an“, meinte die dicke Frau. „Aber ich bin heute nicht mehr so überzeugt davon.“

Harkins lächelte. „Das werden wir ja bald sehen. Morgen marschieren wir — bereitet euch auf Krieg vor. Krieg gegen die Leute in der Tunnelstadt.“

„Krieg, aber …“

„Krieg“, wiederholte Harkins. Das war eine nüchterne Feststellung, ein Befehl. „Elsa, kannst du Landkarten machen?“

Elsa nickte mürrisch.

„Gut, komm in meine Hütte, dann sage ich dir, was ich brauche.“

Die Hexe grinste hämisch. „Was meinst du, Katha — vertraust du mir — allein mit deinem Mann?“

„Nein — Katha soll auch dabei sein“, sagte Harkins schnell.

Er sah auf die in den Boden seiner Hütte geritzte Karte. „So ist die Situation also?“

Er sah zuerst Elsa, dann Katha an. Beide Frauen nickten.

„Wir sind also hier“, deutete er mit der Zehe, „und die Tunnelstadt liegt zwei Tagesmärsche im Osten. Stimmt’s?“

„Das habe ich ja schon gesagt“, erwiderte Elsa.

„Und die Sternriesen leben irgendwo dort drüben“, fuhr Harkins fort und deutete auf eine Fläche außerhalb des großen Waldes.

„Warum willst du wissen, wo die Sternriesen hausen?“ fragte Elsa. „Du hast Jörn besiegt — aber das gibt dir noch lange nicht die Stärke eines Riesen, Harkins.“

„Mund halten, Elsa!“ Die ewigen Sticheleien der Frau begannen ihm auf die Nerven zu gehen. „Du wirst heute nacht mit dem ganzen Dorf für den Erfolg unseres Feldzuges beten. Und morgen machen sich die Männer auf den Weg zur Tunnelstadt.“

„Und wer von uns beiden soll dich begleiten?“ fragte Katha.

„Du“, erklärte Harkins. Ehe Elsa etwas erwidern konnte, setzte er hinzu: „Elsa, du wirst hier gebraucht, damit du das Dorf mit deinen Zaubersprüchen verteidigen kannst, solange die Krieger weg sind.“

Sie kicherte hohl. „Raffiniert ausgedacht, Harkins. Aber gut. Ich nehme den Auftrag an.“ Sie sah ihn aus ihren schlauen Augen an. „Aber eines mußt du mir sagen.“

„Was denn?“

„Warum greifst du die Tunnelstadt gerade jetzt an? Was kannst du durch diesen unnötigen Krieg gewinnen?“

„Eine ganze Welt, Elsa“, erklärte Harkins ruhig. Dann schwieg er auf alle weiteren Fragen.

* * *

In dieser Nacht dröhnten die Zaubertrommeln am Rande des Waldes, und seltsame Gesänge stiegen zum nächtlichen Himmel. Harkins sah zu und staunte über die eigenartige Mischung aus Barbarei und Kultur, die er hier vorgefunden hatte.

Am kommenden Morgen marschierten sie ab — dreiundzwanzig Männer, geführt von Harkins und Katha. Das war die ganze Kampfstärke des Stammes, abgesehen von ein paar alten Männern, die zur Verteidigung des Dorfes zurückgelassen worden waren.

Bis Mittag zogen sie am Wald entlang, bis sie auf Kathas Rat in das Dickicht eindrangen. Katha marschierte stolz an Harkins Seite, als hätte es nie einen Jörn gegeben.

Der Kriegstrupp kam unterwegs für seinen eigenen Lebensunterhalt auf. Zwei der Männer vollbrachten wahre Wunder mit ihrenWurfstäben und erlegten eine reichliche Zahl von Vögeln für das Abendessen, indessen wiederum andere ganze Körbe voll eigenartiger Früchte sammelten. Während die Vögel ausgenommen und gekocht wurden, nahm Harkins einen davon in die Hand und klappte seine Kiefer auf, um die Zähne zu betrachten.

Es war eine interessante Mutation, eine Rückentwicklung zu einer Art, die vor vielen Jahrtausenden ausgestorben war. Er sah den Vogel eine Weile an und warf ihn dann wieder zu den anderen auf den Haufen.

„Noch nie einen Vogel gesehen?“ fragte Katha.

„Einen solchen nicht“, meinte Harkins. Er wandte sich ab und ging auf das Feuer zu, wo die Beute über einem Holzfeuer geröstet wurde. In der Ferne war das Geräusch brechender Bäume zu hören.

„Sternriese?“ fragte er.

„Wahrscheinlich ein Roboter“, entgegnete Katha. „Die machen mehr Lärm. Die Sternriesen schauen, wohin sie gehen — die Roboter nicht, die rollen einfach los.“

Harkins nickte. „Das werden sie hoffentlich auch tun, wenn sie für uns arbeiten. Mitten durch die Sternriesen hindurch.“

* * *

Die Tunnelstadt erstreckte sich über vielleicht zehn Quadratmeilen und war zu allen Seiten von Wald umgeben. Harkins und seine Männer standen auf einer Klippe und blickten auf die Ruinen der Stadt herunter.

Die zerbröckelnden Gebäude waren alt — teilweise uralt — aber an ihrem Baustil sah Harkins, daß sie nach seiner Zeit erbaut worden waren. Was einst einmal schlanke Spitzen aus Chrom und Beton gewesen sein mochten, waren heute geschwärzte Ruinen, die langsam dem unaufhaltsamen Ansturm des Urwalds erlagen.

Harkins wandte sich zu Katha um. „Wie viele Leute wohnen hier?“

„Vielleicht hundert. Sie wohnen in dem großen Gebäude dort hinten“, sagte sie und deutete auf einen halb verfallenen Turm.

„Und der Eingang zu den Tunnels?“

Sie schauderte. „In der Mitte der Stadt. Niemand geht dorthin.“

„Ich weiß“, nickte Harkins. Die Situation war etwas anders als er erwartet hatte. Er hatte angenommen, daß der Stamm in der Nähe des Tunneleingangs wohnen würde. Dann wäre er gezwungen gewesen, die Leute erst zu besiegen, ehe er irgendwelche unterirdischen Expeditionen unternehmen konnte. Aber jetzt hatte es den Anschein, als könnte er sich an ihnen vorbeischleichen, ohne daß ein Kampf überhaupt nötig war.