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„Woran denkst du?“ fragte Katha.

Er erklärte ihr seinen Plan. Sie schüttelte sofort den Kopf. „Zuerst muß gekämpft werden. Anders machen die Männer nicht mit. Sie sind nicht daran interessiert, in diese Tunnels zu gehen. Sie wollen nur kämpfen.“

„Also gut“, meinte er nach einigem Nachdenken resignierend. „Dann kämpfen wir eben. Schließt die Reihen, wir greifen an.“

Katha legte die Hand an den Mund. „Fertigmachen zum Angriff.“

Der Befehl machte schnell die Runde. Messer und Keulen wurden gezückt, die Männer mit den Schleuderstäben machten sich fertig. Harkins spähte zu den Ruinen hinüber und sah, wie sich Gestalten bewegten.

„Den Hügel hinunter!“ schrie er.

Mit eisiger Ruhe rannten die dreiundzwanzig Männer den Abhang hinunter und in die Stadt. Harkins spürte unter seinen Fußsohlen Asche und Schlackereste. Die Bewohner der Tunnelstadt waren sich der nahenden Gefahr immer noch nicht bewußt.

Er wandte sich zu Katha, die neben ihm rannte. „Sobald die Schlacht im Gange ist und alle beschäftigt sind, gehen wir beide in den Tunnel.“

„Nein! Ich komme nicht mit.“

„Du brauchst vor nichts Angst zu haben“, sagte Harkins ungeduldig. „Wir …“

Er verstummte. Jetzt hatte man sie gehört. Die Verteidiger kamen aus ihrem ehemaligen Wolkenkratzer hervor, in dem sie hausten.

Die beiden feindlichen Streitmächte prallten hörbar aufeinander. Harkins hielt sich bewußt zurück, weil er ja am Leben bleiben mußte, um die Tunnels zu erreichen.

Harkins blickte beunruhigt in die Höhe und fragte sich, ob die Sternriesen zusahen — und wenn ja, ob das „Schauspiel“ sie interessierte.

Er zog sich aus der Menge zurück und stieß Katha an. „Jetzt läuft die Schlacht. Gehen wir zum Tunnel.“

„Ich würde lieber kämpfen.“

„Ich weiß. Aber ich brauche dich dort unten.“ Er packte sie am Arm und wirbelte sie herum. „Oder bist du zu feige?“

„Ich …“

„Da ist nichts, wovor du Angst haben mußt.“ Er zog sie mit sich. „Komm jetzt — wenn du keine Angst hast!“

In ihr schien sich ein innerer Kampf abzuspielen. „Also gut“, stimmte sie schließlich zu.

Sie zogen sich vorsichtig vom Kampfschauplatz zurück und duckten sich hinter einen Schlackenhaufen am Eingang zu einer engen Straße.

„Vorsicht!“ schrie Katha plötzlich auf.

Harkins duckte sich, aber das durch die Luft pfeifende Messer riß ihm dennoch die Schulter auf. Ein heißer Blutstrom schoß ihm über den Oberarm, aber die Wunde war nicht gefährlich.

Er sah sich nach dem Mann um, der das Messer geworfen hatte. Er war Dujar, der schläfrig aussehende Dorfbewohner, der jetzt auf einem Schrotthaufen stand und mit geweiteten Augen auf sie herunterblickte, als könnte er sich einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, daß sein Wurf sein Ziel verfehlt haben sollte.

„Töte den Verräter“, zischte Katha.

Harkins wandte sich verblüfft um und begann den Schrotthaufen hinaufzuklettern, um Dujar zu erreichen. Plötzlich schien der Dorfbewohner aus seiner Starre zu erwachen und begann mit langen Sätzen davonzulaufen.

Harkins bückte sich, hob einen Steinbrocken auf und schleuderte ihn auf den Fliehenden. Dujar taumelte, stürzte, versuchte sich wieder hochzurappeln. Harkins rannte zu ihm.

Dujar richtete sich auf und versuchte Harkins an die Kehle zu gehen. Harkins schlug mit der geballten Faust zu, und Dujar krümmte sich zusammen.

„Hast du das Messer geworfen?“ wollte Harkins wissen.

Keine Antwort. Harkins packte den anderen und schüttelte ihn. „Antworte!“

„J — ja“, brachte Dujar schließlich heraus.

„Warum? Hast du gewußt, wer ich bin?“

Der Mann jammerte kläglich. „J-ja“, sagte er schließlich zum zweitenmal.

