Выбрать главу

»Hallo, Meister Feuerschmied«, sagte die äußerst hellhäutige, grünäugige Frau in der blauen Robe. Weißliche Haarsträhnen lugten unter ihrem kornblumenblauen Tuch hervor.

»Ich habe Euch gesucht.«

TEIL II

7

Der Wilde Eber

Der beleibte Mann, der vor etwa fünfunddreißig Jahren unter dem Namen Waldo Didelbaum geboren worden war, war stolz auf seine Fähigkeit, Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen. Man denke nur an seinen neusten Beruf, den er erst seit zwölf Stunden ausübte – Wahrsager. Eigentlich hatte der viel mit seinem letzten Beruf als Barde zu tun, den er zwei Wochen lang ausgeübt hatte.

In beiden Berufen lag die Möglichkeit für hohes Ansehen und einen entsprechenden Lebensstil. Manchmal sicherten sie einem einen reichen Auftraggeber oder eine Stellung am Hof. Zumindest aber konnte man damit in den Straßen und Wirtshäusern bei den einfachen Leuten reichlich Geld verdienen. Ein bequemes Leben war alles, was Waldo sich wünschte. War das schließlich nicht sein gutes Recht?

Der habsüchtige ehemalige Taschendieb-Gaukler-Ziegelmacher-Seemann-Erpresser war vor kurzem ins Bardengeschäft eingestiegen, nachdem er in Burg Thelgaard im Norden gesehen hatte, wie ein fein gekleideter Barde zu rauschendem Beifall und für viel Geld eine Vorstellung gegeben hatte. Waldo hatte dort gerade erst eine Stellung als dritter Haushofmeister angetreten (und fand sich bei aller Bescheidenheit unterschätzt). Er sah diese Stellung als kurzfristigen Rückschritt. Angetreten hatte er sie, weil seine Karriere als Erpresser mit wenig Erfolg zu Ende gegangen war – er hatte versucht, den Bürgermeister von Clonnisburg wegen einer romantischen Affäre zu erpressen, und hatte dabei herausgefunden, daß der Mann auch der Anführer des skrupellosesten Schmugglerrings von Solamnia war. Weil er noch etwas länger leben wollte, hatte Waldo alles stehen- und liegengelassen und war nach Thelgaard geflohen.

Er hatte immer mit Neid die Ehrerbietung beobachtet, die Adligen gewährt wurde. Wenn er sich kleidete und redete wie ein Edelmann, würde er wohl den Respekt bekommen, den er begehrte, doch leider füllt Respekt einem Mann nicht den leeren Magen. Berufliches Ansehen jedoch, das mit hohen Einkünften einherging, würde Waldo seiner Meinung nach alles bieten, was er sich vom Leben erhoffte.

Auffällige Kleider, ein hochgestochener Name und ein, zwei Geschichten waren gewiß die einzigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Laufbahn als Bänkelsänger. Noch in derselben Nacht wurde Sir Delbridge Fidington geboren, und der Name, den er als Bediensteter getragen hatte, Hektor Schmidsen, war für immer vergessen.

Mit Hilfe gewisser Fähigkeiten aus einem seiner früheren Berufe erleichterte Waldo seinen Arbeitgeber um ein paar feine Kleider, einschließlich der grünen Jacke und der Hosen, die er gerade trug. Er hatte auch eine Reihe kostbarer Dinge aus dem Herrenhaus mitgehen lassen, weil er wußte, daß der Erlös aus dem Verkauf es ihm gestatten würde, gut zu leben, bis er sich als Barde etabliert hatte.

Leider dauerte das länger, als er erwartet oder geplant hatte. Er wiederholte die Geschichten, die er bei dem Barden in Burg Thelgaard gehört hatte, wenn er sie vortrug, kamen sie einfach nicht so gut an. Die Schuld dafür lag natürlich bei seinem Publikum. Die Bauern und der sonstige Pöbel, den er unterhalten sollte, waren sicher nicht gebildet genug, um diese Geschichten zu verstehen, die die Adligen in Burg Thelgaard belustigt hatten. Trotzdem vertraute er darauf, daß der Erfolg sich schon einstellen würde, sobald es ihm gelang, die richtige Geschichte vor dem richtigen Publikum zu bringen.

In den letzten Tagen hatte Waldo allerdings langsam geargwöhnt, daß das Leben eines Barden doch nicht so einfach war, wie es aussah. Vielleicht brauchte man wirklich eine Begabung; und vielleicht fehlte ihm die. Oder vielleicht stank er ja. Nicht einmal in einem Bierzelt in einem Kaff wie Solace bekam er Applaus.

