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Das Kupferarmband war von einfacher Eleganz, was der Kender überaus hübsch fand. Und er war sehr glücklich, als er wie erwartet vier Halbedelsteine entdeckte. Und zwar sehr komische Steine, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie waren blaßgelb und hatten alle eine etwas unterschiedliche Form, aber ungefähr denselben Durchmesser von einem viertel Fingerbreit. Das Armband war recht klein und demnach nicht für das dicke Handgelenk eines Menschen oder eines Zwergs bestimmt. Als er es über seine Hand streifte, sah er voller Entzücken, wie perfekt es bei ihm saß. Es war federleicht.

Tolpan drehte sich wieder zu dem Stand um, um dem Eigentümer ein paar Fragen zu stellen, aber zu Tolpans Erstaunen war der Zwerg verschwunden. Die Leute, die sich hier angesammelt hatten, gingen weiter, nachdem der freche Kunde verschwunden war.

»Entschuldigung, aber könntest du… Verzeihung, aber wißt Ihr, wo der…« Obwohl Tolpan von einem zum anderen lief, als das Knäuel aus Passanten sich rasch auflöste, konnte er niemanden auf sich aufmerksam machen, der gesehen haben könnte, wo der Zwerg hingegangen war. Kurz darauf stand er allein vor dem Stand des Goldschmieds.

Tolpan nahm eine Silberbrosche aus einem offenen Schaukasten auf dem Verkaufsbrett. Während er sie in der Hand drehte, konnte er deutlich erkennen, daß sie von einem wahren Meister stammte. Andere Schmuckstücke aus dem Kasten zeigten denselben ausgeprägten Stil, aber das Armband, das offensichtlich auch von diesem Meister stammte, war schlichter. Ihm fehlten die typischen Kennzeichen von Zwergenschmuck: schweres Filigran, große Steine, bunte Intarsien aus Metallen und Mineralien oder exotische Legierungen.

Als Tolpan die Brosche und verschiedene andere Stücke in den Schaukasten zurücklegte, faßte er einen Entschluß. Das Armband war ganz offensichtlich zu einmalig, damit man seine Sicherheit den armseligen Schlössern der Kästen des Zwergs anvertrauen konnte. Eine solche Handlung wäre geradezu unverantwortlich gewesen. Lieber würde Tolpan es sicher an seinem Handgelenk aufbewahren, bis er den Zwerg finden und es zurückgeben konnte.

Leichtfüßig wandte Tolpan sich von dem Stand ab und wollte den zwergischen Goldschmied suchen. Er rechnete mit einer schwierigen Verfolgung; schließlich war der Frühlingsmarkt eine große Angelegenheit, und der Zwerg konnte überall stecken. Er war erst fünf Schritte weit gekommen, als ein donnernder Ruf ihn aufhielt.

»Dieb! Haltet den kleinen Dieb!«

Tolpan blickte sich rasch um, weil er hoffte, den Schurken zu entdecken, ja, ihn vielleicht sogar mit einem schnellen Schuß seiner Hupakschlinge zu erledigen. Aber er sah niemanden erschrocken davonrennen. Er sah auch niemanden, der wie ein »kleiner Dieb« aussah, obwohl das natürlich auch nur so ein Ausdruck sein konnte, wie er beschloß. Dann dämmerte Tolpan, daß er eigentlich eine Menge Leute sah, die ihn anstarrten.

Tolpan warf rechtzeitig genug einen Blick über die Schulter; der Goldschmied rannte puterrot und kochend vor Wut auf ihn zu. Der Kender ging dem Zwerg eilig aus dem Weg, damit er vorbeilaufen und den Dieb fangen konnte, doch der kam abrupt zum Stehen, und ein kräftiger Arm schoß vor und packte den Kender noch mitten in der Bewegung am Hals; ein erstaunlich wendiges Manöver für einen Zwerg, dachte Tolpan.

Die Hände des Zwergs schlossen sich fest um Tolpans Schultern, und der Zwerg schüttelte den Kender so heftig, daß ihm Hören und Sehen verging. Der Zwerg keuchte und prustete und war so aufgebracht, er konnte kaum reden. »Her mit meiner Ware, du kleiner… Ich konnte gerade noch… Deine Rasse hätte während der Umwälzung ausradiert werden sollen… Wachen! Wachen! Ich sollte… Wachen!«

»Ware?« Tolpans völlig verdatterter Gesichtsausdruck brachte den tobenden Zwerg dem Schlaganfall noch näher. »Du glaubst, ich hätte etwas gestohlen?« Tolpan stand da, hielt die eine Hand hinter dem Rücken und zeigte mit der anderen auf sich, als wollte er sagen: »Ich? Die ganze Aufregung meinetwegen?«

»Ooohh!« schrie der Zwerg durch seinen bebenden Bart. Seine Wut war so heftig, daß er Tolpan losließ, weil er seine zitternden Fäuste kaum noch unter Kontrolle hatte. Schließlich stampfte er mit dem Fuß auf und drehte sich einmal im Kreis, bevor er wieder ruhig genug war, um zu reden.

