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»Lord Curston, ich habe ein äußerst wertvolles Angebot für einen Ritter von so eindrucksvoller Macht und solchem Reichtum wie Euch.« Delbridge hörte seine Worte in dem fast leeren Raum nachhallen.

Einst mußte der Ritter ein starker Mann gewesen sein, doch inzwischen war er weich geworden. Er trug eine Seidentunika und eine Kappe auf seinem ergrauenden Kopf, und auf seinem faltenreichen, wettergegerbten Gesicht lag ein gelangweilter Ausdruck. Sein Sohn, ein fast hübsch zu nennender Bursche mit hellblondem Haarschopf, war vielleicht zwanzig Jahre alt. Er stand links neben dem sitzenden Ritter und hatte eine Hand frech in die Hüfte gestemmt. Ein dünner blonder Schnurrbart zeigte an, daß er Ritter werden wollte. Der Anblick des komisch gekleideten fetten Mannes schien ihn mehr zu erheitern als die anderen.

Aus der Nähe betrachtet fand Delbridge, daß man vor dem Zauberer am meisten auf der Hut sein mußte. Von der Tür aus hatte Delbridge es nicht bemerkt, doch der Mann hatte eine gräßliche Narbe über der rechten Gesichtshälfte, und sein rechtes Auge fehlte. Das Lid war von Narbengewebe verschlossen, doch es war so eingesunken, daß Delbridge leicht sah, daß kein Auge mehr in der Augenhöhle ruhte. Sein linkes Auge starrte ihn finster an, ohne jeden Anflug von Wärme oder auch nur Interesse. Sein Kopf war nicht von Natur aus kahl, sondern rasiert. Kurze, farblose Stoppeln warfen einen grauen Schatten über die sichtbaren blauen Adern. Die einzigen etwas längeren Haare bildeten seinen schwarzen Schnurr- und Spitzbart, der seine fleischigen, rotbraunen Lippen komplett umrahmte.

Da sich Delbridge unter dem durchdringenden Blick des Zauberers entschieden unwohl fühlte, konzentrierte er sich wieder auf den Ritter.

»Wir haben von Euch gehört, und ich muß zugeben, ich bin neugierig«, sagte der Ritter schließlich mit leiser, gebildeter Stimme. »Aber faßt Euch kurz. Ich habe heute schon viele Gesuche angehört und bin allmählich müde.«

Delbridge holte eindrucksvoll mit dem Arm aus, damit seine Ärmel sich aufblähen konnten. »Ich habe eine Gabe, Herr, die mir bei meiner Geburt von den Sternen verliehen wurde. Es ist ganz einfach die Fähigkeit, die Zukunft vorauszusehen. Ich bin bereit, Euch diese Gabe zur Verfügung zu stellen. Ihr könntet rechtzeitig vor Gefahren gewarnt werden, die Euch, Eure Familie und Eure Untertanen betreffen.«

Der Ritter runzelte die Stirn. »Ich habe bereits einen Zauberer, der fast genau diese Aufgabe hat.«

»Und das will ich auch nicht anzweifeln oder geringschätzen«, warf Delbridge rasch ein, »aber selbst die Sprüche der größten Zauberer können nur beschränkt die Zukunft vorhersagen und sind auf eine bestimmte Anzahl pro Tag beschränkt. Meine Macht unterliegt nicht den normalen Begrenzungen der Magie. Sie wirkt ständig, wann immer ich sie ausüben möchte.«

»Tu das nicht einfach so ab, Vater«, riet der Junge mit einem Blick auf den Magier. »Seine Worte klingen wohlüberlegt.« Er sah Delbridge mit seinen blauen Augen an. »Vielleicht wäre eine kleine Demonstration angebracht, Herr –?«

»Omardicar, der Allwissende, junger Herr«, half Delbridge eilig nach.

»Auch ich würde mir eine Demonstration wünschen«, sagte Balkom mit ungerührtem Blick in leisem, gleichgültigem Ton.

»Die werde ich Euch mit Vergnügen bieten«, sagte Delbridge. »Allerdings solltet Ihr wissen, daß meine Gabe ihre Eigenarten hat. Ich muß mich auf ein spezielles Ereignis oder eine Person konzentrieren, und wenn irgend etwas Ungewöhnliches oder Interessantes in ihrer Zukunft geschehen wird, bekomme ich eine entsprechende Vision. Wenn es nichts Interessantes gibt – « Er zuckte mit den Achseln.

»Wie einfach und bequem«, sagte Balkom. »Meint Ihr, daß Seine Lordschaft Eure Worte einfach glaubt und Euch in Dienst und Brot nimmt?«

»Er hat gesagt, er würde es versuchen«, sagte Rostrevor.

Balkom neigte leicht den Kopf.

Mit neuerlichem Stirnrunzeln sah Lord Curston von Rostrevor zu Balkom. »Ich wünschte wie immer, daß mein geliebter Sohn und mein engster Berater nicht ständig aneinander geraten würden«, seufzte er.