Und dann hatte er wie ein Geschenk des Himmels diesen Kesselflicker mit dem magischen Armband und der lockeren Zunge getroffen.

Nachdem er den Kesselflicker letzte Nacht niedergeschlagen hatte, hatte Waldo Solace eilends verlassen, war im Mondlicht die fünf Meilen nach Osten Richtung Que-kiri gewandert, wo er am Nordrand des Dorfes am Weg gelagert hatte. Dann war er früh aufgestanden, um den nächsten Hafen am Neumeer anzusteuern, damit er eine möglichst große Strecke zwischen sich und den übertölpelten Kesselflicker legen konnte. Aber der erste Bauer, der ihn mitnahm, fuhr nicht zum Meer. Statt dessen war er auf dem Weg in sein Heimatdorf, einen abgelegenen Ort namens Tantallon, der hoch im Ostwall-Gebirge lag und – wenig überraschend – auch das Ende der Straße darstellte.

Weil Waldo Segelschiffe nicht besonders liebte – sie machten ihm nämlich angst –, fand er, daß ein abgelegenes Dorf sich ebensogut wie jeder andere Ort für einen Wahrsager eignete, der ein bequemes Leben und Anonymität wollte, zumindest vorerst. Außerdem lautete sein Grundsatz »Schlag nie etwas aus, was du umsonst bekommst«, und Mitfahren gehörte dazu.

Auf der Vorderbank des Wagens war nur Platz für einen, darum saß Waldo hinten zwischen Jutesäcken voller Kohlrüben. Trotz des unbequemen Lagers umklammerte er das glückbringende Kupferarmband und dachte zufrieden: »Ich glaube, mein Glück wird sich wenden.« Er schob das Armband zur Sicherheit in seinen Packsack. Während er sich zwischen die Rüben zurücklehnte, dankte er im stillen dem unglücklichen Kesselflicker für sein neues Glück.

Eine holprige Stunde später ratterte der Karren in ein kleines Dorf.

»Rabental«, rief der Bauer, als der Wagen vor dem Gemüseladen am Dorfplatz hielt.

Delbridge sprang ab, um seine kurzen Beine auszustrecken. Während er sich den Straßenstaub von seiner grünen Jacke abwischte, fragte er: »Wie weit ist es noch bis nach Tantallon?«

Der Bauer kniff die Augen zusammen, während er sich einen Rübensack auf die Schultern lud. »Weiß nicht genau. Acht – nein, wahrscheinlich zehn Meilen nach Norden. Von hier an wird der Weg etwas beschwerlich, und man kommt langsamer voran.« Damit betrat der Bauer das Geschäft, um mit dem Gemüsehändler einen Preis für seine Ware auszuhandeln.

Beim Anblick der frischen Lebensmittel knurrte Delbridge der Magen, und er schmatzte mit seinen dicken Lippen. Weil ihm sein Lieblingsmotto in den Sinn kam – »Kaufe nie, was du stehlen kannst« –, sah er sich schnell um und schnappte sich eine Ecke gelben Käse von einem Verkaufskarren vor dem Geschäft. Nachdem er sich den aromatisch riechenden Käse genußvoll unter seiner Knollennase entlanggezogen hatte, steckte er ihn in sein weniges Gepäck, um ihn unterwegs zu verzehren. Dazu nahm er noch zwei glänzende, rote Gutlandäpfel und schlang beide mit je drei hungrigen Bissen herunter.

Nicht lange darauf kam der Bauer aus dem Laden und kletterte wieder auf den Bock. Delbridge ließ sich auf dem etwas kleineren, aber immer noch harten Haufen Rübensäcke nieder, um über seine nähere Zukunft nachzudenken, während sie nordwärts aus dem Ort rumpelten. Argwöhnisch blickte Delbridge das an, was der Bauer optimistisch eine Straße genannt hatte; man hätte sie leicht mit einem Ziegenpfad verwechseln können.

Als erstes würde Delbridge sich in Tantallon neu einkleiden. Wahrsager trugen bunte, fließende Roben und diese komischen, kleinen Hüte, die eigentlich nur um den Kopf gewickelte Tücher waren.

Wahrsager hatten auch ungewöhnlich klangvolle Namen wie Omardicar oder Hosni. Er entschied sich für Omardicar. Omardicar, der Allwissende.