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Tanis’ feingeschnittene Elfennase rümpfte sich vor Abscheu. »Ein paar Würzkartoffeln von Otik, wenn er schon welche hat.« Er stand auf und stieß eins der Pergamentfenster neben der schweren, hölzernen Eingangstür auf. »Was glaubst du, wie spät es ist?«

Stirnrunzelnd spähte Flint durch das offene Fenster. »Gütige Götter, es ist sehr spät, so verlassen, wie die Straßen aussehen. Alle sind schon auf dem Festplatz an der Arbeit.« Hastig schlug er Eier und Fleisch in ein Tuch ein und verknotete die Ecken. »Meine Kundin könnte jederzeit zum Stand kommen, um ihr Armband abzuholen.« Mit nicht geringem Stolz klopfte er auf die Innentasche seines Wamses. Sein Gesicht erstarrte. Er klopfte erneut dagegen. Diesmal verzog sich sein Gesicht vor Entsetzen, Unglaube und Wut. »Es ist weg!« kreischte er.

Tanis, der immer noch am Fenster stand, zuckte bei dem Aufschrei zusammen und sah sich nach seinem Freund um. »Was ist weg?«

»Das Armband natürlich!« rief der. Flint drehte sich der Magen um. »Ich habe es in die Innentasche von meinem Wams gesteckt, und da ist es nicht! Ich weiß, daß ich es da reingesteckt habe!«

Tanis ging zu dem zerwühlten Bett und fing an, die Decken zu durchsuchen. »Bestimmt ist es dir im Schlaf aus der Tasche gerutscht.«

Flints Gesicht hellte sich hoffnungsvoll auf. »Sicher hast du recht!« Er half Tanis, das Bett abzuziehen, aber sie fanden nichts. Flint schlug die Laken aus, dann noch einmal, bis er sie schließlich wie ein Tier durchwühlte. Dann ging er zum Bett zurück und steckte seine Nase in jeden Winkel von Matratze und Rahmen. Schließlich ging er auf die Knie und schaute darunter nach, in jedem Staubhäufchen und hinter den alten Schuhen. Aber er kam mit leeren Händen wieder hoch. Flint merkte, wie Unbehagen aus seinem Bauch zur Kehle aufstieg.

»Wann hast du es denn wirklich zum letzten Mal gesehen?« fragte Tanis ruhig.

Flint brauste auf: »Weiß ich nicht!« Er breitete hilflos die Arme aus und lief zwischen Bett und Kamin auf und ab. »Ich weiß überhaupt nicht mehr sehr viel von gestern abend.« Er zerrte an den Enden seines Schnurrbarts, bis Tanis befürchtete, er würde sie gleich abreißen.

»Das ist es!« sagte Tanis und schnipste mit den Fingern. »Gestern abend im Wirtshaus – du hast es uns gezeigt, als du davon geredet hast. Bestimmt hast du es einfach auf dem Tisch liegenlassen. Ich wette, Otik hat es gefunden und fragt sich gerade, wem es wohl gehören mag.« Tanis wirkte etwas entspannter. »Also, worauf warten wir? Laß uns dein Armband holen und ein paar Teller Kartoffeln zum Frühstück essen.«

Flint war nicht gerade beruhigt, als er Tanis’ schlanker Gestalt durch die Tür folgte. »Ich hoffe, du hast recht«, sagte er leise, während er einen zweifelnden Blick zurückwarf. »Ich hatte bei dem Armband von Anfang an ein komisches Gefühl, seit ich diese Anweisungen gelesen habe.« Er erschauerte bei der Erinnerung. »Irgend etwas stimmt nicht, wenn jemand so viel Geld für ein Kupferarmband bezahlen will.«

Weil er wußte, wie abergläubisch sein Freund war, fragte Tanis unwillkürlich: »Warum hast du es denn dann gemacht?«

Flints Hängebacken unter seinem graumelierten Bart liefen knallrot an. »Ich gebe zu, zuerst bin ich auf ihre Schmeicheleien hereingefallen. Sie sagte, sie hätte gehört, daß ich der beste Goldschmied weit und breit bin.« Plötzlich runzelte er die Stirn und kratzte sich sein graues Haupt über dem rechten Ohr. »Nach all dem Lob war ich überrascht, als ich sah, wie einfach der Entwurf war – nicht annähernd so schwierig wie meine normale Arbeit, und das ist meine ganz nüchterne Einschätzung, nicht bloß Einbildung.« Er zuckte mit den Schultern. »Und es war ein langer, kalter Winter, und das Geld konnte ich auch gebrauchen.«

Tanis reckte sich in der Sonne, während Flint die schwere, schön geschnitzte Tür zuzog. Er fischte einen schweren Schlüssel aus der Tasche, stieß ihn in das Messingschloß und drehte ihn herum. Mit einem zufriedenstellenden Klack schnappte der Bolzen ein. Tanis blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zurück. »Warum machst du das? Du schließt doch sonst nie ab.«

»Ich weiß nicht, so wie ich in letzter Zeit Sachen verliere, sollte ich lieber damit anfangen«, grollte Flint. Er steckte den Schlüssel ein und klopfte darauf. »Ich dachte, du bist hungrig. Was glotzt du mich dann so an?« Tanis zuckte mit den Schultern, lächelte besänftigend, und dann durchquerten die beiden Solace.