„Schnell“, drängte Katha. „Töte ihn, und dann gehen wir weiter.“

„Einen Augenblick“, sagte Harkins. Wieder schüttelte er Dujar. „Warum hast du das Messer geworfen?“

Dujar schwieg einen Augenblick. Sein Mund arbeitete, er brachte aber keinen Ton heraus. „Elsa … hat gesagt, daß … ich es tun sollte. Sie hat gesagt, sie würde mich vergiften, wenn ich nicht dich und Katha tötete.“ Er ließ den Kopf hängen.

„Vergiß das nicht, Katha“, sagte Harkins. „Wir werden uns um sie kümmern, wenn wir ins Dorf zurückkommen.“ Die Hexe hatte offenbar erkannt, daß sie bei Harkins nichts zu erwarten hatte und daher beschlossen, ihn ermorden zu lassen.

Harkins packte Dujar. „Lauf los“, sagte er, „und laß dich nie wieder im Dorf blicken, sonst töte ich dich!“

Dujar blickte ungläubig drein, als könne er nicht begreifen, daß Harkins ihn am Leben ließ. Dann sprang er auf und rannte los.

Drunten tobte immer noch der Kampf. „Komm“, sagte Harkins zu Katha, die die Szene mit allen Anzeichen des Mißfallens betrachtet hatte, ohne allerdings Einspruch zu erheben. „Zum Tunnel!“

Wenn der Stadtteil über der Erdoberfläche auch völlig verwüstet war, zeigten doch die Tunnels keinerlei Anzeichen von Beschädigungen. Die Tunnelbauer hatten gut gebaut — so gut, daß ihr Werk sie um zwei Jahrtausende überlebt hatte.

Der Eingang zu den Tunnels befand sich in der Mitte eines großen freien Platzes, der früher einmal von vier hochragenden Bauwerken eingesäumt worden war. Heute kündeten nur mehr vier Ruinen davon. Der Platz selbst war von einem Angriff — vermutlich mit Hitzestrahlern — völlig mit einer glasigen Substanz bedeckt, der Tunneleingang war dabei beinahe zerstört worden.

Kathas Hand fest in die seine gepreßt, schob Harkins einen überhängenden Metallvorsprung weg und trat in den Tunnel hinunter.

„Werden wir hier sehen können?“ fragte er.

„Es heißt, daß es hier Lichter gibt“, antwortete Katha.

Und das traf auch zu. Leuchtröhren an den Tunnelwänden schalteten sich bei ihrem Herannahen automatisch ein und dann wieder aus, sobald sie hundert Meter gegangen waren. So ging ihnen eine beständig wechselnde Lichtwand auf ihrem Weg in das Herz des Tunnelsystems voraus.

Harkins bestaunte die schimmernde Auskleidung des Tunnels und die Präzision in seiner Anlage.

„Weiter ist noch niemand von uns gegangen“, sagte Katha, deren Stimme durch das nahe Echo seltsam verzerrt klang. „Von hier aus gibt es viele kleine Tunnels, und wir haben nie gewagt hineinzugehen. Seltsame Geschöpfe hausen hier.“ Das Mädchen zitterte und mußte sich zusammenreißen, um ihre Furcht nicht zu zeigen.

Der Tunnel beschrieb einen Bogen, und dann kamen sie zur ersten Abzweigung — zwei Tunnels, die in entgegengesetzter Richtung wegführten und damit das Netz der Einzelgänge begannen.

Harkins spürte, wie Katha sich verkrampfte. „Da — links!“

Eine nackte Gestalt stand da — blind, völlig gesichtslos, abgesehen von dem roten Schlitz des Mundes. Seine Haut sah trocken, beinahe schuppig aus und war von stumpfblauer Farbe.

„Ihr seid sehr tapfer“, sagte das Wesen. „Ihr seid die ersten Leute von der Oberfläche seit mehr als tausend Jahren.“

„Was ist das?“ fragte Katha leise.

„So etwas Ähnliches wie der Wächter“, flüsterte Harkins. Zu dem Mutanten sagte er: „Weißt du, wer ich bin?“

„Der Mann aus dem Gestern“, erwiderte die Gestalt. „Ja, wir haben dich erwartet. Das Gehirn hat lange auf deine Ankunft gewartet.“

„Das Gehirn?“

„Ja. Du bist derjenige, der es aus seinen Banden befreien kann, hofft es. Wenn wir das zulassen, natürlich.“

„Wer bist du — und welche Interessen hast du in dieser Sache?“ wollte Harkins wissen.