»Wie kannst du es abstreiten? Wachen! Ich habe es doch gesehen, genau da an deinem Handgelenk!«

»Ich glaube nicht, daß da irgend etwas an meinem Handgelenk ist«, sagte Tolpan, der seine linke Hand ansah.

»Nicht die!« kreischte der Zwerg. »Die andere Hand, du Türknopf! Die, die du hinter deinem Rücken versteckst!« Er griff nach Tolpans Hand und versuchte, das Armband herunter zustreifen. »Es ist genau da, an deinem Handgelenk!« wiederholte er. Immer noch zerrend, sah er sich hektisch um. »Wo bleiben denn die Wachen?«

Inzwischen hatte sich eine Traube Zuschauer um den Stand versammelt, die drängelten und schoben, damit sie etwas von dem Aufruhr mitbekamen. Der Zwerg war in der Stadt für seine Wutausbrüche bekannt, und keiner wollte diesen verpassen (wenn auch keiner zu nahe dranstehen wollte). Ein großer, drahtiger, junger Mann, der etwas aufgeregt aussah, bahnte sich einen Weg durch die Menge.

»Na also, da ist ja die Wache«, seufzte Tolpan. »Ich hoffe, der klärt die Sache auf, denn ich bin wirklich äußerst durcheinander.«

»Den Göttern sei Dank, daß du kommst, Tanis«, atmete der Zwerg auf, ohne auf den Kommentar des Kenders zu achten. »Bitte lauf schnell los und hol eine Wache.«

»Erzähl mir doch erst mal, was los ist«, sagte der, den er Tanis genannt hatte.

Tolpan warf sich trotzig in die Brust. »Das wüßte ich auch gern.«

Flint schnaubte. »Ist das nicht eindeutig? Der üble Kobold da hat mein Armband gestohlen und wollte sich gerade damit davonmachen.« Der Zwerg verdrehte Tolpan zum Beweis den rechten Arm, schob den Ärmel zurück und zeigte das Kupferarmband an dessen Handgelenk. »Da. Genau da, wo er es versteckt hat.«

»Ach, das meinst du?« Tolpan war ehrlich überrascht. »Das habe ich nicht gestohlen. Ich habe es für dich beschützt. Ich wollte dich gerade suchen gehen, um es zurückzugeben. Du hast es auf dem Tisch liegenlassen, wo jeder, der vorbeikommt, es einfach hätte nehmen können.« Tolpan drohte dem Zwerg vorwurfsvoll mit dem Finger. »Du solltest wirklich vorsichtiger mit deinen Sachen umgehen.«

»Es war im Schaukasten eingeschlossen!« rief der Zwerg aus, wobei er Tolpan den Finger in die Brust bohrte.

»Das war schrecklich unvorsichtig«, mahnte Tolpan völlig ungerührt. »Und du könntest diese Schaukästen genausogut unverschlossen lassen, so wenig helfen sie.«

Die Gelassenheit des Kenders brachte den Zwerg nur noch mehr zum Kochen. »Auf dieses Getue vom unschuldigen Kender fall ich nicht rein.« Verzweifelt sah er sich unterstützungheischend zur Menge um. »Ich will, daß dieser Dieb abgeführt wird.«

Tanis beugte sich zu dem Zwerg vor und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: »Ich glaube wirklich nicht, daß das nötig ist, Flint. Ich bin sicher, er wollte nichts Böses tun.«

Als er sich zu dem Kender umdrehte, fuhr Tanis fort: »Wenn du das Armband zurückgibst – und alles, was du sonst noch so mitgenommen hast –, vergessen wir die ganze Sache einfach.«

Tolpan war beeindruckt von dem Gerechtigkeitssinn dieses Mannes – etwas, wovon er seit seiner Ankunft in Solace wenig erfahren hatte. »Aber mit Vergnügen«, sagte Tolpan. »Das wollte ich schließlich sowieso die ganze Zeit.« Mit einer raschen Bewegung hatte er das Armband abgestreift und seinem Besitzer übergeben. Der Zwerg schnappte es, grunzte und verstaute es sofort in seiner Jackentasche.

»Gern geschehen«, sagte der Kender mit Nachdruck. Der Zwerg sah ihn nicht an.

Jetzt drehte sich der junge Mann zur Menge um, wedelte mit den Händen und schickte die Neugierigen davon. »Das war’s, Leute, hier gibt es nichts mehr zu sehen. Geht wieder an eure Geschäfte.« Danach streckte er dem Kender die Hand entgegen. »Mein Name ist Tanthalas, aber alle nennen mich Tanis. Der hier, den du seiner Meinung nach zutiefst gekränkt hast, ist mein guter Freund und Kamerad, Flint Feuerschmied. Er schreit schlimmer, als er in Wirklichkeit ist.«