Da die Straßen wegen des Festes leer waren, waren Tanis und Flint rasch beim Wirtshaus angekommen. Den Aufstieg um den schweren Baumstamm, der das Wirtshaus trug, brachten sie fast im Laufschritt hinter sich. Da es so früh schon ungewöhnlich warm war, hielt ein Holzklotz die Tür zum Wirtsraum offen. Hinter dem Tresen stand Otik und polierte mit einem fleckigen Putzlumpen seine Steingutkrüge. Als Flint hereinpolterte, sah er auf, bemerkte die Aufregung des Zwergs und nickte, als Tanis ihm folgte.

»Hallo! Ich hatte euch zwei vor heute abend, wenn der Markt zu Ende ist, nicht zurückerwartet. Seid ihr so früh da, weil ihr noch mehr von dem Zeug wollt, das euch umgeworfen hat?« fragte der grinsende Wirt fröhlich. Er hielt den Krug, den er gerade abgetrocknet hatte, unter den Zapfhahn, bis ein dicker Schaumfinger außen herunterlief, und bot ihn Flint an.

Flint betrachtete den Krug finster, griff jedoch nicht zu. »Otik, sag, daß du ein Kupferarmband gefunden hast«, forderte er ohne Umschweife.

Otik überstürzte nie etwas. Er schürzte die Lippen und blickte nachdenklich durch den Raum. »Ein Kupferarmband, sagst du? Hmm… Das ist aber schwierig.«

Flints Augen funkelten. »Hör mal, entweder hast du eins gefunden oder nicht!«

Otik blieb unbeeindruckt. »Ich habe mal einen Ring gefunden…«

Ungeduldig verdrehte Flint die Augen und pustete durch seinen Schnurrbart. »Ich meine, gestern abend. Hast du gestern abend beim Aufräumen hier ein Armband gefunden?«

»Oh, das ist etwas anderes, laß mich nachdenken… Ich habe gestern abend gar nicht mehr aufgeräumt, erst heute morgen. Das stimmt, ich bin früh runter gekommen, um die Gaststube fürs Frühstück fertigzumachen. Hab eine Schale Haferbrei aus dem Topf gegessen – allerdings kein guter Brei, völlig klumpig und klebrig.« Otik kniff die Augen zusammen und schrubbte übereifrig an einem Fleck auf dem Tresen herum. »Ich muß mit Arnos Cartney reden. Er kann einem doch kein Korn verkaufen, das einen halb erstickt.«

»Otik, das Armband«, erinnerte Tanis den Wirt, bevor Flint explodierte.

»Ach ja.« Otik schüttelte den Kopf. »Nein, kein Armband. Ich bin sicher, daß ich kein Armband gefunden habe. Ich könnte eines von den Mädchen fragen, oder du könntest selbst noch einmal dort suchen, wo ihr gesessen habt…«

Noch ehe der Wirt ausgeredet hatte, rannte Flint schon zu dem Tisch und krabbelte auf Händen und Füßen darunter, wobei er Stühle und Bänke aus dem Weg schob. Eine Weile lang sah er überall nach, dann gab er die Suche auf, um sich mit einem hoffnungslos resignierenden Seufzer auf die Fersen zu setzen. Er legte die Arme um die Knie.

»Das sieht nicht gut aus«, flüsterte Otik Tanis zu. »Was ist denn so wichtig an dem Armband?«

»Es wurde von einer Dame von auswärts bestellt, und sie wollte es beim Markt abholen.« Tanis erinnerte sich an etwas und grinste. »Er hat es gestern schon mal verloren, durch einen Kender…« Tanis brach ab, als ein schrecklicher Gedanke in ihm aufstieg.

Er ging vorsichtig auf seinen Freund zu. Der Zwerg saß immer noch mit dem Rücken zur Wand auf dem Boden und brummelte unverständlich vor sich hin. »Sag mal, Flint, könnte das Armband nicht bei Tolpan –?«

»Barfuß!« Flint fuhr hoch. Seine Augen gingen weit auf, und seine Hände ballten sich fest zu Fäusten. »Da hätte ich gleich drauf kommen können. Ich wußte doch, daß er bloß so ein diebischer, lügnerischer, kleiner – « Der Zwerg brach mit seiner Schimpftirade ab, als er bemerkte, daß eine junge Kellnerin ihn mit großen Augen anstarrte, während sie die Asche aus dem Kamin fegte.