»Wir geraten gar nicht aneinander, Herr«, sagte der Magier. »Wir wünschen beide eine Demonstration der angeblichen Macht dieses Mannes. Wir sind bloß nicht einer Meinung darüber, wie streng eine solche Prüfung sein sollte.«

Gespannte Stille machte sich breit. Weil er spürte, daß diese Spannung seinen Chancen nur schaden konnte, sagte Delbridge: »Mit Eurer Erlaubnis werde ich so viel zeigen, wie mir in diesem Moment möglich ist, und Ihr könnt hinterher beschließen, ob vielleicht eine zusätzliche Probe wünschenswert wäre.«

Also schloß Delbridge die Augen und streichelte unwillkürlich das Armband mit den Fingern seiner linken Hand, während er sich nacheinander auf die Menschen vor ihm konzentrierte. Zuerst nahm er den Ritter. Plötzlich drehte sich ihm der Magen um, und sein Kopf tat weh. Er kam sich vor, als würde er durch unglaublich dichten Nebel waten. Dann war es, als wäre der Nebel wie weggehext. Dieses Gefühl wich einer Vision von dem alten Ritter, der in einem Zimmer der Burg kniete. Dunkle Vorhänge hingen an den Wänden. Der einst stoische Mann weinte und schluchzte vor grenzenloser Verzweiflung bei etwas, was wie eine Beerdigung aussah, obwohl es weder eine Totenbahre noch einen Leichnam gab.

Das tragische Bild versetzte Delbridge einen solchen Schrecken, daß ihm ein leiser Aufschrei von den Lippen kam und seine Augen aufflogen. Ohne Ankündigung fand die Vision ihr Ende.

»Was war das?« fragte der Ritter und lehnte sich nach vorne. Der unsichere, mitleidige Ausdruck in Delbridges Augen wunderte ihn. »Was habt Ihr gesehen?«

»Ich – nichts«, sagte Delbridge rasch verlegen. Er konnte doch einem Herrscher und Ritter von Solamnia schlecht erzählen, daß er gesehen hatte, wie dieser heulte wie ein Baby! »Ich habe gar nichts gesehen.«

Schnell wechselte er das Thema. »Als nächstes konzentriere ich mich auf den jungen Knappen.«

Delbridge dachte an Rostrevors sommersprossenübersätes, jungenhaftes Gesicht mit den blaßgelben Haaren darüber. Wieder umschloß ihn der Nebel und huschte vorbei. Ihm kam die Galle hoch, und er kämpfte gegen das Gefühl, sich erbrechen zu müssen, als der Nebel sich auflöste.

Was er sah, ließ ihn zurücktaumeln. Wieder sah er statt des Audienzsaals einen kerzenerhellten Raum irgendwo im Schloß. Der Sohn des Ritters, Rostrevor, lag in seinem Bett. Aber plötzlich erschien über ihm ein rotes, wirbelndes Licht, das solange wuchs, bis es den jungen Mann einschließen konnte. Dann fiel er. Schreiend, entsetzt und voller Schmerzen wurde er ins Zentrum des Lichts gesogen. Schließlich kauerte der Knappe an einer pochenden, roten Wand, wo er vor etwas zurückschrak, das Delbridge nicht sehen konnte. Er fühlte nur, daß es vor Bosheit loderte.

Delbridge riß die Augen auf und schnappte nach Luft. Auf der Stelle verschwand die Vision, doch sein Herz klopfte immer noch wie wild, und ihm rann beißender Schweiß in die Augen. Vergeblich versuchte er, seine zitternden Finger zu beugen, wobei er allerdings mitbekam, daß das Armband unerträglich heiß geworden war. Vor Ärger und Furcht schlug er die brennende Hand gegen seine Hüfte. Wie Nadelstiche lief der Schmerz seinen Arm hoch und ließ ihn einen Jammerlaut ausstoßen.

Rasch wurde ihm klar, daß Rostrevor vor ihm stand, ihn an den Schultern festhielt und sachte schüttelte. »Ist mit Euch alles in Ordnung? Jetzt reißt Euch zusammen und faßt Euch wieder.«

Delbridge wischte sich mit dem Ärmel seiner Robe das Gesicht ab, atmete mehrmals tief durch und fing an, seine Hand zu massieren. Der Knappe war zu seinem Platz hinter seinem Vater zurückgekehrt, der Delbridge neugierig ansah. Balkom hingegen wirkte nach wie vor ungerührt.

Lord Curston beugte sich wieder etwas vor. »Ihr könnt mir nicht erzählen, daß Ihr eben nichts gesehen habt. Wenn Ihr etwas gesehen habt, was meinen Sohn betrifft, dann will ich wissen, was das war. Redet!«

Wie konnte er ihnen erzählen, was er gesehen hatte?